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b DR. & SBLIGMANN '
MIT BESONDERER BEROCKSICirrKJÜNO DES
KURPFUSCHERPROZESSES OBOEN DEN
,LEHMPASTOR« FELKE
wx unBoanr omb schwarzen tapeln dud abbildokcuw
BERUN W. 30
HERMANN BARSDORF VERLAtt
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3
g Im Verlage von Hermann Baradorf in Berlin W. 30 erschien:
I pePirJlexenhammjer
•° , . ..'Atalküfe-^rälefi Carum —
N y«Viira$H"\6Yi' äön 'Leihen Inquisitoren '
JfkCoh:ßppßtuiä\ \hd Heinrich InstitorU
^ Zum eisten *MBlä ifas ueutsche fibertragen und dngdeliet .von
S * X W. J^. Schmidt
ff
3 Bän ie. Gr. 80. 7Ö6 Seiten. Bro&ch, M. 20. —, in 3 Originalbänden M. 24-^.
^ Jeder Band let cinxein kSunich: i. m 6—, geb. m. 7.2S; iL M. a,~,
§ , geb, 9,50; HI- M. 6-, geb. IL 7.25.
^ Vorliegende kriflsche deutsche Ausgabe dM b«rQe1)tfgt«ii Hexen-
S hamrnör:^ ist iibprlianpt seit 1489« wo die erste lateinische Ansj^ahe er-
^ sobien« diu erste deutSCiie Aufgabe dieses so eminent wichtigen Kuitur»
<g dokmnenfeel tHegMtinte Presse bat diese Bedeattmir «in«« 4«r^obaDd«r-
^ haftpsten und unflittlichst'^n Schriftwerke der \rr]t1itpratnr" anerkannt.
CO Sp&Itenlange Aufsätze mit Ueber&cbriften wie „Dda Verruchfeate BttCh
^ der \^'eUliteratar*^, „ Bibel der HOlle" uäw. haben aufs Neue das Interease
XJ der Gebildeten für ein Buch erre^rt, ^^•^1ch^'; das ,,zu MISMtaten Wf»
.H, dichtete Verbrechen wider den gesunden Menachenverstind dirsteW
und zu den grauenhaftetfen Jvflizniorden Mffiffcfe, -wie Dr. f iltdridi
u S. Kreuts schreibt.
^ Die „Weser Zeitung" vom S6. August 1906 b^nnt ibre eingebeiiie
^ Beapreobung folgendennassen : • ' -
^ „Wkebm haben ihre Schioltsale, abt^r es gibt auch Schriftwerke, die
O Bplbst zu Seil ick ealsm Seh ton geworden sind; man braucht ja nur, um auf«
c Geratewohl ein paar der bekanntesten herauszugreifen, an die Bibel, an
^ den Eona, an die Figarodramen Bcaumarobaie' und die Theorien Roasseaus,
;g an Luthers geschriebene Schlachten zu erinnorn. Unter der kleinen Zahl
C solcher weltlai fbestimmenden Schriften aber ist vielleicht keine znerk-
^ würdigere ^ i fmden, als der bertidbtigie Jlalleus maleficanim i^der Hexen-
^ hammer. Im Jahre 1489 erschienen, von zwei Geistlichen verfasst, hat
^ dieses Buch, das man ohne l'ebertreibung als die tollste Ausgeburt nensch-
^ liehen Wahnwitres, menschlicher Grausamkeit und menschlicher ünge-
C rechtigkeitbezcichnen kann, 'JD Vüflagen erlebt und brirahe drei Jabrhunr? orte
^ iaiig die volle Autorität eines juristischen Fundameutalwerkes genossen,
c es hat hundertteusende Ton Menschen dem Geschick überliefert, lebendig
b£ verbrannt zu werden und Millionen um Habe, Gesundheit und Ehre gebracht.
Ä Es ist ein nicht zu unterschätzendes Verdienst, dieses Werk, das
^ bisher nur in aeiner ursprünglichen Form, einem barbarischen Dunkelmänner-
latein, vorhanden und in unseren Tagen fast völliger Veigessenheit anheim-
gefallen war, in deutscher Übersetzung herausgegeben unddadnrcb
einem grösseren T.pserkreise zugä:iu;]ich geiriarht zu haben.
Frölich können wir nicht ohne Einschränkung die£iniadung wieder-
holen, die Uber d«r Ausgabe Ton 1519 stand; „Kant t:nd lies; daa Geld wird
dich nicht gorouon " Tlief>lnf^en und Juristen können das Werk ja im Original
»tudieren, uud der gelehrte Geschichtsforscher kennt es natürlich so gut
wie sie; aber für den nDilettanten** im Sinne Goetbes, fdr dieses
Elitopublikum, das eipertlfrh das geistige Kiveau eines Vol-
kes bestimmt und der wahre Träger und Verbreiter der National-
bildung ist, bietet der Hexenhammer eine Quelle unerschöpf-
licher geschiohtsphilosophißcher Belehrung' dar. Wie war es
möglich, dass ein Werk, wie der Malleus maleficarum zu solcher Bedeutung
gelangte? Ein kursier Blick auf die Gescbieht« dea Haxenwahaa iat aOtig,
um dies Rätsel su erklären . .
HiMlIlhrlicaitr Frosftkt mM Jern Iritis und Üriniw xnissMdl.
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Farbla/y. l zu Selu^rmmn , Äiuferutüigiiose u. Kurpfuscher tum.
HeUgratu bezK'. luUgelbe Regmhogenhant
P. •Pupille S • Sphincter
K'Jriskrause L • Lctcunen.
a,b,ff,g' ' BUUsäidai Umerhalb dtr6f(äss
scheiden,.
JlfUßnme Rejfetüxi^eiüuuit
P. ' Papille , T. 'Laauten-
S. • Sphinkter, F •CantradionsfurSuTt
V - Unpi^mrnUrU ZdlAnhöJifujujen
Fig9.
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Li'i.Ar.st.vlAFunie.Leipijg'
Dem, H(uulbuck- der AiuftrnhfiUiutulc r Graefc - Sarmisch, Kap. KriukmaniL, ErkrojJain^en.
des Ufeallrachix und liefi G/askdrper,',- enOwmnufh.
"mlaq v Wilhelm Engehtunn ir. I,*:ps:g.
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V A)OgIc
AUGENDIAGNOSE
UND
KURPFUSCHERTUM
M[T BESONDERER BERÜCKSICHTIGUNG
DES KURPFUSCHERPROZESSES GEGEN
DEN „LEHMPASTOR" FELKE
VON
Dr s. SELIGMANN
AL'GF.MAT?:'T IN HAMBURG
VERFASSER VON „DER BOSE BUCK UND VERWANDTES'
MIT 17 FARBIGEN UND SCHWARZEN TAFELN
UND ABBILDUNGEN
BERLIN W 30 1910
HERMANN BARSDORF VERLAG
ALLE RECH I E, AUCH DIE FÜR AMERIKA, VORBEHALTEN
Copyright 1910 by Hermann Barsdorf
Spamersche Buchdruckerci, Leipzig
Mephisto: Verachte nur Verounft und Wissenschaft!
(Goethe, Faust L)
Klage Jesajas 2, 6: „Denn voll geworden sind sie
von Wahrsagdnmst aus Morgenland und
von Zeichendeutem wie die Phlüster/'
294298
Vorwort
Die langjährigen Vorarbeiten zu meinem Werke über den „bösen
Blick*' brachten es naturgemäß mit «^irh, daß ich mich auch mit
manchem anderen das Auge bctreit- iidcn Aberglauben beschäftigen
mußte. So kam ich auf das Studium der „Aug^endiagnose". Im
Jahre 1906 erschienen meine ersten Veröffentlichungen darüber m
den Hygienischen Blättern und im Hamburger Fremden-
blatt Seitdem beschäftigte ich mich fortwährend mit dieser Pseudo-
Wissenschaft und sammelte ein großes Material, um dieses bei Ge-
legenheit einmal zu veröffentlichen. Meine jetzt über 3 Jahre alten
Darlegungen müssen wohl in weiteren Kreisen bekannt geworden
sein: nur so kann ich es mir erklären, daß ich zu meiner größten
Überraschung in diesem Jahre auf Betreiben der Deutschen Ge-
sellschaft zur Bekämpfung des Kurpf uschertums von der
Staatsanwaltschaft in Krefeld die Vorladung erhielt, im Prozeß gegen
den wegen fahrlässiger Tötung angeklagten „Lehnipastor" Felke
über die Augendiagnose ein sachverständiges Urteil abzugeben. Ich
fo^e dieser Einladung eigentlich sehr ungern, wußte ich doch aus
vielen anderen Kurpfuscherprozessen, daß auf das Urteil der medi-
zinischen Sachverständigen wenig Wert gelegt wird, und daß der
Angeklagte freigesprochen zu werden pflegt, wenn es ihm oder seinem
Verteidiger gelingt, die Sache so darzustellen, als wenn der ganze
Hokuspokus ,,im guten Glauben" ausgeübt wäre. Der Verlauf des
Prozesses, dem ich, trotz der höchst merkwürdigen Ableugnung
einiger Tagesblätler, als Sachverständiger beiwohnte, und in dem
ich in höchst gedrängter Form die gesclüchtliclie Entwicklung der
Augendiagnose und ihren völligen Unwert nachwies, hat mir wieder
einmal bewiesen, daß ich mit meiner .Vamutuiig über den Ausgang
desselben recht behalten habe, und daß die medizinischen Sachver-
ständigen nur eine lächerliche StatistenroUe bei der ganzen Komödie
spielten. Zu gleicher Zeit wurde aber in mir die Überzeugung reif,
daß es die höchste Zeit sei, einmal die ganze „Augendiagnose" in
wissenschaftlicher Weise zu bearbeiten. Das Material dazu hatte
ich ja schon, ich brauchte dasselbe nur zu ordnen und niederzu-
— 6 —
schreiben. Die Arbeit war in wenigen Wochen vollendet. Die Augen-
diagnostiker haben immer gejammert, daß die kompetentesten Be-
urteiler ihrer Kunst sich stolz und hochmütig von derselben fern
und es nicht der Mühe wert hielten, sich damit zu beschäftigen. Ihr
Liebiingswunsch ist mit vorliegender Arbeit erfüllt. Mögen sie die
richtigen Lehren daraus ziehen und lernen, lernen, lernen! Der
Mediziner und der Laie^ der dieses Buchteln in die Hand nimmt,
und der noch nichts von der „Augendiagnose'' weiB, der kann sein
blaues Wunder erleben. Wenn er noch einen Funken von Ver-
stand im Gehirn hat, dann wird er nach der Ldcture sein Urteil über
diese famose Kunst in die wenigen Worte zusammenfassen können:
„I 'nnflaublicher Blödsinn!" Wer aber trotz dieser Darlegungen noch
fortfaiirt, die Augendiagnose zum Schaden der leidenden Mensch-
heit praktisch auszuüben, der darf sich nicht mehr auf seine Dumm-
heit und seinen guten Glauben berufen, der ist ein gewissenloser
Betrüger!
Hamburg, Dezember 1909.
Dr. S. Seligmann.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Kap. I. Die Quellen der modernen Augendiagnose 11
1. Das Auge als Spiegel der Seele 11
2. Böser Rück 12
3. Das Auge als Spiegel des Körpers 13
4. Mittelalterliche Ophthalmoskopie 13
a) Fhysiognomische Tafeln 13
b) Bedeutung der Irisfarben und -flecken • 39
c) Regionenlehrc 41
Kap. II. Die moderne Augendiagnose im Lichte der Wissenschaft 44
1. Augendiagnosc der Arzte ■ 46
2. Irisdiagnose der Kurpfuscher 47
a) Farbe der Iris 49
Krätze. Psoratheorie 51
b) Iriskreise 53
Magenfeld 53
Impfung • 53
Darmfeld , 55
c) Irisperipherie 55
Haulring 56
Milchschorf, Grind 56
d) ZcntralcT Irisrand . . . . " 56
Sympathisches Nervensystem 50
e) Kontraktinnsfurchen 57
Kranipffin^e 57
f) Knotenalmliche Bildungen 57
Arsenik-, Rheumatismusflecke 58
Verkalkung. Harnsäureanhäufung. Nervosität 58
g) Hornhautrand 59
Quecksilbervergiftung 60
Hornhautflcckc 6L!
h) Greisenbogcn GO
Verkalkungsbogen 61
i) Pigmentflecke 61
a) Braun, rotbraun 61
Verschmierte Krätze 62
Jodzeichen 62
— 8 —
MiiHprknm . ^ S2
Eisen 62
ß) Blaßrot 62
Bromkalium 63
y) Grauweiß 63
Arsenik 63
Salicylsäure 63
Kreosot ß3
Blei . 63
Opium 63
Ö) Gelb 63
Antipyrin (y3
Antifebrin 63
Strychnin 64
Chinin . 64
r) Grünlich 64
Chinin 64.
C) Gelbgrün 64
Sch w ef e l • üA
>/) Blau 64
Farbenveränderungen 65
Konstant bleibender Farbenwechsel 65
Vorübergehender Farbenwechsel ■ 66
r}) Schwarz 66
Zeichen des Substanzverlustcs 67
k) Krypten oder Lakunen 07
Dichtigkeit der Iris 69
Nervenfasern, Entzündungszeichen, Morphium .... 70
Organschädenzeichen 71
Regionenlehre 73
Abweichende Ansichten der verschiedenen Atigen -
dia^nostiker 74
Neu entdeckte Organe 80
VcrvvechselunKsmöjjilichkeiten 80
Methode der Augendiagnostiker 82
Augendiagnostischc Bilder 83
I) Odstrahlen 86
üfiiiüda. Mcdio ma ■ Sl
Kap. III. Resultate der Augendiagnose 88
1 Remiltafi^ der Är7.tft . SS
a) Meine Lfntcrsuchun^en 89
Gefahren der Augendiagnose 101
Sogenannte „charakteristische" Zeichen 101
b) Untersuchungen anderer Ärzte 106
2. Resultate der Kurpfuscher 108
3. Vergleich der Resultate 131
4. Bemerkungen zum Felke-Prozeß • 131
9 „
a) Der „gute Glaube" 131
b) Arzt und Kurpfuscher 132
c) Die ,, Erfolge" der Kurpfuscher. 133
d) Die Anhänger der Augendiagnose 133
g) Laien, Lehrer 134
ß) Approbierte und nicht approbierte Arzte 134
Professortitel 137
e) Krankenkassengesetz 138
Zwangsarztsystem und freie Arztwahl 138
f) Reichsversicherungsordnung 139
g) Kurpfuschereiverbot 139
Kapitel 1.
Die Quellen der modernen Augendiagnose.
Ein altes Sprichwort behauptet, das Auge sei ein „Spien^el der
Seele". Aber diese Behauptung wird dadurch noch nicht richtig,
daß sie sehr alt ist Wer diesem Sprichwort dninal auf den Orund
geht, der erfährt, oft zu seiner eigenen größten Überraschung, daß
besagte Voiksweisheit ebensowenig wert ist wie manches andere,
was ein denkunfähiges Menschengeschlecht in die knappe Form
eines Sprichwortes gepreßt hat. Wenn der Volksmiinil die Wahr-
heit spräche, so müßte man Zorn und Liebe, Mali und Unschuld,
Laster, Freude und Trauer, Sanftmut, Mitleid, Frömmigkeit, Bosheit,
Trotz, Mißgunst und Neid, kurz alles, was menschlich, göttlich,
tierisch, teufUsch sich in des Menschen Brust regt und wirkt, aus
dem Sehorgan, dem Augapfel herauslesen können. Aber nur ein
ganz ot>erflächlk:faer Beobachter kann derartige kfihne Behauptungen
aufstellen; seine Phantasie gaukelt ihm etwas vor, was der nüch^
ternen Forschung nicht Stand hält Der vorurteilsfreie Naturforscher
sieht von allen diesen Oemfitsbewegungen und Charaktereigenschaf-
ten im Auge nichts, er beobachtet nur einen wechselnden Gesichts»
ausdruck und ein mehr oder weniger auspfeprägtes Minenspiel, eine
Anspannung oder Entspannung der einzelnen (iesichtsmuskehi, eine
größere oder geringere Blutfüllung eines gegebenen Kapillarbereiches,
und kommt so zu dem Schlüsse, daß man etwas dem Auge unter-
schieben wollte, was in Wirklichkeit der Oesichtsmuskulatur zukam.
Wir haben dieses ausführlich in unserem Buche Ober den „bösen
Blick'' behandelt und durch zahlreiche Beispiele nachgewiesen.^)
Wie alle Charaktereigenschaften sich im Auge widerspiegeln
sollten, so glaubte man dieses auch von dem Neid, dem Zorn und
der Mißgunst, also den Seelenfehlern, die man den Menschen zu-
schrieb, denen die Macht des bösen Blickes gegeben war. Der böse
') Dr. S. Seligmann. Der böse Blick und Verwandtes, ein Beitrag
2or Oeschichte des Aberglaubens aller Zeiten und Völker. 2 Bände.
Beilltt 1910. Volag von Hermann Barsdorf.
Dlgltlzed by Google
— 12 —
Blick war also nur eine der vielen Oemüt^bc a ci^ungen, die der
„Spiegel der Seele", der Augapfel, anzeigen sulik.
So lange die ^^c^ngstigten Sterblichen die ailtäti^liche Erfahrung
machen mußten, daß dem Menschen der Besitz des ihm zuteil Ge-
wordenen nie sicher sei, daß ungewöhnliches, für mensdilidie Dinge
unverhättnismäßiges Glück oft einen raschen Umschwung und um
so herberes Unglück zur Folge habe, so lange herrschte der bange
Glaube an den Neid der Götter, an den bösen Blick der Menschen.
Das edelste Organ des Körpers, das die Natur nur dazu bestimmt
hat, die von einem Gegenstande ausgehenden Strahlen rein passiv
aufzunehmen und <n ein Bild von ihm zu empfangen, das mit -iiufn
Wort nur zum Sehen geschaffen ist, diese wunderbare Schuplung
sollte nach den abergläubischen Vorstellungen der im tiefsten Oeistes-
dunkel einhcrw aiidelnden Menschheit unter Umständen eine ^j^cradezu
teuflische Madit besitzen oder erwerben können. Die glanzenden
Kristallkugeln im Haupte des Menschen sollten aktiv werden und
giftige Strahlen aussenden, die unbarmherzig Mensch, Tier und
Pflanze vernichteten un(| alles zerstörten, was gut, schön und be-
neidenswert war. Welche ungeheure Rolle dieser finstere Aber-
glaube zu allen Zeiten und bei allen Völkern gespielt hat und noch
spielt, das können wir hier des weiteren natürlich nicht ansfliiircn. ;
Wir wollten nur darauf hinweisen, um /u /eii;en, aus welchen trüben *
Quellen und aus welchem schlammigen Aberglauben die „Augen- ]
diagnose" geboren ist. ♦ . >
Wer mit dem bösen Blick geboren ist, der hat nach uralter
heidnisdier Anschauung gewöhnlich irgendein Zeichen im Auge, das
ihn und seine Bosheit verrät Nach christlicher Weltanschauung ist
es der Teufel, der seinen Günstlingen zur Besiegelung des Paktes
einen solchen Stempel in der Walpurgisnacht auf den Augapfel
drückt. Inquisitoren und Hexenfinder machten im finsteren Mittel-
alter ein schamloses Gewerbe daratis, solche Aucfcnzeichen /n ftn-
tien. Wehe dein armen Weibe, dein bedauernswerten Manne, dem
ahnungslosen Kindchen, die das l'nL,dück hatten, ein solches Au^en-
zeiehen zu hcsit/en. Erbarmungslos wüteten fanatische Geistliche
und hirnverbrannte Richter, der I^rozcß wurde ihnen gemacht, die
Folter wurde über sie verhängt, der brennende Scheiterhaufen machte
sie für immer unschädlich.
Die Lehre von den Augenzeichen — als da sind: Augenfarbe,
farbige Flecke, bunte Kreise, große und kleine Augen, ticflieyen le
und hervorstehende Augäpfel, gerötete Bindehaut, Augenmuskel-
defekte und vieles andere mehr (cf. Böser Blick, Bd. I, S. 66 — 78)
— wurde besonders ausgebildet /u einer Zeit, wo okkulte Wissen-
schaften verschiedenster Art, wie die Chiromantie, die Wahrsage-
^ j . -Li by Google
- 13 —
kunst aus den Linien der Hand, die Metaposkopie, die Lehre von
den Linien der Stirn, die Physiognomik, die Auslegekunst von
den Zügen, den Warzen und den Ffecken des Gesichts in voller
Blüte standen. 1) Mit diesen P^^cnfUiwissenschaftcn auf irlcichcr Stufe
stand die ^dcichzeitisf aufkommende Ophthalmoskopi t', die Mutter
der heutigen Augendiajjnosc. Alle diese Wunderkünstc sciioi tten aus
ganz unwesentlichen Dingen den Stoff zu einer trügerischen und be-
trügerisdien Wahrsagung. Wir beschäftigten uns hier nur mit der
Ophthalmoskopie. Ihr Hauptgebiet war ursprünglich die Prophezeiung
von Charaktereigenschaften; zu den Zeichen des bösen Bliclces kamen
nun Zeichen anderer seelischer Eigenschaften hinzu und vermisch-
ten sich mit ihnen: die Lehre von dem „Spiegel der Seele" im Auge
feierte ihre höchsten Triumphe. Aber bald begnügten sich die Adep-
ten dieser Wunderkunst nicht mehr mit dem beschränkten Gebiet
des Scelenspiegels, ihr Ehrgeiz gierte nach mehr: der Körper und
seine I i krankungen mußten sich ihrer Kunst anpassen, das Auge
uurue auch ein „Spiegel des Körpers".
Dieses wollen wir jetzt näher beweisen. Wer sich der Mühe
unterzieht, gewisse schweinslederne Folianten des 17. Jahrhunderts
zu durchstöbern, der findet in ihnen höchst interessante, von einem
gewissen de Rubeis abgefaßte „Physiognomische Tafeln", die wir
hier abdrucken^ wollen, um dem Leser zu zeigen, wie alt die
Kunst der modernen Augendiagnostiker ist
Die Augen bedeuten:
So tief in den Kopf liegen. Einen Kühnen, Grausamen,
Neidischen, Betrügerischen, Ver-
logenen, Qeiien, Bös-Zornigen
und bald sich Erinnernden, ab-
sonderlich des empfangenen
Schimpfs; einen Argwöhnischen
und weit Hinaussehenden.
So gegen der Nasen zu stehen. Einen Liebreichen, Angeneh-
men, Freundlichen und Vene-
rischen,
So das Augenweiss etwas Einen fürnehmen, in grossen
schwärtzlicht. Würden lebenden Mann.
') S. Sei ig mann. Die Diapnose aus den Augen. Hygienische Blätter.
Juli und August. 1906. Nr. 10 und 11. — S. Seligmann. Die Erkennung
von Krankheiten aus den Augen. Hamb. Fremdenblatt 20. Mai 1906.
') Joh. Siegm. Eltzholtz. Anthropometrie. Nürnberg 1695. II. Traktat
im Chiromantisch-Physiognomischen Kleeblatt. Nürnberg 1695.
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— 14 —
So weiss und gar zu gläntzend.
So weiss und niclit gar
gläntzend.
So zwey in der Mitte des Augs
fast zusammengehende Augen-
lieder, die beyderseits gleichsam
vor Furcht lippern.
So weit offen und von allzu
grosser Oeffnung.
So sich offt aufreissen, und
gleich als ob man etwas nach'
sinne, stillstehen.
So immer offen stehen und da*
bey wolanständig und wachsam.
So immer offen und lang also
bleiben.
So immer offen auch so gar in
den Schlaf.
So immer offen und hell» klar
und mittelmässig, und nicht gar
zu rund.
So immer offen, aber dabey
dunckel und feucht
So immer offen, dunckel und
feucht, aber dabey gut anzusehen.
So immer offen, aber dabey
trucken, glänzend und gleich als
ein Licht scheinend.
So trudcen.
So schön und mittcintässiger
Färb.
Einen Furchtsamen und Heim-
dückischcn.
Einen Schwachen, Gering-Ver-
ständigen und Kleinmüthigen.
Einen Ehebrecher und der die
Schönheit liebt, Leckerhatften und
denen Liebes-Wercken Ergebenen.
Einen Rasenden, Schwelgen-
den, etwas Lügenhaften, Fitel-
Redenden, Arbeitsamen, die
Faulheit Hassenden aber dabey
Verw^encn.
Einige Vorschläge, so man in
Gedancken hat; was aber sel-
bige für welche seyen, wird man
von denen Eigenschafften der
Augen abnehmen können.
Einen Treuen, Gerechtigkeit-
Liebenden, Freundlichen, fleissi-
gen und Warhafften.
Einen Dummen und Unver-
schämten.
Einen sehr Furchtsamen.
Einen Gütigen, Gerechten, Got-
tesfürchtigen, Verständigen, Tu-
gend-Liebenden und denselbigen
Nachtrachtenden.
Einen Genau -Auf merckenden
und Tiefsinnigen.
Einen Frommen.
Einen Tollkühnen, Unverschäm-
ten, Geilen und Heimtückischen.
Einen Ertz-Schelmen.
Ein gutes Geniüth.
. kj .i^Lo uy Google
16 —
So Gallisch.
So sie hohl und lachlend, ab-
sonderlich wann die Wangen,
Augbraunen und Lippen sich zu-
gleich mit bewegen und die
Augenliudcr sich gleichsam /u-
sammcnschlicssen, bald aber wie-
der auf und auseinander gehen.
So hohl, klein, trucken und ge-
nau au! etwas zielend.
So hohl und gross und gleich
einen Wasser in einem Gefäss
sich bewegend.
So hohl,schwartz und gläntzend.
So hohl, aber nicht weinend,
sondern vielmehr lustig^ aus-
sehend.
So hohl und klein.
So hohl, klein und trucken.
So ein wenig hohl, und dabey
etwas gross.
So ein wenig hohl, und dabey
schwärzlicbt
So sehr tief und hohl, und diese
sehen mehr als andere.
So blau, feucht, gross, still-
stehend und gläntzend.
Einen Rasenden.
Tiefe und weltaussehende Ge-
danken, mit einen Ertz-Spitzbfibi-
sehen Betrug.
Einen bösen Narren.
Einen Mann von keiner un-
ebnen Art, wann nit andere Zei-
chen unterlauffen.
Einen Befleckten, Neidischen,
Bosshaf ftigen, Betrügerischen, und
der die geheimsten Sachen wissen
will
Einen Verliebten.
Einen Lästernden, Betrfiglichen,
heimlich Nachstellenden, und durch
Neid und Missgunst sich selbst
Verzehrenden.
üeber erstbesagte Laster; einer
Untreue, Meineid, Verrath und
Kirchen-Raub.
Einen Verschwenderischen, aber
dabey Sanfftmüthigen.
Einen Orossmüthigen.
Einer, der keins lobenswerth,
indem er boshafft tmd eines losen
Oemüths.
Einen Muthigen, Zornigen, Un-
beständigen, Plauderhafften, je-
docii ohne Lügen, von noch ziem-
lich guter Art, etwas stoUz, aber
sehr treu und fleissig in dem, was
ihn anvertraut.
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— 16 —
So blau und ziemlich feucht.
So blau und trucken.
So grau-blau und weissUche,
welche Färb bey neugebohmen
Kindern sich meistens aeussert
So grau-blau und doch etwas
gelblicbty welche in denen Eulen-
Augen zu sehen.
So grau-blau und grünlicht, fast
wie OeMärbicht.
So rund umher verrunzelt,
welche Runt/cln theils von denen
In icke ri Winckeln der Augcnlie-
dcr, theils auch von der Haut der
Schläfe so nächstens dabey, und
von den obern Theil der Wangen
seinen Ursprung beginnt.
So rund umher gleichsam ge-
schwollen.
So in den weissen Aug des
Gelbliche.
So helleuchtend und froüch.
So öffters fippem, wann diese
dabey auch trucken oder klein.
So sich schliessen mit einer
rauhen Stirn Qberzwergen Aug-
brau und harten und gleichsam
zusammgewachsenen Atigliedern.
Einen Beträgerischen, Verloge-
nen, EiteUredenden, sehr Zorni-
gen, Wütenden, Leichtsingen, Ehr-
geitzigen,. Citein, . Trutzigen.
Noch schlimmere Sitten.
Einen Furchtsamen und Oering-
Verstandigen, wann sie aber eng
beysammen und dunckel, einen
Gottlosen und Lasterhafften.
Wüste und angezogene Sitten,
wann sie aber mit kleinen Aug-
äpfeln einen Geitzigen und Ver-
schlagenen.
Einen Grossmüthigen, Starcken,
wann aber bey diesen allen eine
Troeckne, bemerkt sie einen der
Büssheit Verdäcliti^en.
Einen lasterhafften Schmeichler.
Einen Rohen, Gefressigen, Un-
freundlichen.
Einen Zornsichtigen, Rasenden,
Plauderhafften, Leichtsinnigen,
Wollüstigen, Verlogenen, Eitlen.
Einen Angenehmen, Anmuthi-
gen, wolgesitteten, und lang
Lebenden.
Einen Feigen, doch dabey
Heimdüdcischen, und auf das
böse Arglistigen.
Einen groben verwildeten Men-
schen, so zur Verwegenheit ge-
neigt, durch Lob sich erhebt und
leicht durch Qeschencke sich be-
stechen lässt
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- 17 —
So sich schliessen mit geraden
Augbrauen und zitterenden
Augenliedern, und da zugleich
Augen und Sehen sich bewege.
So sich schliessen aber dabey
feucht, behöriger Grösse, glän-
4zend, mit glatter Stirn.
So sich schliessen und dabey
wie ersterwehnt beschaffen, aber
Jioch über das drücken.
So sich schliessen und bald wie-
der öffnen und dabey feucht
So sich schhessen und bald
wieder öffnen, aber dabey bleich
und zitternd.
So sich schliessen, aber in die
Hüiie gehen und so etv^as still
stehen.
So zusammengedrückt und auf
einen Zweck gerichtet.
So blintzeln, dabey verdreht
und bleich.
So bhntzeln und dabey feucht.
So schlecht-hin blintzeln.
So blintzeln und dabey Inicken.
:5ü niciit zusammgehen, dabey
bleich, röfhlicht und trucken.
So nicht zusammgehen und
starck einen ansehen.
So nicht zusammgehen, aber
freundlich einen anblicken» und
dabey feucht.
Sellgaanii, AugcndtagBoaeL
Einen Weibischen und Rasen-
den,
Einen Schamhafften, Gelehrsa-
men, Liebwerthen, guten Rath mit-
theilenden, Liebhaber der Künste
und Wissenschafft.
Einen Unbillichen, heimlich
Nachstellenden, Bosshafftigen,
Verwegenen, Verschlagenen.
Einen accuraten, Verständigen,
Liebhaber der Künste, Fleissigen
und in allen Gefolgsamen.
Eine Raserey und Verruckung
des Gemüts.
Einen Unmässigen, Rasenden,
Ungelehrten, Liteln, Gctrassigen.
Einen grausamen Tyrannen und
Todschläger.
Einen Thöhchten.
Einen, der sich auf viel Kunst
und Wissenschafften legt.
Einen Furchtsamen.
Betrug, heimliche Nachstellun-
gen, eni verborgenes Schelmen-
städc; womit man schwanger geht
Einen Unbillichen, leicht Lizür-
nenden, Leichtsinnigen, Missgön-
stigen, Plauderhafften, Verloge-
nen, Zancksichtigen und Betro-
genen.
Einen, der niemals was guts
in- Sinn hat
Einen Curiosen, viel Betrach-
tenden, der l0-h Nachhängend,
und leicht Beweglichen.
2
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— 18 —
So mitgantzen kurzen Winckeln
versehen.
So mit fleischichlen Aug-
winckeln bey der Nase gleichwie
Muschel versehen.
Su mit ausgebreiteten Winckeln
versehen.
So mit anzulangen Winckeln
versehen.
So mii mittelmässigen Winckeln
versehen.
So da weisse Circkel, und da-
bey schwache Augen hat.
So da Circkel hat, die ungleidi
um den Augapfel herum lauffen.
So da Circkel und Ring mit
Flecken hat
So da Cuckel und Ringe hat,
deren unterer grün, der obere
aber schwartz.
So da Cirdcel und Ringe hat,
davon der untere eng und
schwartz, der obere aber feurig,
und die Augen doch dazu feucht
und darinnen nichts ungewöhn-
lichs vorhanden.
So da Circkel hat, die einen
vielfarbigen Regenbogen fürstel-
len, die Augen aber an sich selbst
trutzig.
Die alterübelste Sitten.
Einen Vielfrass, Trunckenen,
Geilen, BetrugUchen und Unver*
schämten.
Eine Kranckheit der Augen,
wann sie aber ein wenig nur er-
weitert, und zugleich mit etwas
lädilenden Augen, würden solche
Winckel einen Wollüstigen be-
merken.
Böse Sitten.
Einen Wohlgezogenen und
Frommen.
Einen Schwachen und Klein«
müthigen.
Einen Mörder, Lasterhafften
und mit Vergiftung umgehenden.
Einen ungetreuen, ungewissen-
hafftcn, neidischen, bosshafftigen
Verleumbder, Verräther; und so
die Flecken häuffig, ist auch der
Geist viel hochrnütliiocr, daher
dann die Verscheidenheit der
Sitten und Hauffe der Laster
stammt; es wäre dann dass ein
Stahr vorhanden.
Einen betrügUchcn, unbillichen
Geld-Dieb, 4ind der schändlich
sich an Weiber hängt
Einen Gerechten, Gottsfürch-
tigen, Grossmüthigen, Verstan-
digen und über die massen seine
Kinder Liebenden.
Einen zum Zorn und Liebes^
wercken Geneigten.
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~ 19 —
So da Circkel hat, einen viel-
iärbigen Regenbogen nit ungleich
mit feuchten Augen.
Die Tapferkeit, Grossmut, Be-
redsamkeit und guten Rat jedoch
mit etwas Zorn und venerischer
Geilheit.
So da C.iickci hat wie ein viel- Einen Rasenden, und Ehrlosen,
färbiger Regenbogen, die Augen
aber dabey trucken.
So da Circkel hat wie ein viel- Einen dummen Verstand, und
fiirbiger Regenbogen, aber dabey Faulheit,
ein Ochsen-Augf.
So da Ciickcl hat wie ein viel- Einen Unp^e/ofrpnen, Thörich-
färbiger Regenbogen, aber dabey ten und Bössarligen.
Ziegen-Augen.
So da vielfarbigen Regenbofjen, Einen grausamen Betrüger^
aber dabey gelblichte Auycn. Mörder und Verrather.
So da Circkel hat wie cm viel- Einen Höflichen, Getreuen, und
färbiger Regenbogen, die Augen mit seinen Verstand alles Durch-
aber blaulicht oder schwärtzlicht dringenden,
und dabey mittelmässig.
So da Circktl hat wie ein viel- Einen Tapfern, Grossmüthigen
färbiger Regenbogen, aber dabey und Verständigen,
braune Augen. ^
So da etwas schielende und Einen Qeitzigen, Nachstellen-
dabey gar wenig sehende Augen, den, Vortheiihafften und Ver-
schlagenen.
So da zwischen der schwartzen Einen Tiefsinnigen, trefflich-
und andern Färb Augen haben; Nachdenckenden und Wohlgezo-
es wäre dann dass die Augen genen.
funcklend, und keine rothe oder
gelblidite Färb zu sehen.
So da eine Farbe zwischen Einen Unbedachtsamen und ge-
schwartz und braun haben, aber schwind das was . er fargetragen
dabey mit Blut unterlauffen. Bewerckstelligenden.
So da von einer Färb zwischen Einen Unmenschlichen,
grün und blau.
So da zwischen weiss und Einen der das beste Oeinüth
schwartz. . und Verstand hat, und dabey
fleissig, verschwiegen, warhafft
und friedfärtig.
2*
- 80 —
So da Lüwen-färbig, wie des
Löwen Augen beschaffen.
So da bleicher Färb und die
Augen trucken.
So da gar zu bleich und feucht.
So nur bleich.
So da fast purpurfarbig und die
Augen feucht.
So da fast purpuilaibig und
die Augen trucken.
So da wie Küh-Augen aussehen.
So da etwas grünlidit, doch
dabey auch weisslicht, und die
Augen feucht
So da gantz kleine Augäpfel
haben.
So da gelbe oder schwartz-ver-
goldete Augäpfel haben.
So da gehörige Augäpfel haben.
So da Aug-Aepfel in den Um-
fang gleichsam Perlen zu sehen.
So mit innwendfg goldfarbigen
Augäpfeln versehen.
So mit gar zu breiten Aug-
äpfeln.
So da mit gehörig-breiten und
schönen Augäpfeln versehen.
So da Augäpfel mit schwartzen
oder blutfärbigen Tröpflein in-
wendig haben.
Tapferkeit des Gemüts und
Schärfe des Verstandes, wie auch
die beste Sitten.
Einen zum Betrug-Geneiglen,
und bey Unternehmungen sehr
Klugen und Verwegenen.
Einen Thorhafften.
Einen sehr Schamhaffteii.
Einen Sauffer und Unverstan-
digen.
Einen Zornigen und Wilden.
Eines dummen Verstand und
nichtswürdigen Oemflths.
Einen heimdückischen Sodo-
miten, aufrührerischen und noch
schlimmer so die Augen trucken.
Einen Betrüger und leichifär>
tige Geilheit nachhangenden.
Einen Blut-Fluss durch den un-
fern Leib.
* Einen Frommen, Verschvnege*
nen, Gerechten und Warhafften.
Einen Neidischen, Plauderen-
den, Lägenden, Ertzbosshafften,
absonderlich was das lasterhaffte
Ausrichten und Verleumden be-
trifft, wann aber die Augen von
vielerley Farben; musste er das
allerleichtfertigstc und lasterhaft-
teste Gemüth haben.
Einen Neidisclien, Bossiiaften,
Bissigen und Beti uglichen.
Emen Narren.
Einen Freygebigen, Tapfern,
Ehrlichen und Sanfftmütigen.
Einen bosshatten Vergiffter,
wann sie aber bleich, bedeuten sie
Betrug und Verrätherey.
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— 21 —
So da schwärtzlichte Augäpfel.
So da Jcohlschwartze Augäpfel.
So da Aug-Acpfel haben die
verwendet und sidi beyderseits
So da Augäpfel die einander
gleich.
So da ungleiche Augäpfel.
So da ungleiche Augäpfel, da
auch noch über das eine blaue
oder grän und andere Färb, und
da die Stirn fast gantz Icurtz auf
denen Augbraunen.
So da ungleiche Augäpfel mit
einer grün, blau oder anderfärbi-
gen Wölcklen und dabey die
Augen in Kopf herum schiessen.
Mit herfürragenden Augäpfeln,
wobey auch das gantze Auge sehr
breit
Mit sehr kleinen Augäpfehi.
Mit Augäpfeln deren einer
grösser als der andere.
Mit j^leichsain inwendig gantz
mit Feuer eingefassten Augäpfeln.
Einen Faulen und Dummen.
Einen Verständigen, Klugen,
Weitaussehenden, zu allen Kün-
sten Geschickten, Sanfftmüthigen,
etwas langsam in seinen Ver-
richtungen, wenig Redenden,
Schaniiiafften aber dabey Arg-
wöhnischen, Furchtsamen und
Hartnädcichten.
Einen der den menschlichen
Qesdilechts altes Böse zuzufügen
gedenckt, als der dasselbige hasst,
und nichts als böses stifftei
Einen Oerecbtigkeit-UebendeK,
Frommen.
Einen Bosshafften, Unbillichen.
Einen mit den bösen üeist be-
sessenen.
Einen Unbillichen, und unbil-
liehe Sachen Vornehmenden als
nemlich M ord der Anverwandten,
Blutschand, Vergifftungen, Hexe*
rei und dergleichen.
Einen Thorhafften.
Einen Qeitzigen, Gewinnsüch-
tigen, Verschlagenen, Neidischen,
Bosshafften, Zänckischen, Kna-
benschänder; wann aber der Aug-
apfel ziemlich klein bedeuten sie
etwas bessers.
Einen unbillichen Verräther.
Einen Unfrcunlichen, Zornigen,
Stoltzen, Mörderischen und Ver-
schlagenen.
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— 22 —
So da recht wie sie seyn sollen,
frölich, wachsam, offen, klar, hell,
und nicht gar zu rund.
So da geibiicht und hin und her
lauffen.
So da gantz niedergeschlagen.
So da missfärbif.
So da tncicn und dabey roth.
So da verdreht
So da hoch, mittelmässig; weit,
gläntzend, fippercnd, hurtig, rein
feucht
So da immer keiner sonder-
lichen Ursacii wegen weinen.
So da gar grob dick.
So da Steinlein haben, die die
Griechen Ceiichros nennen, so
wie Hirschkörnlein, die Augen
aber sind dabey braun und gleich.
So da Steinlein haben und
braunrothe Augen die da ungleich.
So da Steinlein haben und die
Augen dabey schwartz und bleich.
So da Steinlein haben und da-
bey schwartze Augen die anbey
röthlicht, doch wann sie ^^enau
betrachtet werden, sich gleichsam
zu schwärtzen schciuen.
Ein gutes Gemüth und eben
sothanige Sitten.
Einen Ehrgeitzigen, Unver-
schämten, Plauderenden, Lügen-
hafften, Unbeständigen, Stoltzen
und Eitcln.
Einen Heimdückischen und
Spötter.
Einen Furchtsamen.
Einen Ueberfluss der Feuclitig-
keit, und ein sehr feuchtes Gehirn.
Einen sehr betrüblichen Ver-
räther und wenig Verständigen,
Einen Grossmüthigcn, Lieb-
haber der Tiin-cnd, und in allen
Stücken fleissigen, trefflich Be-
redten und Annehmlichen, doch
dabey sich Rühmenden.
Einen Armen, Dürfftigen, und
doch dabey Schamhafftcn.
Einen Dummen, Faulen, Thö-
richten und Furchtsamen.
Einen Bäurischen, Zornigen,
sehr scheltsichtigen und Ehe-
brecherischen.
Je grösser je grausamer, so sie
aber klein, bedeuten sie auch bes-
sere Sitten.
Einen Vergiffter und mit der
gleichen Schelmen-Stücklein Um*
gehenden.
Einen billichen, nachdenck'
liehen, grossmüthigen, verständi-
gen Mann. So aber die Augen
blutig, bemerckt es einen Vergiff-
ter und Hexenmeister.
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— 28 —
So da Stcinlein haben, die Ungezoo^ene, räuberische, und
Augen aber sehr gross, starck aeusserst-trutzige Geberden,
bewegt und funklend wie bey zor-
nigen Leuten zu gescheiten pflegt,
anbey geibicht und bleich, aber
doch audi mit etwas feuriger Färb
vermischt
Einen Betrüc^lichen und Diebi-
schen, anbey aucli sehr Verwege-
So da Stein haben, die Augen
aber vielfarbig, dahingegen die
Stein blau und gelb, die auch or- nen und Bissigen,
deutlich voneinander stehen, gleich
einen eingefassten Cdelgestein und
um den Augapfel herum lauffen.
Zu mcrcken ist, dass je stärcker die Färb der Steine, je heff-
tiger auch die vorgesagte Neigungen der Menschen seyen.
So sie einige gelbe Färb in sich
bnhtn, so dass man \prmcitien
sollte, sie wären mit Salfran ge-
färbt.
So da feucht und dabey best-
anständig.
So da feucht und niederge-
schlagen.
So da feucht und munter und
wie Wasser glänzend.
So da feucht und sehr gross,
aber nicht wohlanständig, anbey
roth.
Su da mittehnässig gross und
feucht
So da feucht traurig und
schwärzlicht.
So da feucht, idein aber an-
standig.
Einen der alle schlimmen Dinge
an sich hat, und dem man vor
allen fliehen muss.
Einen Muthigen, Wollüstigen,
Frommen, Klugen und Warhaff-
tigen.
Einen Kleinmätiiigen.
Einen Frommen und Lang-
lebenden.
Einen Fresser, Sauffer, Unver-
schämten, Wollflstler, Eiteln.
Ein wohlgeführtes Leben.
Einen Tiefsinnigen, und Oe-
winnsichtigen, doch aber Feigen.
Einen Billichen, Verständigen,
Künst- und Wissenschafft-Lieben-
den, guter Werck sich befleissi-
gcnden, nach Ehren Strebenden,
und ietzlich Frommen.
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— 24 —
So da feucht, klein, aber ubcl-
anständig.
So da wenig feucbt und grau-
sam anzusehen.
So da feucht^ durdisichtig und
massiger Grösse.
So da feucht; aber einen mit
Sanfftmuth ansehen.
So da feucht und roetlicht
So da Flecken und Adern in
Weissen von Auge haben.
So da bey Nachsinnen in die
Höhe stehen und gleichsam nach
dem Himmel schauen.
So da starck ansehen und zu-
gleich lädilend«
So da starck ansehen unter den
Augenliedem heraus.
So da starck ansehen mit
niedersinckenden Augbrauen, ab-
sonderlich wann sie zuweilen zu-
sammstossen.
So da starr einen ansehen.
Einen Unbedachtsamen, Plau-
derenden» Lügenhafften, Weibi-
schen, denen Lastern Ergebenen,
und aller Leichtfertigkeit Verdäch-
tigen.
Einen zum Zorn Geneigten,
Wütenden» Tobenden in Red und
Geschifften Eilfertigen, Verw^e-
nen in Reden, und Ertzbösen.
Einen Aiigendimen, Gross*
mfithigen, nach hohen Sachen
Denckenden, und dieselbe Ver-
richtenden.
Einen Billidien, Frommen^
Grossmüthigen, Frommen, Fried-
liebenden und Wahrhafften.
Einen Huren-Wirth, Wein-
sauffer und Jähzornigen.
Einen Kfihnen, Verwegenen und
zu bösen Sachen ziemlich Ver-
schlagenen, anbey Zornsichtigen,.
Stoltzen, Tobenden, Wütenden,
Ungedultigen, Uebeloachreden-
den. Trutzigen, Rachgierigen.
ßöse Gedanken, und laster-
haffte Einbildungen.
Einen EKetruger, Verleumder und
Verschlagenen.
Einen Neidischen, Lügenhaff-
ten, Bosshaftigen, alles zurück
Haltenden, Betrüglichen und
Geitzigen.
Einen Neidischen, Zänkischen,
Verlogenen, und mit andern Boss-
heiten sich Belustigenden.
Einen Nachsinnenden und Be-
trüger.
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- 26 —
So da einen starr ansehen und
gfleichsam Beyfall geben, abson-
derlich mit Krümmung des Mauls.
So einen weiclilich und furcht-
sam ansehen wie die Weiber.
So da bald dahin bald dort-
hin, nichts aber steif und fest
ansehen.
So gerad aussehen.
So einem einen Schrecken ein-
jagen.
So schehl ansehen.
So allenthalben massig sich
herutn drehen, anbey etwas feucht
und nicht zitterend.
So ailenthAlben massig sich
herum drehen, anbey etwas feucht
und zitterend.
So da munter und angenehm.
So da etwas schielend.
So da lang mit langen Aug-
brauen.
So da mit den Augbraiien spielt.
So da um den Augapfel
fleckicht.
So da sehr gross, und gleich-
sam heraus-ragen.
So da gross und doch vvohl-
Einen der eine böse Zunge hat
und aufrührisch.
Eben also wie vorerwchnt.
Einen Leichtsiruiigen, Unver-
ständigen, Plauderenden, Li^igen-
hafften, Stoltzen, Verachtenden,
Etteln.
Gute Sitten.
Einen Räuberischen.
Einen Neidischen, Bosshafften,
Muthwilligen und Wilden.
Einen Anmuthigen, dem Heim-
lichkeiten wohl zu vertrauen,
Billichen, Ereundlichen und War-
hafftijren.
Einen Unfreundlichen, Losen,
Unbiliichen und Verrätherischen.
Einen Geilen und Ehbrecheri-
schen, doch dabey Langlebenden.
Einen Schlimmen und nichts-
würdigen iast jederzeit, dessen
Qemflth ist, wie seine Augen.
Einen Gelehrten, aber dabey
nicht lang Lebenden.
Einen Ehhrecher.
Einen ertzbösen Verleumder.
Einen dummen Verstand, dabey
faulen, wollüstigen, verlogenen,
eiteln, gefressigen, böss-verschla-
genen Menschen, absonderlich so
die Augen dabey gläntzend.
Einen Billichen, mittelmässig
Nachdenckenden, in etwas Fau-
len und Kteinmüthigen.
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— 26
So da gross mit langen Aug-
brauen.
So da gross und bleybleich.
So da mittelmässig gross, und
wenig gläntzend.
So da gross, beweglich und
gläntxend, zugleich etwas scheel
sehend und die Augbrauen in die
Höh richtend.
So da gross und durchsichtig.
So da gross glänzend und
leudit
So da gross röthltcht und etwas
feucht
So da gross und fipperend.
So da mittelinässig und nieder-
geschlagen.
So eine Mittclmass an der
Grösse haben, mittelmässiger
Fai b, nicht gar zu schwartz, noch
gar zu weiss, sonder Flecken oder
einig Zeichen so böss zu deuten,
anbey klar, hell, feucht, rein, in
dem keine merckUche Rothe,
noch gelbe Färb sich zeigt, nicht
sonderlich gläntzcnd, auch nicht
zu tieff in Kopf, noch zu weit
hervorragend.
So etwas schwärzlicht mit
Feuchtigkeit.
Ein kurtzes Leben.
Einen Neidischen, Ungehor-
samen, und Unverschämten.
Einen Verständigen, Klugen,
Billichkeit'Liebenden, Frommen,
Wohlwollenden und Accuraten.
Einen Bäurischen, Rauberischen
und Ungezogenen.
Einen Gelehrsamen, Billichen,
Ffirsichtigen und Zuredenden.
Einen Trunck-Liebenden, Wol-
lüstigen, Zornigen, Piauderenden,
Unverschämten, Geilen, Falschen,
Stoltzen und Eiteln.
Einen Bosshafften, Neidischen,
Zornigen, Oefrässigen, Versoffe-
nen, Geilen und Verhurten.
Einen Thorhafften, Oefrässigen
und Leichtsinnigen.
Einen Ehrhebeaden undScham-
hafftigcii.
Einen der alles Lobs und
Ruhnis würdig, indem er alles
billich, aufrichtig, redlich und
hertzhafft, was er beginnt, ver-
richtet.
Einen Billigen, Schamhafftigen
und Verständigen, aber dabey die
Jugend Verführenden und Kna-
ben Schändenden.
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— 27 —
So da schwartz, hell und klar.
So da schwartz und doch etwas
gegen der gelben Färb sich
nahern.
So da schwartz und der grünen
Färb auch 'etwas nahe kommen.
So da schwarz und etwas lach«
lend.
So da schwartz und sonderlkdi
glintzend.
So da Uberroth und dameben
auch schwartz.
So kohlschwarlz.
So da starr auf etwas sehen.
So flberzweig sehen und dabey
trucken.
So flberzwerg und schehl sehen
in hitzigen und gifftigen Kranck-
heiten.
So dunckel trüb und traurig.
So dunckel, hessUch, trub und
fast wie bey einem todten Men-
schen.
So dunckel, feucht und gehöri-
ger Grösse.
Einen Billichen, Flei^gen,
Frommen, Wollfistigen, doch da-
bey sich Wohlaufführenden.
Ein gutes Gemüth.
Einen Betrüger, gottlosen, ua-
bilüchen, diebischen, lasterhaff-
tcn und leichtfertigen Knaben-
schänder.
AUerley schändliche Neigungen.
Einen Betrüger, Schlimmen,
sehr Bosshafften und Furcht-
samen.
Einen so hefftig Zornigen, dass
er auch fast von sich selbst nichts
weiss, und von Verstand darüber
kommt
Einen Gewinnsichtigen, Betrüg-
liehen, Untreuen, Feigen und
Kleinmüthigen.
iiute Sitten.
Einen Neidischen, Zornigen, LO-
genhafften, Plauderenden, Furcht-
samen und Oeitzigen.
Den annahenden Tod.
Einen Betrüglichen, Ungetreuen,
Unmässigen, Unverschämten,
Treulosen, Verrätherischen.
Einen Trutzigen, IMörderischen,
Heimtijckischen, und allerley
Schelmstücken Nachsinnenden.
Einen Muthigen, Standhafften,
Oelehrsamen, Sinnreichen, aber
dabey Schamhafften und etwas
Genauen.
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- 28 -
So schlecht-hin dunckel
So dunckel und trucken.
So sehr klein und unanständig.
So sehr klein und von wegen
der Augenlieder fast gantz zu-
geschlossen, und zwar natOrUcher
Weise, welches auch bey andern
zu beobachten.
So klein und schön auch wohl-
anständig.
So klein mit kleinen Augäpfeln.
So klein und schwartz-braun.
So klein und niedergeschlagen.
So klein und schwach.
So klein, bew^lich und fip-
pemd.
So klein, rundlicht und einen
bleichen Angesicht
So klein, rund, schwärtzlicht
und funcklend.
So klein und runtzlicht.
So klein und zitierend anbey
auch weisslicht.
Einen Unverschämten.
Einen Ungetreuen, Ungevvis-
scnhafften, Verleumderischen,
Stoltzen und Eiteln.
Einen Verschlagenen, Neidi-
schen, Bosi^liafftigen, Rissigen,
Diebischen, Oeitzigen und Hin-
derlistigen.
Einen bald zum Zorn Geneig-
ten, Betrüglichen, Ootttosen,
Blutgierigen, Verschlagenen, ab-
sonderlich so die Augbrauen star-
tzend, dick und zusammlauffend.
Einen Getreuen, Blllichkeit-Lie-
benden, sittsamen, Frommen, und
etwas an sich haltenden.
Einen Geitzigen, Betruglichen,
Verschlagenen, und einer verbot-
tenen Lieb Nachhängenden.
Einen Ertzbösswicht.
Einen Bösen und Oeitzigen.
Einen Knechti8chen,Verschwen-
derischen, nicht gar zu wahr
Redenden und nicht gar zu Ge-
treuen.
Einen Betrüg-h'chen, Neidischen
und Crtzbösshafftigen.
Einen Ungetreuen, Lasterhaff-
ten, Auskundschafftenden und
Bösen.
Einen so Böses im Sinn hat
Einen Bosshafftigen, Uebel-
wollcnden, Verschlagenen, auf
alles Böse Nachsinnenden und
Schmeichlcnden.
Einen Unbiliichen, Unverschäm-
ten, Schalckh äfften, Betrüblichen,
und von anderer Unglück und
Elend sich Ernehrenden.
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So klein, sehr beweglich, fip-
perend und funcklend.
So klein und vielfarbig^.
So lachlend.
So glotzend, hcrfürragend und
dabey weiss-schiebend.
So glotzend, herfurragend mit
düstern Augbrauen.
So herfürragend, unter sich
sehen und gleichsam zusamm-
laufen.
So herfürragend, feucht und
dabey mässig-gross.
So herfürragend, gross, glän-
tzend und doch dabey demütbig.
So herfi'irragend, fippernd, zit-
tercntl und bebend.
So herfürragend und sehr be-
weglich.
So herfürragend und dabey
dunckel.
Sn fierfürragend und klein wie
die Krebs-Augen. .
So herfürragend, klein und feu-
rig.
Noch schlimmere Sitten als die
vorige.
Einen Schmeichler, Geitzigcn,
Qewinnsichtigcn, anders Reden-
den und anders Denckendcn, und
heimlich bey dieser Schnieiche-
iey sicli freuenden, wiewol er
eben davon keinen Nutien hat;
endlich bemercken sie auch einen
sokrhen der in allen nur auf sei-
nen Vortheil sieht, es seye dann
dass ihn eine besoi^liche Furcht
davon abschröcke.
Einen Gottesfürchtigen, Oe-
wissenhafften und Freundlichen.
Einen Unbillichen und Unver-
ständigen.
Einen Thörichten,
Einen Unbarmhertzigen und .
Unversöhnlichen.
Einen Orossmüthigen und nach
hohen Ding:en Strebenden, auch
solche Erhaltenden.
Einen Verständigen, Billich-
kcit-Liebcnden, Fleissigen, Ver-
schwieg^ eacu und mit Liebe Ueber-
häufftcn.
Einen BetrügUchen, Losen und
Verschlagenen.
Einen Geilen, Verschlagenen
und üefrässigen.
Einen Dummen und Thorhaff-
ten.
Fincn Tliörichten, Tollen und
seinen Wollüsten Nachhängen-
den.
Einen Unwissenden lind an
Verstand und Leib Schwachen.
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— 30 —
So herfünagend, klein
röthlicht
und
So herfürragend, klein und zit-
terend.
So herfürragend um welche
gleichsam eine Circi.Lli ujidc Ge-
schwulst sich herum ziehet.
So herfürragend und blutroth.
So herfürragend und tnickeo.
So herfürragend und in die
Höhe stehen.
So sehr herfürragen und dabey
ziemlich gross.
So sehr herfürragen und weit
heraus gehen.
So gleichsam feurig.
So gleichsam mit dem übrigen
Gesicht lächlend.
So auf die rechte Seite ver-
Icehrt.
Einen der weder Gemuth noch
Zunge in Zaum hahen kan, an-
bey sehr unbeständig und ver-
änderlich.
Einen Jähzornigen und Betrüg-
lichen.
Einen sehr Betrüglichen.
Einen Gefrässigen, Vertruncke-
nen, Schwelgenden, Spielenden,
Zornigen, Wollüstigen, Weibi-
schen, Stoltzen, Verleumdenden,
Tnitzigen und Eiteln.
Einen Vatter-Mörder, Kinder-
Mörder und auf alle weiss Blut-
dürstigen und mit Vergifftung
Umgehenden auch mit allerley
Laster und Schelmstücken sich
Besudlenden.
Einen Trutzigen, Unverscliäm-
ten, Unverständigen, Oefrcssi-
geii, Versoffenen, Schwelgenden,
Leichtsinnigen, Stoltzen und Ei-
teln.
Einen Thorhallten gar zu
Schamhafften, Schläferigen, Wdn-
sauffenden, Qefressigen und
Geilen.
Sehen nicht viel, weil sie gar
zu weit von den Gehirn als ihren
Stammhauss entfernet
Einen Zornigen, Ungedultigen,
Bissigen, Unverschämten, Zank-
sichtigen, Stoltzen und Raubgie-
rigen.
Einen Schmeichlenden hinder-
rücks Ucbel-nachredenden, Geilen
und Eiteln.
Einen Thorhafften.
Google
-al-
so auf die linckc Seite verkehrt.
So läclilend, offen und doch da-
bey drohend.
So lädilend und hohl.
So lachlend und rund um runtz-
licht.
So lächlend zusammt der Stirn,
Wangen, Augbrauen und Uppen
beweglich.
So lächlend und doch mit be-
drohlichen Gesicht einen starr an-
sehend.
So lächlend und tröiich.
So lächlend und feucht
So lächlend, feucht mit nieder-
geschlagenen Augcnliedern, lan-
ger und biss in die Schiäff weit
hinaus lauffenden Stirn.
So lieblich-lächlend, und dabey
demüthig und mässig funcklend.
So lächlend und dabey ztemllch
gross.
So lächlend, unten herfür sehend
und trudcen.
Einen Unmässigen.
Einen der keine gerechte Sa-
chen für hat
Einen Nachstellenden und immer
etwas Schlimmes in Sinn haben-
den und Bewerkstelligenden.
Einen Missgönstigen, Bissigen,
Schroelchlenden und Rachgierigen.
Böse Gedanken, nichtswürdige
Anschläge und böse Wercke.
Einen so mit ungerechten Hän-
deln umgehet, absonderlidi so
noch bey diesen Zeichen auch
zuweiln die Augenlieder sich
schliessen, und wieder jäh von-
einander gehen; sinternahl man
hieraus abnehmen kan, dass er
schlimme Sachen in Oedaucken
faiire.
Einen Betrüger, alles heimlich
und bosshafftig unternehmenden
und ausführenden.
Einen so von keiner Liebe
weiss, der anbey unverschämt,
unversländig, unmässig, unerfah-
ren und eitel
Einen Wohlgesitteten, Biliichen,
Freundlichen, Gastfreyen, Ver-
ständigen, Besträtfaigen, Wohl-
wollenden, und mit Lieb und
Oütigketf Angefüllten.
Einen Biliichen, Sanfftmütigen.
Frommen, Verstandigen, Fürsich-
tigen und Warhafftigen.
Einen Dummen, Wollüstigen,
Unverständigen und Thorhafften.
Eine aeusserste Bossheit
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— 32 —
So lächlend, sehr aufgesperrt
und froelich.
So roth wie glühende Kohlen.
So rotfa und mit erhörteten
Thränen.
So röthfich und ziemlich groiss.
So beweglich und scharf sehen.
So sehr beweglich und dabey
dunckeL
So sehr beweglich mit denen
Augliedern.
So sehr bew^üch mit starren
Augliedern.
So sehr beweglich, aber dabey
sehr übel beschaffen, so dass sie
bald still stehen, bald herum-
lauffen.
So in Creiss einförmig herum-
lauffenden und sich bewegen.
So sich mittelmässig bewegen.
So geschwind hin und her
lauffen.
Einen heimlich Nachstellenden,
mit Schehnenstücken schwanger
gehenden, absonderlidi wann die
Augen trucken.
Einen Hartnäckichten, Boss-
hafften und Lastern-Ergebenen.
Einen Jähzornigen, Grausamen,
Untreuen, Unverschämten und
VerdrüssUchen.
Einen Herrschsichtigen, Fres-
senden, Sauffenden, schändlich
Redenden, sehr Wolltistigen und
Eiteln.
Einen Diebischen, Heimtücki-
schen und äusserst Lasterhafftea
Einen Geilen, WotlQstigen und
Thorhafftigen.
Einen dem Oemüth nach Ohn-
mächtigen.
Einen Fest-Vertrauenden und
in wichtigen Sachen Verwegenen.
Einen zu allerley Lastern 'und
bösen Geneigten Menschen.
Einen Bösswicht, Lasterhafften,
Vergifftenden und Knaben-Schän-
der; wann aber die Augen bald
sich drehen, bald wieder zurück
lauffen, bald still stehen, so sind
sothanige Bubenstück noch nicht
begangen, sondern sind nur noch
in Gedanken und Gemüth.
Linen Gut-Gearteten.
Einen Verwegenen, Jähzorni-
gen, Unbeständigen, Verwasche-
nen, Lägenhafften, Ungetreuen,
Zwey-Zünglichten, Betrflglichen,
Aufrührlschen, Argwöhnischen
und Oteln.
^ j . d by Google
- 88 —
So ziemlich bevr^lich aber da-
bey rötblicfat
So ziemlich beweglich und
gleichsam gantz trüb.
So sich langsam bewegen.
So trudle n.
So sich nicht «sonderlich be-
wegen, sondern stillstehend,
weisslich-schielend und trüb.
So stillstehend und feucht.
So stillstehend und blintzlend.
So stillstehend und bleich.
So stillstehend, bleich und
trucken.
So stillstehend, Idein und feucht,
mit aufgezogener Stirn und be-
weglichen Augliedem.
So stillstehend, klein und her-
fürragend, und in der Mitte hinzu
Stirn und Augbraunen zusamm-
runtzeln.
Selignann, Augeadiagno^e.
Einen Hertzhafften, Muthigen,
Wollüstigen, Verschlagenen,
Leichtsinnigen, Wein-Liebenden
und Ehrgeitzigen.
Einen Ungetreuen der mehrers
verspricht als hält, und dabey
Argwöhnischen.
Einen der etwas mit grosser
Schwührigkeit bcpiinnt und lang-
sam damit fortfähret, anbey faul,
furchtsam und hartnäckigt; so
aber die Aupfcn dabey scharf
sehen sollten, würden sie einen
Neid, Bossheit, und Zancksicli-
tigkeit andeuten.
Einen Bosshafften und Schel-
mischen.
Einen Verwegenen und den
man als keinen Freund, Nach-
barn und Reiscgcfehrten verlan-
gen soll, anerwügen er heim-
tückisch, und nur auf ander Leut
Unglück passt
Einen Furchtsamen.
Einen Un\ erschämten, Zorni-
gen und Eiteln.
Einen Dummen und Albern.
Einen Thorhafften, aber von
bösen Sitten und Oemüth.
Einen Tiefsinnigen, Sinnreidien,
Qelehrsamen, aller Wissensdiafft-
Liebhabern, und zu deren Erler-
nung äusserst Begierigen, der
Natur Nachgründenden, und in
Warheit Frommen,
Einen sehr Geitzigen und
äusserst-Oewinnsichtigen.
3
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34 —
So stillstehend, klein und her-
fürragend, auch Stirn und Augen-
brauen zusammziehcn.
So schlecht-hin stillstehen.
So stillstehen und einen starr
ansehen.
So .stillstehen und röthlichi
So stillstehen, sehr roth, gross
und unter sich sehen.
So stillstehen, die Augbrauen
in die Höhe, ziehen, und gleich-
sam den Geist gantz in sich hin-
ein halten.
So funckein/ anbey weisslichtr
blau und mit etwas Blut unter-
lauffen.
So funckein tief in den Kopf
liegen und klein.
So funckein und braun-roth.
So funckein und feucht wie
Wasser.
Einen sehr Zornigen, Jähen.
Einen Dummen und in vollen
Oedancken wie der Hund in
flöhen sich befindenden.
Der Liebe Hefftigkeit.
Einen Fresser, Sauffer, Huren-
hen|:^st, Knabenschänder, jäh sich
Erzürnenden doch gleich wieder
Nachlassenden , Ungedultigen,
Stoltzen, Zänckischcn, Eiteln, ab-
sonderlich so benebst diesen Um-
standen die Augen auch gross.
Einen Unbillichen, Unverschäm-
ten, der sich nicht zu ratheii und
zu hetffen weiss, und dabey sehr
eitel.
Einen Lastcrhaiften, Unbe-
dachtsamen, Unbarmhertzigen,
Stoltzen, Bosshafftigen, Ungedul-
tigen und Jähzornigen.
Einen in seinen Thun und Vor-
haben sehr Eifrigen, und aller-
ley Unternehmenden, so dass er
nicht weit von einer Raserey.
£inen Verschlagenen, Neidi-
schen, Heimlich-Nachstcllcnden,
Sdimeichlendcn, nach allen Begie-
rigen, an Dirbstahl sich Belusti-
genden und I rut/igen, absonder-
lich so die Augen trucken.
Einen Furchtsamen, dann in-
dem er sicfi für allen Sachen fürch-
tet, hält er auch alles vor ver-
dächtig.
Einen Frölichen, Wohlgezoge-
nen, aber dabey etwas Wollüsti-
gen und Verschwenderischen.
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— 36 -
So funckeio, feucht und scheel-
sehend.
So funckein und sehr beweg-
lich.
So da mittelmässig funckein.
So funckein und dabey scfawartz.
So funckein, schwartz und läch-
lend.
So fundceln, anbey starre und
harte Augbrauen und in die h5h>
stehende Augenlieder haben.
So funckein aber auf widrige
weiss als efsterwehnt beschaffen,
anbey auch das Aussehen trulzig.
So funckein und trucken.
So fimckelri, demüthig und
gleichsam in Wasser schwimmend
aussehen.
So ungemein funckein und
giäntzen.
So funckein und gleichsam Lust
und Lachen andeuten.
So etwas schielend, trucken,
ziemlich offen und nicht zitterend.
So etwas schielend, trucken,
ziemlich offen und zitterend.
So roth und feucht.
Einen Tapfcrmüthigen, Zorni-
gen, Wütenden, in seinen Ver-
richtungen Eilfertigen und Ver-
wegen, Unhöflichen.
Einen BttruLOichen, Diebischen,
Bosshaf fti gc n, V er rätherischen.
Einen Geilen.
Einen Oeitzigen, Oewinnsichti-
gen, Neidischen, Bosshafftigen,
Bissigen, Kleinmfithigen undVer-
sdilagenen.
Der zu aller Schändlichkeit ge-
neigt
Eine TapfermfiHiig^eit in der
That
Einen überaus Schlimmen und
Ertzbösswicbi '
Einen Bösen und mit alieriey
Lastern Befleckten.
Einen nacli Geld und Gut
äusserst Begierigen, mit Recht
oder Unrecht solches an sich
Ziehenden, Neidischen, Betrüg-
Uchen, Bosshafften, Bissigen und
Hartnäckichten.
Einen grossen und sehr schhm-
men Betrüger und Dieb.
Einen noch viel Schlimmem.
Einen Schamhafften und Btlfi-
chen.
Einen sehr Verwegenen und
Bosshafftigen.
Einen zur Venus und Bachus
Lust Geneigten.
3*
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- 36 —
So roth und trucken.
So roth und gleichsam das
gant/e Weisse in Aug mit Blut-
Aederlein angefüllt.
So zitterend und blintzlend.
So in die Höhe gehen und
bleich.
So schlechthin in die Höhe
4
gehen.
So in die Höhe gehen, und
roth, anbey auch gross.
So eines nur in die H(jhe, das
andere aber liinunter gehet, anbey
zitterend
So in die Höhe gehen und zit-
tern.
So niedei^geschlagen und de-
müthig.
So scheelsehend, braun mit blu-
tigen oder goldfarben Flecken,
Überzwerg sehend, doch aber
nicht schielend.
Einen Verwegenen, Hitzigen,
Unbezähmüchen und zum ^orn
sehr Geneigten, Betrüghclien,
Trutzigen und Eiteln.
Hieher ist zu ziehen, was wir
schon oben von denen Blut-
Aederlein in den weissen des
Augs angemerckt, nur die Wcin-
und Venus-Ueb Jean noch beyge-
röckt werden.
Einen Unbillichen.
Einen Gottlosen, Unfreund-
lichen, Mörderischen, Neidischen,
Bösen, Wilden, absonderlich so
sie anbey etwas röthlicht, trucken
und zitterend.
Einen Dummen, Fressigen und
schlattrigen Wanst.
Einen grossen Fresser und
Säuffer, der anbey geil, schädlich,
stoltz, eitel, aufgeblasen, un/iieh-
tig redend, schreiend, Scheltend,
hingegen mit Jagd, Hunden, Mu-
sicanten und Spielen sich belusti-
genden und rasenden.
Einen der auf die Letzt das
Fraiss und die Schwehre-Noth
bekommen wird.
Einen der von besagter Schwe-
ren-Noth nit fern.
Eben das, wns die so in die
Höhe gehen, doch etwas mch-
rers Grausamkeit, Beschwerlich-
keit, unversühiilichen Hass und
Zorn, und bäurische Sitten.
Einen Lasterhaff ten und Rau>
berischen.
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- .37 —
So traurig mit zusammge-
runtzelter Stirn, tiefen Nachsin-
nen und geraden Augliedern,
So traurig, mit zusammgezoge-
nen Augbrauen und sauer-sehen-
den Stirn.
So iraurig und feucht
So traurig, feucht, mit mun-
terer Stirn und die Augen be-
deckenden Augbrauen und best-
beschaffenen Augbrauenv
So traurig und bleich.
So traurig und trocken.
So trüb und däster.
So trutzig.
So mancherley Färb und gross.
So fipperend, blintzlend und
rundum geschwollen.
So fipperend, blintzlend und
dabey gross.
So fipperend, blintzlend und
klein.
So fipperend, blintzlend und
gleichsam in die Höhe springend.
Bäurisches und grobes Unter-
fangen mit den allerschlimmsten
Neigungen, grausamen Anschlä-
gen und Lasterhalften Beginnen;
Einen Getreuen, Billichen, From-
men, Verständigen, heilsamen
Rath Ertheilenden und Warhaff-
tigen.
Einen Tiefsinnigen, Fürsichti-
gen, Klugen, den besten Künsten
Nachhängenden, und selbige Er-
lernenden.
Ein treues Qemöth, so gütig
und gravitätisch.
Einen Dummen.
Einen Schädlichen.
Einen Furchtsamen.
Einen Bedrohenden und grau-
samer Natur.
Einen Wollüstigen, Neidischen,
Vcrloncnen, Plauderhafften und
Geilen, Zänckischen, Verführi-
schen und Eiteln.
Einen Unangenehmen, Gefräs-
sigen und alles durch die Gurgel
jagenden, getreuen Rath wenig
anhörenden, mit Musicanten und
Tanzen sich Belustigenden, Gei-
len und Wilden.
Einen Leichtsinnigen, der Geil-
heit Ergebenen, Dummen und
Thörichten.
Einrn HM triiglichen, Unmensch-
lichen und Plauderenden.
Einen Ertzbösswicht
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- 88 —
So fipperend, bUntzlend, in die
Mölie springend, gross, funcklend
und feucht
So fipperend, blintzknd.
So öffters das Gesicht auf eine
Person richten; und wann ein
Mensch, der auf solche weiss
einen anstehet, wieder angesehen
wird, und daräber erschrickt und
erröthet, und noch dazu wider
seinen Willen seuffzet und der
Thränen sich nit enthalten kann.
Einen grossen Geist und die
höchste Dinge unternehmendes
Oemüth, so aber doch dabey zor-
nig, geschwind, ungedultitj und
zuweilen berauscht, auch von der
Fraiss nicht fern, und mehr als
alle Menschen fuhmredig.
Einen Ungerechten, Untreuen,
Unverschämten.
Einen der der Liebe nachhän-
get, sich aber dabey fürchtet;
wann es aber auf widrige weiss
beschaffen, wird er neidisch sein,
und andere verachten.
Wer sich die Arbeit nicht verdrießen läßt, diese langen und
langweiligen Tabellen etwas näher durchzusehen, der wird in ihnen
alle die Zeichen wiederfinden, die uns schon aus der Geschichte des
bösen Blickes her bekannt sind; nur bedeuten sie hier nicht allein
Neid und Mißgunst die hauptsächlichsten Charaktereigenschaften
der mit dem bösen Blicke Behafteten — sondern daneben auch
Fehler aller Art, wie: Arglist, Argwohn, Armut, Besessenheit, Be-
stechlichkeit, Betrugerei, Bissigkeit, Blutgier, Blutschande, Bösartig-
keit Bosheit, Dieberei, Dürftigkeit, Dummheit Ehebruch, Ehrgeiz,
Eitelkeit, Ehrbsigkeit, Faulheit, Feigheit, Furchtsamkeit, OefnUiig-
keit, Geilheit, Geiz, Gewinnsucht, Giftmord, Gottlosigkeit, Grau-
samkeit, Heimtücke, Hexerei, Hochmut, Jähzorn, Kirchenraub, Klein-
mütigkeit, Knabenschändung, Kühnheit, Lasterhaftigkeit, Lastersucht,
Leichtsinn, Lügenhaftigkeit, Meineid, Mißgünstigkeit, Mordsucht,
Mutwillen, Nachstellung, Narrheit, Naschhaftigkeit, Neugierde, Nichts-
würdigkeit, Rachgier, Raserei, Raubgier, Roheit, Schalkhaftigkeit,
Sclieltsucht, Schläfrigkeit, Schmeichelei, Schwadiheit, Schwäche,
Scbwatzhaftigkeit^ Schwelgerei, Selbslbefleckung, Spionage, Spott-
sucht, Stolz, TollkOhnheit, Torheit Treulosigkeit Trunksucht yroAz,
Überhebung, Unbedachtsamkeit, Unbeständigkeit, Unbilligkeit, Un-
freundlichkeit, Ungelehrtheit, Ungewissenhafägkeit, Ungezogenheit
Unmäßigkeit, Unmenschlichkeit, Untreue, Unverschämtheit, Unzuver-
lässigkeit, Venusdienst, Verleumdung, Verlogenheit, Verräterei, Ver-
schlackt nheit, Verschwendung, Verwegenheit Weibischkeit Wildheit
Wollust, Wut Zanksucht Zorn.
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- 39 —
Aufier diesen Lastern und Fehlern konnte man auch einige
gute Eigenscliaflen aus den Augen lesen, so: Akkuratheit, Anmut,
Anstand, Arbeitsamkeit, Aufmerksamkeit, Beredsamkeit, Ehrgeiz, Ehr-
hchkeit, Fleiß, Folgsamkeit, Freigebigkeit, Frcuadiichkcit, Friedfertig-
keit, Frommiieit, Gastfreiheit, Oelehrsamkeii, Gerechtigkeit, Gottes-
furcht, Großmut, Güte, Höflichkeit, Kinderliebe, Klugheit, Kühnheit
Kunsteinn, Langlebigkeit, Uebenswürdigkeit, Mut, Sanftmut^ Scham-
haftigkeit, Sitte, Starke, Tapferkeit, Tiefsinnigkert^ Treue, Tilgend,
Verliebtheit, Verschwiegenheit, Veiständigkeit, Vornehmheit, Wahr-
haftigkeit, Wissenschaftlichkeit, Wohlgezogenheit, Zuverlässigkeit.
Von allen Zeichen der mittelalterlichen Ophthalmoskopie inter-
essieren uns am meisten diejenigen, denen wir in der modernen
Aiij^cndiagnose — wenn auch in anderer Bedeutung — wieder be-
gegnen. Das sind hauptsächlich die Farben der Iris und die farbigen
Flecke, die in der Regenbogenhaut m )rki uTinien. Die Bedeutung dieser
Zeichen ist nicht bei aiien Autoren die gleiche; wir wollen uns aber
hier nidit mit den versdiiedenen Abweichungen 'aufhalten (cf. auch
die physiognomischen Tafeln), sondern nur das wiedergeben, wa»
ein besonders Sadiverständiger bi dieser Sache, /oh. Praetorius,
sagti)
Ist die Farbe blau*), glaucus, entweder wie Eisengrau, daß sie
hell und weiß erscheint, bedeutet Furchtsamkeit, wie in den kleinen
Kindern zu sehen, oder ist etwas gelblich, bedeut ein grobes
wildes und grausames Gemüt; oder grünliches, bedeut eine
Taptferkeit und Stärcke des Leibes. Sind sie Caesii blau, und haben
keine Aug-Aepffel, bedeut einen verschlagenen, durchtriebenen und
kargen. Sind sie Caerulei, wie der Himmel, bedeut viel Feuchtig-
keit, scheinen sie wie feuchte zu sein, bedeut einen betrfiglichen und
kargen. Schwartze Augen bedeuten furchtsame, doch wohlgezogene
Gemüter. Schwärtzliche oder braun-dunckle Augen bedeut einen
dummen und einfältigen, dergleichen zu sehen ist an den Schaffen,
Oelbe, dunkel rote, fulvi und helle Augen bedeut einen starck-
grossmütig und behertzten. Augen, die da gleichen den Ziegen-
Augen, bedeut ein scharfes Gesicht und gute Sitten. Rötliche
*)Job. Praetorius. CollegiaiR curiosum prlvattssimum physlogn.-
chiromant-metoposcop.-anthropologlcum. Frankfurt und Leipzig. 1713. —
cf. Joh. Bapt. Porta. De humana physiognomia. Hanoviae. 1593- — Joh.
Jac. Höpinr. Institutlones chironianticae. Jena 1674. — Helvetius. Am-
phittieatruni physiognomiae medicum. Heidelberg 16äü. u. A.
^ Aristoteles kennt schon 3 Augenfarben: Nigrom, die schwarze;
Caesium, die blaue, Caprinum, die der Farbe der Zlegenattgen glekhi Än-
dere fflgen noch hinzu Ctiaropum, die schwarzgelbe, die In den Augen der
LOwen, der Geier und der Adler zu sehen ist
Digitized by Google
— 40 —
Augen, als wären sie mit Blut uaterlauffen, je trockener sie schei>
nen, je grössere Indination zum Zorn zeigen sie an. Scheinen sie
aber feuchte oder nass, wird der Natus gerne sauffen; recht feurige
Augen bedeuten einen unverschemten.
Der Orbis oder orbiculus, welcher umgiebet die Pupillam, hält
oftermahls in sich kleine Fl eck lein wie Sand-Körnlein oder Stein-
lein. Sind sie nun wcisslich oder schwärtzlich, rötlich oder
wie Blut, bedeut grosse Laster, Betrug', List, Neid und Lügen, ja
Indination zur Verrätherey und Todschlag. Sind sie rötlich in
schwartzen Augen, niöcht er wohl mit üil'ft umgehen oder Mord-
Oedancken. iSind sie blass in schwartzen Augen, Betrügercy. Blass
und blaulicht in grossen Augen, Grausamkeit und Dieberey. Sind
sie vi er eck igt und leuchten herfür wie Feuer, wurd der Mensch
wild und blutdürstig sein.
Selbst der Circkel ist unterschiedliche Farbe, ein weisser be-
deut einen furclitsamen und schwachen. Ein rötlich wie Blut und
feuriger bedeut Klugheit, Gerechtigkeit und starcke Liebe wieder die
Seinen. Ist der unterste Creiss graulicht, der Oberste schwärtz-
lich, bedeut ein unverschämtes Gemüt, und Excessum Veneris. Siebet
er aus wie ein Regenbogen, bedeut in trockenen Augen grosse
Zuneigung zum Zorn, Schwelgerey und Venere; in feuchten guten
Verstand, Tapfferkeit und Orossmütigkeit
Diese Art von Augendiagnostik war noch eine unschuldige Spie-
lerei und genau so bedeutnnjgslos wie die später daraus entstandenen
schönen Verse:
Der Augen Bläue
Bedeutet Treue 1
Ein graues Auge,
Ein sehhuies Auge!
Auf schelmische Launen
Deuten die Braunen!
Doch der schwarzen Augen Gefunkel
Ist, wie Gottes Wege, dunkel.
Die Sache bekam erst ein anderes Ansehen, als man sich nicht
mehr damit begnügte, nur Charaktereigenschaften aus den Augen
herauszulesen, sondern als man anfing, das Auge auch als Re-
gistrierapparat für die Krankheiten des Körpers zu betrachten.
Wie der Schäfer Ast in Radbruch bei Hamburg noch heutzutage
die von ihm untersuchten Haare seiner Patienten in Regionen
einteilt, und daraus den Sitz der angeblichen Krankheit diagnostizier^
so teilte man im Zeitalter der Ophthalmoskopie zu demselben Zwecke
schon sämtliche Glieder des Körpers in solche Abteilungen ein.
. kj .i^Lo uy Google
41 —
Die Stirn mußte es sich gefallen lassen, entsprechend den 7 Planeten
in 7 Reg^ionen zerlegt zu werden; um aus den Stirnfalten alles Mög-
liche zu diagnostizieren. Um die Warzen und Flecken des Ant-
litzes zu deuten, wurden die Stirn, die Backen, die Nase und Ohren
in je 3 Regionen zerlegt: daraus erkannte man die Krankheiten der
verschiedenen Körperteile. In ihnlicher Weise teilte man auch die
Arme, Schenkel und Nägel der Hand in 3 Teile und diagnostizierte
aus ihren verschiedenartigen Fledcen die Krankheiten.
So war es denn auch unausbleiblich, daß die Augen dieser all-
gemeinen Einteilungswut zum Opfer fnüen mußten. Da die farbige
Regenbogenhaut schon für die Fehler der Seele verq:eben war, so
blieb nur noch das Weiße des AiifTes für die Fehler des Körpers
übrig. Demgemäß teilte man dasselbe in vier Regionen i). (Fig. 1.)
Der oberste Theil (Num. 1) hat den Kopff. Weil nun der
') Philipp! Meyens Chiromantia medica, mit einem Anhang von
den Zeichen auff den Nägeln der Finger, nebenst etnem TractäUein von der
Physiognomia medica. Dresden 1670.
Fig. 1.
I. Chiromantia et Ptaygiogoomia medica.
OKtdcD 1670. p. 181.)
y Google
_ 42 —
Magen mit ihme eine grosse Verwandnüss, werden auch alle Kranck-
heiten aus den Magen herrührend inwendig der Augen gefunden.
Die rechte Seite der Augen (Num. 2) zeiget an den Zustand
aller Gliedmassen, welche inwendig im Leibe auif der rechten Seite
liegen, als die Leber, die rechte Brust, und das Geäder.
Aus der linken Seiten der Augen (Num. 3) können aller Olied-
massen, so auff der lincken Seiten inwendig liegen, alss des Hertzens,
der Lincken Brust, das Miltz und das kleine Oeader, Gesundheit
und Kranckheiten abgemercket werden, ingleichen können alle Kranck-
heiten die von Hertzen kommen hier gefunden werden, absonderlichen
Mattigkeit des Hertzens oder Ohnmach, ingleichen zitternde Glieder.
Solches alles recht zu unterscheiden, muss man betrachten,
wie die bösen Zeichen liegen, als liegt es nahe bey dem Augapffel
(d. h. Hornhaut), wird es die Brust und die Lungen betreffen, auff
der Seithen das Hertz; so tieff das Miltz und das kleine üeäder. So
nun auf der linken Seithen ein rother Strich von unten biss zu den
mittelsten Theil des Auges gehet, wird man unfehlbar schllessen
können, dass eines sokihen Menschen Miltz nicht gut sey, und dem
Hertzen Mattigkeit und Betrfibnüss zufüge, desto grösser ist die
Bedeutung wann überal die harmonir c^efundcn wird. (Man muss
diese in der Vitali (Lebenslinie) und Saturnina i) [Qlückslinie], als
in beiden Händen wohl suchen, desgleichen auch die Linien vorm
Kopff nicht vergessen.)
Das unterste Theil der Augen (Num. 4) hat die Genitalien,
als Augen, Nieren und Gedärme, woraus die Colic, Gelbsucht, der
Stein, die Kranckheiten von der Gall, und Venerische Kranckheiten
zu finden sey. Bey dem Frauenvolck, Mutterbeschwerung, Unge-
mach oder grosse Schmeiteen, wann sie schwanger gehen in der
Oebuhrt einen harten Zustand; oder gar den Tod, wann unglückliche
Zeichen allhier all zu gross befunden werden.
Diese Zeichen bestehen aus Adern, Blutstriemen und Flecken.
Wenn in den Augen allzuviel Striche und Flecken, bedeuten
einen ungesunden Menschen an dem gantzen Leibe.
Rothe Linien oder Flecken bedeuten hie/iges üeblüth.
Weisse Flecken zeigen an wasscriche;s Geblüth.
Die Augen, so sie innwendig überal blaulicht seyn, bedeuten
scharbockisch Oeblfith, bey gesunden und im Ehestand lebenden
Frauen, ingleicben auch bey etlichen vermeinten Jungfern, wird es
anzeigen, dass sie schwanger seyn.
Gleichfalls bedeuten auch blau und ädrige Adern, Venerische
Kranckheiten, auff welcher Seithen das Geäder oder Blaue sich am
^) Ausdrucke der Chiromantie.
^ j . -Li by Google
stärcksten sehen lasset, auf! selbiger Seiten des Leibes wird die
Kranckheit am stärcksten seyn, doch ist am stärcicsten solches im
untersten Theil der Augen zu finden.
Diese köstliche Aujrendiagnostik hat schon zu ihrer Entstehungs-
zeit viele Gegner gefunden, die nicht rrlmhen wollten, daß „dadurch
eine schwache Natur bedeutet werde", .soiiÜLTn die da vermeinten,
„dass die Linien und Adern in den Augen radii solares weren, welche
ungemein Glück mit sich brächten". „Es ist doch zu vemrandem,"
fügt der überzeugte Anhäi^er seiner Kunst höchst bezeichnender
Weise hinzu, „dass doch so viel fürnehme und gelehrte Leute an-
gerührter Meynung haben können beypflichten, da doch die Schäffer
ihrer Schaaffe Kranckheiten hieraus zu urtheilen pflegen, auch also
in der That an den verstorbenen Schaaffen befunden wird/'
Kapitel II.
Die moderne Augendiagnose im Lichte
der Wissenschaft.
An diese Weisheit der Schafhirten glaubte man zu einer Zeit,
wo eine Frau mit roten Augen als des bösen Blickes verdächtigt
wurde, wo Inqiusitionsgerichte und Folter unendliches Leid über
Land und Leute brachten, wo unmenschliche Pfaffen Tausende von
Unschuldigen dem flammenden Scheiterhaufen fiberlieferten.
Gott sei Dank, daß diese Zeiten vorbei sind, möchte wohl man-
cher in seiner naiven Unkenntnis der Gegenwart denken! Gewiß,
Hexen werden nicht mehr verbrannt, und Inquisition und Folter
sind — wenigstens in Deutschland — abgeschafft, aber der wüsteste
Aberglaube und Betrug auf dem so überaus wichtigen Gebiete der
Gesundheitspflege blüht und gedeiht und treibt von Jahr zu Jahr
ungeheure, neue, mißduftende Blüten.
Was wir bisher Über die mittelalterUdie Ophthalmoskopie ge-
sagt haben, war nur ein kleiner Anfang, ein Grundstein zu dem
ungeheuerlichen Gebäude von Unwissenheit, Dummheit, Oberhebung
und Betrug, das die neueren Baumeister, die sich mit der „Diagnose
aus den Augen" bodiäftigen, daraus gemacht haben.
Besagte Herren verstehen darunter eine neue Methode, den Ge-
sundheitszustand eines Menschen oder eines Tieres durch Beobach-
tung des Aussehens der Regenbogenhaut zu erforschen. Wir armen
Ärzte sind wahre Stümper gegen diese gescheidten Herren! In jahre-
langem Studium erwerben wir uns die schwierige Kunst, mit Hilfe
des von Helmholtz vor etwa 50 Jahren erfundenen Augenspiegels
das Innere des Auges zu erkennen und daraus, soweit es möglich is^
Sdilfisse zu ziehen. Alles dieses haben die Augendiagnostiker nicht
nötig. Ihre Kunst ist so einfach, daß der größte Tölpel sie schon in
einigen Tagen erlernen kann; der halbwegs Intelligente begreift sie
in ebensoviclen Stunden ; und der Arzt, der gewohnt ist, mensch-
liche Augen zu betrachten, kann sie mit Hilfe einer Tabelle sofort
ausüben. Diese Kunst ist absolut nicht die Folge einer mystischen
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Betrabtingf, sondern jeder kann sie erlernen, und gewisse moderne
Augendiagnostiker geben sogar Müttern und IZrzieliern den Hat, sich
dieselbe an/ueig^nen, um sie zum Wohle ihrer Kinder und Zöglinge
auszuüben. Sic soll nicht das Privilegium einiger Ausersvählten
bleiben, sondern soll Eigentum des ganzen Volkes werden. Wer
einigermaBen in dieser Kunst bewandert ist, der soll es fertig
bringen, in weniger ab einer halben Minute sämtliche Krankheiten
des Körpers aus dem Auge herauszulesen. Er braucht einfach die
Augen des sich ihm anvertrauenden Patienten mit bloßem Auge
oder mit Hilfe eines Vergrößerungsglases und einer Küchenlampe
anzusehen, und sofort weiß er, an welchem Leiden der Betreffende
erkrankt ist. Besonders geschickte Diagnostiker sind auch imstande,
aus dem Betrachten der Augen eines Menschen die Krankheiten seiner
Vorfahren und seiner Naclikommen zu erkennen. Mehr kann man
dodi von einer Kunst wahrlich nicht verlangen! Sehr erfahrene
Künstler verschmähen bei der Betrachtung der Augen jedes AuBen-
licht, sie halten die gekrfimmten Hände vor die Sterne des Patien-
ten und untersuchen die „heliodisch" strahlenden Augen im Uchte
ihrer F l c n trnliiung.i) Doch dieses soll nicht für Anfänger sein,
und deshalb wollen wir darüber kurz hinweggehen.
Rovor wir es nun unternehmen, /um Nutzen und Ergötzen des
denkenden Lesers den haarsträubenden Blödsinn zu schildern, der
von den Herren Augendiagnostikern zu einem förmlichen System
ausgebaut ist, dürfte es zu besserem Verständnis angebracht sein,
mit kurzen Worten das zu sagen, was der erfahrene Arzt wirklich
aus der genauen Untersuchung der Augen erkennen kann.
Wir wollen hier nicht von den Augenkrankheiten als sokhen
reden, sondern nur von den Schlüssen, die sich aus gewissen
Veränderungen des Augapfels auf andere Krankheiten des Körpers
ziehen lassen. Noch bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts be-
hielt die alte Beersche Auffassung ihre Geltung: „Alles, was auf
das Gan/e wirkt, wirkt auch auf den Teil, und alles, was auf den
Teil wirkt, muß auch auf das Oan/e wirken; daher auch alles, was
aui den Ürganismus eines Individuums einwirkt, niemals ohne alle
Einwü^ung auf das Auge bleiben kann, und so umgekehrt"
Heutzutage hat man längst eingesehen, daß dieses viel zu weit
geht, und daß es absolut nicht angeht, bei jeder - Körpererkrankung
auch ein Zeichen davon in den Augen finden zu wollen. Dennoch
bleibt eine große Anzahl von Körper- und Organleiden bestehen,
die im innigsten Zusammenhange mit dem Auge stehen, und die
Carl Huter. Menschenkenntnis durch Körper- und Qesichtsaus-
druckskunde. Arminius- Verlag. Detmold und Leipzig 1904/06.
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sich häufig schon früher aus dem Augenbefunde erkennen lassen,
als der Patient etwas von seinem Leiden ahnt
Hier sind in erster Linie Nierenentzündung und Zudcerham-
ruhr, Nerven- und Qeistesefkrankungen zu nennen. Der Patient weiß
noch nichts von einer derartigen Krankiieit; eine geringe Seh Störung
oder eine geringfügige Pupillenveränderung veranlaßt ihn, sich die
Augen von einem Arzte untersuchen zu lassen, und dabei erfährt
er zum ersten Male, daü seine Au^enerkrankung nur ein Symptom
einer andern Allgemeinerkrank iinp ist. Es sind ferner die zahl-
reichen Konstitutionsleideii, wie Skrophuluse, üicht, Bluterkrankun-
gen, Basedowsche Krankheit, ferner die akuten Infektionskrankheiten
und Vergiftungen, Erkrankungen des Herzens, der Atmungsorgane,
der Ohren, der Verdauungs- und Geschlechtsoiigane, Hautkrank-
heiten usw., die mehr oder weniger große Veränderungen in den
Augen hervorrufen.
Zum kleinsten Teile machen sich diese Krankheiten auf der
Oberfläche des Auges bemerkbar, der größte Teil hat seinen Sitz
in der dunkeln Tiefe des Augapfels, wohin nur das Licht des Augen-
spiegels dringt. Mit diesem wunderbaren Instrumente gelinp"t es,
das Auge bis in seine verborgensten Winkel zu durchforschen. Man
erkennt mit der größten Deutlichkeit die feinsten Veränderungen
der Krisiallinse, man sieht die Aderhaut und die Netzhaut in ihrer
leuchtenden Schönheit; man bemerkt die Stelle des deutlichsten
Sehens, die sog. Macula lutea, und ebenso die Eintrittsstelle des vom
Gehirn zu dem Aufje hinziehenden Sehnerven; man unterscheidet
deutlich die Schhigadern mit dem hellroten Blut und die Blutadern
mit dem dunkleren Blute voneinander und verfolgt dieselben bis zu
den feinsten Verzweigungen, und erblickt, wie in ihnen das Blut
pulsiert (Fig. 2), Die geringsten Veränderungen, die irgendeine
Krankheit dort hervorruft, werden so deutlicli und unbestreitbar er-
kannt, als wenn sie auf ein Blatt Papier gezeichnet wären. Erst
seitdem wu* dieses unschätzbare Instrument besitzen, haben wir eine
wirkliche Kenntnis von dem Auge und seinen Erkrankungen be-
kommen und dürfen mit Stolz bekennen, daß uns keine Verände-
rung im Augeninnem mehr entgehen kann. Aber freilich, der Ge-
brauch dieses kleinen, unscheinbaren Instrumentes will gelernt ^eln,
und man bedarf langer Übung und •;mindlirher wissenschattiicher
Kenntnisse, um etwas genau zu sehen und dieses Gesehene dann
richtig zu deuten.
Davon wissen natürlich diejenigen, die „die Diagnose aus den
Augen'' betreiben, gar nichts, und wenn sie einmal etwas davon
gehört haben, so bleibt es ihnen ein Buch mit sieben Siegeln. Wo-
zu sidi auch eine so sdiwere Kunst aneignen, wenn man es viel.
- 47 —
viel leichter haben kann! Und diese Herren machen es sich viel,
viel leichter. Da ihnen das Augeninnere zu dunkel ist und sie kein
Mittel besitzen, um es zu erhellen^ so begnügen sie sich mit der Be-
trachtung des äußeren Auges, und hier ist es die Regenbogenhaut,
auf die sie sich mit ihrem j^anzen Scharfsinn gestürzt haben: „Denn
im Auge liest der, welcher die Zeichen und Flceken der Regenbogen-
haut zu deuten versteht, niciu nur die Krankheiten, die der Mensch
durchgemacht hat, die Ungluckställe, die ihn betroffen haben, die
medizinischen Gifte, mit welchen man ihn hat kurieren wollen, son-
dern aucii den allgemeinen Zustand von Gesundheit oder Krank-
heit, von Stärke oder Schwäche. Im Auge spiegeln sich alle ab-
normen Ersdieinungen des Körpers ab, im Auge steht die ganze
Leidensgeschichte des JMenschen eingegraben.'*
Es war ein gewisser P^czely aus Ungarn, dem das zweifel-
hafte Verdienst gebührt, im Jahre 1331 diesen Unsinn in die Welt
gesetzt zu haben. Ein unbedeutendes Ereignis soll ihm der Sage
nach die erste Anregung zu seiner ,, Augendiagnose" gegeben haben.
Im Alter von 11 Jahren versuchte er eines Tages, eine Eule zu
fangen, aber diese wehrte sich und schlug eine Kralle in die Hand
des Knaben. Es gelang ihm nur dadurch, sich von der Eule zu be-
freien, daß er ihr ein Bein abbrach; dabei sah er dem Tiere scharf
in die Augen und bemerkte, daß in dem Augenblicke, wo er der
Eule das Bein abbrach, ein schwarzer Strich im Auge derselben
entstand. Diesen schwarzen Strich konnte der Knabe lange Zeit
hindurch weiter wahrnehmen, da et die Eule verband und pflegte,
und als der Beinbruch schon lange geheilt war, war das alte Zeichen
in der Regm ho fron haut noch immer zu erkennen.
Als der Knabe zum Manne gereift war, fiel ihm in einer schlaf-
losen Nacht diese kleine Begebenheit ein, und er versuchte von der
Zeit an, die Spuren äußerer Verletzungen, Knochenbrüche, Krank-
heiten usw. im Auge nachzuweisen.
So kann man in allen Bäcbem der modernen Augendiagnostiker
lesen. Nichts ist so töricht und so absurd, was diese Herren nicht
kritiklos glauben und nachschwatzen. An dieser ganzen Entstehungs-
ursache mag vielleicht nur das wahr sein, was über den Bruch des
Eiilenbeins erzählt wird. Alles andere ist reines Phantasieprofhikt
und Erfindungsgabe. Jeder jMensch kann sich jederzeit davon durch
ein einfaches Experiment überzeugen. Er braucht nur einmal einer
Eule oder emem anderen Vogel ein Bein zu brechen und dabei dem
Tiere in die Augen zu sehen: er wird niemals eine Veränderung in
*) Dr. Ignaz von Peczely. Entdeckungen auf dem Gebiete der Natur-
und der Heilkunde. Heft I. Budapest 1881.
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der Iris wahrnehmen. Wenn jede angebliche wisscnschattliclie Ent-
deckung doch so leicht zu beweisen wäre wie diese Peczelysche
Augendiagnose! Kein denkender Arzt wird jemals die Unverfroren-
heit haben, ohne sich auf exakte Beweise und Experimente zu
stützen, eine vage^ durch nichts bewiesene Behauptung als anerkannte
Tatsache in die Welt hinauszuposaunen. Diesen beneidenswerten
Mut besitzen nur die Kurpfuscher. Aber Experimente stellen sie
nie an. Sie wissen nur zu gut, warum sie diese unterlassen: das
Resultat würde für sie ein zu beschämendes sein. Seit vielen Jahren
beobachten die Arzte bei allen Operationen auimerksam die Augen
der chloroformierten Patienten, weil aus dem Verhalten der Pu-
pillen auf den Stand der Narkose geschlossen wird; dabei werden
alle möglichen Organe vom Messer des Operateurs durchtrennt,
und wenn die Augendiagnostiker recht hätten, so mfißte dabei in
der Regenbogenhaut ein Zeichen nach dem andern entstehen. Aber
nichts deigleichen ist jemals von wirklichen Ärzten beobaditet wor-
den. Also — schließen die Augendiagnostiker — können die wirk-
lichen Ärzte nicht beobachten. Das können nur sie allein, eventuell
auch die Mütter und Erzieher, die sich ihre Kunst ancreeignet haben.
Alle sind mehr dazu geeignet als die durchwegs unfähigen Ver-
treter der exakten medizinischen Wissenschaften.
Der Wunderdoktor Peczely behauptet, als 11 jähriges Kind bei
der Entstehung des Beinbruches einen schwarzen Strich im Eulen-
. auge gesehen zu haben. Wir wollen gerne zugeben, daß er diesen
wirklich gesehen ha^ denn der einfältigste Beobachter kann einen
solchen Strich in jedein Eulenaiige beobachten. Wenn sich näm-
lich bei der Eule die Regenbogenhaut zusammenzieht, so bildet sie
nicht, wie beim Menschen, einen kleinen, runden, schwarzen Kreis,
sondern cin(* schmale, senkrechte, schwarze Spalte, gerade so, wie
wir sie beim Katzenauge auch kennen. Diese eigenartige Form der
Eulenpupillc mag dem jugendlichen Peczely wohl sehr imponiert
haben; und es ist daher nicht weiter verwunderlich, wenn sie ilim
noch vorgeschwebt hat, als er in reiferen Jahren daranging, eine
Celegenheitsursache für seine angebliche Entdeckung zu sitdien.
Aus welchen Quellen diese Entdeckung in Wirklichkeit ent-
sprui^en ist, das haben wir schon im ersten Kapitel auseinander-
gesetzt Peczely fand die Ophthalmoskopie des Mittelalters vor,
stutzte sie für seine Bedürfnisse zurecht und wurde so der „Ent-
decker" und „Erfinder" der modernen Irisdiagnosc. Wie es vor
Jahrhunderten eine Diagnose aus den Irisfarben und aus den Re-
gionen des Auges gab, so finden wir auch in der modernen Augen-
diagnose diese Zweiteilung wieder, nur in etwas anderer Gestalt
und Auslegung. Aus den buntfarbigen Zeichen der Charakterfehler
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und Qiftgedanken wurden die Zeichen von Körperfehlern und Medi-
zinalvergiftung; nits den Regionen des WeiBen des Auges wurde
die Lehre von den Irisregionen.
Zu welchen wunderbaren Resultaten nun unser tulcnfäiiircr
und seine würdigen Nachfolger und Nachbeter, die homöopathischen
naturheilkundigen Ärzte Schlegel') und Prager-), die Pastoren
Liljequist^) und Felke*), der Lehrer Thiel ) und der Amerikaner
Lane^) gekommen sind, das mag der geneigte Leser aus folgen-
dem erkennen.
Unsere Darstellung der Augendiagnose weicht naturgemäB ganz
wesentlich von dem ab, was die Propheten dieser herrlichen Kunst
ihren gläubigen Anhängern darzubieten wagen. Diese würdigen
Herren tun weiter nichts, als daß sie eine Bchaupttinjr nach der
anderen aufstellen und dabei in unt'Iätii^ster Weise auf die medi-
zinische Wissenschaft, der sie doch gar zu gerne Konkurrenz machen,
schimpfen. Wir wollen uns begnügen, die normale Anatomie der
Regenbogenhaut zu beschreiben und auf ürund dieser Kenntnisse
auseinanderzusetzen, was das moderne Kurpfuschertum, dessen Urteil
durch keine Sach- und Fachkenntnis beeinfluBt ist, daraus ge-
macht hat.
RIsum teneatis, amid!
a) Farbe der Iris.
Wlsspnsrhaft. Wenn wir die Refrcnbogenhaut eines mensch-
lichen Aujies mikroskopisch untersuchen ■), so erkennen wir, daß
das Gewehe derselben hauptsächlich aus zahlreichen Blutgefäßen
besteht, die in einen dicken Bindegewebsmantel eingehüllt und von
einem lockeren Netzwerk verzweigter und Farbstoff enthaltender
Zellen umsponnen sind, welche die Zwischenräume zwischen den
>) Emil Schlegel. Die his nach den neuen Entdeckungen des Dr.
I. V. P^czely. Tübingen 1687. — Emil Schlegel. Die Augendiagnose des
Dr. I. V. Peczcly. TObinnen 1906. II. Aufl.
F. Prager. Die Erkennung von Krankheiten. Oranienburg \905.
*) Nils Liljequist Die Diagnose aus den Augen. Leipzig 1903.
II. Aufl.
*) Andreas Mfiller. Die Attgendiagnose, bearbeitet nach Pastor Felkes
Grundsätzen. Crefcld 1907. II. Aufl.
') Peter Johannes Thiel. Der Krankheitsbefund aus den Augen.
Elberfeld 1902.
") Heinr. Eduard Lane. Der Krankheitsbefund aus dem, Auge. Chi-
cago 1904.
^) Dr. S. Seligmann. Die mikroskopischen UntersuchungsnieUioden
des Auges. Berlin 1899.
Seligmann, Augeodiagnose. 4
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Gefäßen ausfüllen. Die Gefäße mit dem Zellennetze bilden zusam-
men das Irisstroma, welches demnach ein sehr lockeres, schwamm-
artiges Gewebe ist. Die Oberfläche wird von einer besonders dichten
Zelllage, dem „vorderen Stromablatt", gebildet und die Hinterfläche
von einer Schiclit sciiwarz gefärbter Zellen, dem „Pigmentepithel'*
(Fig. 3). Die Farbe der Iris richtet sich nun im wesentlichen nach
der Dichte und Dicke sowie nach dem Pigmenigehalt der Iris-
schichten. Eine zarte und pigmentarme Regenbogenhaut erscheint
blau. Aus diesem Grunde sind die Augen der Neugeborenen fast
ausnahmslos blau. Es ist das hintere Pigmentepithel, welches durch
das dünne Irisstroma hindurchschimmert. Wir haben es hier mit
demselben Phänomen zu tun, welches stets einen dunklen Hinter-
grund bläulich erscheinen läßt, wenn er durch ein trübes Medium
Fig. 3.
Mlkroakopisdies Bild daer Rcc«iit>Offealui«t
a s vordeiei StnMiiaMatt f — Sphloeter oder Scblicfinttskd
b « lri$gewd>e g » OiUtalor oder Brweiterer
c = Cef» S s Kiypten
d — hioteres PinnenteDitbel 1 = Coiitractioasfiircheii.
e s UnsdilagsneUe des Pignent-
•piUiels am Pnplllamiid«
hindurdi angesehen wird. So schimmern z. B. durch eine zarte
Haut die Venen blau hindurch. Hält man eine Glasscheibe gegen
einen dunklen Hintergrund, so erscheint sie schwarz. Bestreicht
man sie in dieser Lage mit einer dünnen Milchschicht, so tritt so-
fort eine bläuliche oder blaue Farbe auf. Diese Bläulichkeit wird
aber bald zum Verschwinden gebracht, wenn die Milch in dickerer
Lage aufgetragen wird. Das Ganze erhält dann ein graues An-
sehen. So wirkt auch die Iris optisch als ein schwadi-trfibes Me-
dium, dem der farbstofflialtige Dilatator oder Erweiterer der PupiUe
und das Pigmentepithel als dunkler Hinteigrund dienen. Wird mit
dem Alter das Oewebe faserreicher, dicker und straffer und damit
auch weniger durchscheinend, so wird die Iris hell und grau.
Im übrigen wird die Irisfarbe durch das Pigment bedingt, das
in den reichverästelten Iriszellen, den sog. Chromatophoren, auf-
gespeichert ist. Dieses Pigment sitzt nun sowohl im vorderen Stroma-
blatt als auch in den tieferen Schichten, es kann vom hellsten Gelb
bis zum tiefsten Braun variieren.
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~ 51 —
Die Farbe der Iris steht immer im Zusammenhange mit der
Pigmentierung de«; übrigen Körpers. Die dunklen Menschenrassen
haben stets eine dunkle Iris.
Kiirpfnsehortuin. Nach Peczely und Liljequist ist eine blaue
Iris ein Zeichen von Gesundheit und eine braune Iris ein Zeichen
eines scliwachen, nervösen, empfindlichen Geschlechtes.
Diese ungeheuerliche Behauptung ging sogar einem Felke zu
weit. Er schränkte sie insoweit ein, da6 er zwei Arten von brauner
Iris unterschied:
1. eine gesunde, dichte, braune Iris, die auf den Einfluß
eines heißen Klimas oder auf Vermischung germanischen Blutes mit
dem anderer Völker Tiurückzufüliren ist;
2. eine pathologische, wenig dichte braune Iris.
Der Grad der Dichtigkeit des Irisgewebes ist also für den Pastor-
doktor ein Anzeichen, ob er es mit einer gesunden Rasserüris oder
mit einer kranivhaft entarteten Regenbogenhaut zu tun hat. Eine zer-
klüftete braune Iris ist für Ihn das Zeichen von Krankfaeü Die
tausendfältige Beobachtung, daß es kerngesunde Menschen mit »wenig
dichten" braunen Regenbogenhäuten und todkranke Patienten mit
„dichten'^ braunen Regenbogenhäuten gibt, geniert derartig große
Geister nicht weiter. Sie tun einen derartigen Einwand mit der nichts-^
sagenden Phrase ab, ,,in diesem Falle habe die ursprünglich patho-
logische Färbung diesen nachteiligen Charakter durch glückliche Keim-
kombination verloren, und dadurch sei der Pigmentgehalt der Iris
pathologisch bedeutungslos geworden'^ Ob sie diesen Unsinn wohl
selber verstehen?
Sämtliche Augendiagnostiker entwickehi eine rührende Oberein-
Stimmung im Aufeählen der Ursachen, die nadi ihrer Meinung die
Ursache der Braunfäibung der Iris sind. Am gefürchtetsten ist
ay die Krätze. Um zu verstehen, warum gerade diese zwar
hödist unappetitliche und stark juckende, im übrigen aber sonst ganz
unschuldige Milbenerkrankung so bedenkliche Folgeerscheinungen
bewirken sollte, müssen wir auf den seligen H ahnemann, den
Vater der Homöopathie, zurückgehen. Dieser Weiseste aller Weisen,
den die modernen H mik »opathen wie einen Heiligen verehren, leistete
sich folgenden Unsinn, der unter dem Namen „Psoratheorie" be-
kannt ist: Sieben Achtel aller chronischen ^edrtume, sagt er,
sind Kinder unterdrückter (d. h. vom Arzte behandelter) Krätzeaus-
schläge.1) Dieser Umstand ist durch eine tief un Oigfanismus ein-
gebürgerte Dyskrasie, Säfteentmischühg, Schärfestoff zu erklären, dem
Krätzestoff (Psora). >Ein Produkt dieses im Körper ruhenden Krätze-
') Die Geschichte des bOsen Blickes lehrt uns, daß fast alle Krank-
heiten auf diesen zurfickgeführt wurden.
4*
. kj .i^Lo uy Google
— 52 —
Stoffes ist die Krätzmilbe, und diese Milbe enthält wiederum ein
ätzendes (jift, das sie in die Haut und den Säftestrom übertröirt, \vo-
durch sie den Körper mit emcm chronischen Krätzsieditum ver-
giftet.
Luuclnc der modernen Augendiagnostiker, wie Lane, ^flaiiben
noch heut^en Tages fest an diese fortvrähiende Uizeugung der
Krätzemilben; andere, wie Felke, sind zwar so weit aufgekUrt, daß
sie die Theorie von der Urzeugung verwerfen und die Übertragung
der Krätzemilbe durch Ansteekung gnädig anerkennen. Im fibrigen
stehen sie aber fest auf dem Boden der Krätzevergiftung. Das Oc-
fährlichste daran ist die fehlerhafte Abtötung der Milben mit Schmier-
kuren usw., wie sie die verfl Ärzte anzuwenden pflegen. Die
so getöteten Milben bleiben unter der Haut, geben liier in Ver-
wesung über und vergiften mit ihren Verwesungsprodukten das Blut
des Menschen; so dali sogar die Nachkommenschaft angesteckt wer-
den kann. Es gibt nur ein unschuldiges JVtittel, diese bösen Milben
zu vernichten. Nach Peczely ist es die innerliche Anwendung von
Schwefel, nach Liljequist die interne Darreichung von einem Eß-
löffel „roter Elektrizitäf'und nach Felke das Waschen mit Lavendel-
wasser in Verbindung mit homöopathischen Zuckerkügelchen. „Wer
so die Krätze beseitigt, hat von derselben nie Nachteile zu fürchten,
und kein Zeichen im Auge verrät das einstige Vorhandensein der-
selben."
Die Augendiagnostiker unterscheiden übrigens zwei Arten von
Krätze, die verschiedene Stempel im Auge liinterlassen:
aa) Die vererbte Psora. Sie erzeugt eine braune Iris, jeden-
falls hat sie eine Verdunkelung zur Folge.
bb) Die selbst erworbene Psorä. Sie hinterläßt bei falscher
Behandlung braunrote Flecken.
Außer der Krätze sind es noch eine Anzahl anderer Schädlich-
keiten, welche ein Dunkel- und Braunwerden der Iris verursachen:
b) Der .Wilchschorf und (iririd.
c) Die Schut/pockenimpfung.
d) Die Medi/i nalvcrgiftungen.
Da diese aber niciit eine gleichmäßige Dunkelfärbung der ganzen
Regenbogenhaut bewirken, sondern sich nur an bestimmten Stellen
lokalisieren sollen, mögen dieselben hier nur kurz erwähnt werden.
Wir kommen darauf noch zurfick.
') Sa Iii. Hahncraann. Die chronischen Krankheiten, ihre Natur und
homöopathische Heilung. 2. Aufl. Dresdien und Düsseldorf 1835—1839. —
Priedr. Alex. Simon. Der unsterblichen Narrheit Samuelis Hahnemanni
Pseudomcssiae medici scabiosi xnr r?o/,'f des Verdünners anderer Teil oder
dessen Viergespann von den chronischen ICrankheiten. Hamburg 1833.
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— 53 —
b) Iriskreise.
Wissenschaft. An der Grenze des mittleren und Inneren Drittels
der Iris pfl^ eine Anzahl der größeren Blutgefäße fast rechtwink-
lig umzubiegen und ihren Verlauf konzentrisch zur Pupille zu neh-
men. Durch diese Regenbogenhautkrause (Circulus arteriosus
minor) wird die Iris in zwei unglcichgroße Felder geteilt, in die klei-
nere Pupillar- und die gröHere (.'iliarzone, welche sich oft durch
die Färbung voneinander ablieben (Fig. 4 u. 9)').
Im pupillaren Iristeil liegt der
Sphincter oder Schließmuskel (Fig. 3), Jf^^^!y^%^
dessen Muskulatur, namentlich bei unpig- i$^r\ÄL^^% p
mentierien Regenbogenhluten, oft sehr
deutlich durchschimmert. Die Pupillarzone ^^^•^'3 C
wird dadurch wieder in zwei konzen- ^^^hr^^y^
trischc Regionen geteilt (Fig. 5). ^iiiiös^sß»»*-
Kurpfuschoi'tuni. Aus der inneren
_ ' 'S-
liCdM
Fig. 4.
Pupillarzone wird das Magenfeld-) RegenboRenh.iut. cn. s.seUenMn.)
der Augendiagnostiker. Ist der Magen P^'^FupüSzone ^' "
gesund, so soll die Irisfariie am ganzen J = SShere'dunWe Zone.
Auge gleiche Helligkeit zeigen. Ein dunk-
leres Aiagenfeld entsteht durch Blutmangel dieses Organs, ein hel-
leres durch Überblutung, also inneres Fieber bei meist frostiger Haut
und kalten Füßen. Die selbst von den Augendiagnostikem nicht
wegzuleugnende Tatsache, daß dieser „Magenring** in jedem Auge
zu finden ist, mußte sie konsequenterweisc zu der Behauptung füh-
ren, daß alle Menschen einen kranken Magen haben. Und diesen
Folgeschluß haben sie auch wirklich gezogen. Wenn jemand seiner
Meinung nach auch einen vorzüglichen Magen hat und sogar Steine
verdauen kann, so ist dies nur ein Selbstbetrug seinerseits. Alles
Leugnen hilft ihm nichts, er hat — nach der Meinung der Augen-
diagnostiker — doch seinen chronischen Magenkatarrh; und
diesen bekommt er schon acht Tage nach der Impfung, denn um
diese Zeit bildet sich der Magenring aus. Wenn sich die Herren, die
solche vermessenen Behauptungen aufstellen, doch einmal die .Augen
von neugeborenen oder wenige Tage alten Säuglingen ansehen wür-
den, dann könnten sie vielleicht anderer Meinung werden, denn sie
sehen in diesem Alter, also schon lange vor der Impfung, einen deut-
lich ausgeprägten „Magenring*'. Sie können also sich zu einer
besseren Meinung bekehren, wenn sie nur wollen. Aber da eben
hapert's! Sie wollen nicht Wenn sie nur etwas von Schutzpocken-
•) Die Fig. 2, 5, 7, 9 befinden sich auf Farbtafel I.
cf. die Bedeutung des Magenfeldes in der Geschichte des bösen
Blickes. Bd. I. S. 69.
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— 54 —
impfuiif^ reden hören, dann werden sie wiid, wie der Stier, dem man
ein rotes Tuch vorgehalten. Wenn man sie reden hört, so müßte
die Kuhlymphe das entsetzlichste üiit sein, das dem menschlichen
Organismus eingeimpft werden könnte. Syphilis, Tuberkulose, Skro-
phulose, Rhachitis, Typhus, Oiphtheritis, Ruhr, Scharlach, Masern,
Genickstarre usw. sollten durch die Lymphe übertragen und massen-
haft verbreitet werden. Wir wollen hier das pro und contra der
Impfung nicht weitläufig erörtern. Wir wollen nur darauf hinweisen,
daß mit Einführung der Zwangsimpfung in Deutschland eine der
ftnchtbarsten Augenerkrankimg^en, die Blattern der Au|:^en, die im
vorigen Jahrhundert noch die häufigste Ursache der Erblindung ge-
wesen, jetzt so selten geworden sind, daß es viele erfahrene Augen-
ärzte gibt, die nie einen Fall von Pockenerkrankung der Augen ge-
sehen haben. Dieses großartige Resultat verdanken wir dem Impf-
gesetz, das im Jahre 1874 im Deutschen Reiche die Schutzpocken-
impfung gesetzlich durchgeführt hat Im Jahre 1796 hatte Eduard
Jenner nachgewiesen, daß man sich durch Einimpfen der Kuh-
pocken, einer den Blattern ähnlichen, aber «harmloseren Krankheit,
gegen die Menschenblattern schützen könne. Und seitdem ist die
Pockenseuche dort, wo auf diese Weise geimpft wird, so gut wie
ausgestorben. Wie segensreich das deutsche Irapfgesetz gewirkt
hat, kann man am besten erkennen, wenn man die Blatternsterblich-
keit im Deutschen Reiche mit der in anderen Ländern vergleicht,
in denen die Impfung noch nicht gesetzlich eingeführt ist. So starben
nach einer Zusammenstellung des Kaiserlichen Oesundheitsamtes
1896 von einer Million Einwohner jährlich an Blattern:
1880—93 In Deutschland 2,3 Menschen
„ „ Frankreich 147 „
Belgien 252,9 „
„ „ Österreich 313,1 „
1891—93 „ Rußland 836,4
Im preußischen Heere kam in den Jahren 18Q2 — 1896 ein ein-
ziger Fall von echten Blattern vor; und dieser betraf einen frisch
eingestellten Rekruten, der die Krankheit bereits mitgebracht hatte.
Diese wenigen Zahlen dürften wohl schon genügen, um das
gewissenlose Treiben mancher fanatischer Impfgegner in das rechte
Licht zu setzen.
Impfgegner, „Naturheilkundige'' und Augendiagnostiker werden
sich zwar hierdurch nicht von ihrer vorgefaßten Meinung abbringen
lassen, sondern sie werden fortfahren, die Schutzimpfung mit Schein-
gründen zu bekämpfen, die Ärzte zu beschimpfen und die Pupillar-
zone der Iris als einen durch den Impfstoff erzeugten Magenring an-
zusehen. Ob auch die verschiedenen Falten und Scliattierungen der
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— 56 —
Iris in der Pupillar/ono, die als Ma^enerkrankunfren schwererer Art
gedeutet werden, auf eine Impfschädigun^ /ui uckzulühren sind, das
wird dem wißbegierigen Forscher leider nicht verraten. Er muß sich
mit der einfachen „Tatsache" abfinden, daß bei Magengeschwür
ein helles „EnizQndungszeichen" in diesem Gebiete zu sehen ist,
das bei größerer Narbenbildung einen dunkleren Ton annimmt; daß
JVtagenIcrebs dunkle Punkte auf heilerem Grunde hervorruft; daß
Magenblutungen und -Verletzungen sich durch schw ar/e Flecken
ankünden; und daß Skrofulöse stets ein verdunkeltes Verdauungs-
gebiet in der Iris haben. Zweifel an diesen Behauptungen sind un-
angebracht, denn die Augendiagnose ist unfehlbar!
r. Iris h Iris
r c £ a
FiK. r.
Daniigebict.
AB, BC. DE ^ Dünndarm
AK - AufstciRcndcr Grimmdarm
FC, EG ^ QiaTlii'sender „ "
GH — Absteij^L'iider ,»
DH - S. roirianum
I — Blinddarm
K = Mastdarm
Außer dem Magenring kennen die Augendiagnostiker auch ein
Darmfeld. Dasselbe soll fast quadratisch um das Magenfeld herum
gelagert sein (Fig. 6). Bei gesunden Verdauungs Werkzeugen soll
dasselbe unsichtbar sein, bei Darmerkrahkungen dagegen schmutzige
Veifärbungen oder Verdunkelungen anzeigen.
Wir haben oben auseinandergesetzt, wie durcli das Durclischim-
mern des Sphincters der Iris gewissermaßen eine Zweiteilung des
inneren Iriskreises entsteht (Fiij. 5). Aus dem so gebildeten zentralen
Teil der Piipillarzone wird das Majjenfeld, aus dem peripheren Teil
derselben Zone das Darmfeld. Die quadratisclie Form desselben ist
durch nichts gerechtfertigt, sie ist reines Phantasieprodukt.
c) Irisperipherie.
Wif»5»onschaft. An der Irisperipherie findet sich eine mit viel-
taciien kleinen grubigen Vertiefungen (Kr>pten) versehene Zone, die
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- Ö6 -
namentlich an blauen Augen, besonders bei Kindern, als fast schwar-
zer Kreis zunächst der Wurzel der Iris in die Augen fällt (Fig. 4 u. Q).
Knrpfnschertum. Die Augendiagnostiker nennen diese Zone den
Hautring^). Sie behaupten, er entstände durch unterdrückten (d. h.
vom Arzte behandelten) Milchschorf und ürind. Diese Krankheiten,
die ungefähr mit dem identisch ^ind was die Arzte nässende Ekzeme
und Läusesucht nennen, sind mindestens ebenso gefährlich wie die
Krätze. Sie sind nach Peczely die einzigen V'ernrsachcr der Taub-
heit, der Blindheit, des Stumuiseins, des Stotterns, der Fallsucht, der
Skrofeln, der Rhachitis und noch vieler anderer Übel. Wenn die Kinder
an diesen Ausschlagkrankheiten leiden, so haben sie dieses nur ihren
Eltern zu verdanken, denn diese haben an Krätze gelitten und haben
die Krätze ihren Nachkommen als Schorf vererbt. „Krätzige Eltern
zeugen schorfige Kinder," sagt der schwedische Pastor Liljequist;
das heißt mit anderen Worten: Wenn die Eltern Krätze haben, be-
kommen die Kinder Läuse; eine höchst interessante Illustration zur
Metamorphose der Tiere 1
d) Zentraler Irisrand.
WiBsensehaft. Der innere Rand der Pupillarzone erscheint
manchmal von einem ganz schmalen braunen Saume eingefaßt: es
ist ein Teil des die Hinterfläche der Iris überziehenden Pigment-
epithels, welches am Pupillenrande etwas um : lilagen ist (Fig. 3).
Besteht dieser Umsclilagsaum in größerer Ausdehnung, so spricht
man von einem Ectropium iiveae.
Kurpfusehertuni. Die Beobachtung dieses braunen Ringes mag
wohl die Veranlassung gewesen sein, dal» ein Teil der Augen-
diagnostikcr, z. B. Felke, das sympathische Nervensystem
hierher verlegt hat. Beschwören will ich dieses aber nicht, zumal
es mir bei der absolut mangelhaften Beobachtungsgabe des Repe 1er
Pastors nicht ganz ausgeschlossen erscheint, daß er diesen Ring
überhaupt noch nie gesehen hat In diesem Falle ist für das Vor-
handensein des sympathischen Nervensystems am Pupillarrande der
Iris überhaupt nichts anatomisch Abgrenzbares vorhanden, genau
wie bei seinem schwedischen KonkurreFiten Liljequist, der das
sympathische Nervensystem an den äulieren Rand des Darmfcldes
verlegt. Da das sympathische Nervensystem bei den wirklichen
Ärzten so gut wie gar keine Rolle spielt, muß es natürlich bei den
„Krankenheilern" eine um so größere Rolle einnehmen. Je weniger
Ober die Bedeutung dieser Zone in der Geschichte des' l>Ö6en
Blickes cf. Bd. I. S. 69.
^ j . by Google
— 67 —
die wirklichen Arzte von dem „Sonnengefiecht" wissen, um so
mehr i^ebcn die Pseudoärzte vor, darüber unterrichtet zu sein. Die-
sc^; Nervensystem ist ihnen wohl hauptsächlich deshalb so sym-
pathisch, weil es an gewisse Sympathiekuren erinnert, die ihre
Lehrmeister, die Schafhirten und Zigeunerweiber mit Vorliebe aus-
zuüben pflegen.
e) ContraktiOttsfarchen.
Wis.sonschaft. In fast jedem Aug^e erblickt man eine Anzahl
(1 — 7) konzentrisch verlaufender Bogenliiüen nahe dem Ciliarrande
der Iris. Selten bilden sie vollständige Kreise, meist kürzere Kreis-
bögen (Fig. 7). Man sieht dieselben besonders schön an einer
dunklen Iris und bei enger Pupille, wo sie durch ihre helle Farbe
von dem braunen Gründe sich abheben. Es sind dies die Con-
tradionsfurchen der Iris. Wenn sich nämlich bei Erweiterung der
Pupille die Iris verschmälert, so legt sich die vordere Fläche der-
selben in Falten. Die Täler zwischen den Falten sind eben jene
Furchen, auf deren Grund das Stroma der Iris weniger Pigment zu
enthalten pflegt. Wenn sich die Pupille verengert, so glätten sich die
Falten aus, die Furchen öffnen sich und werden dann besser sicht-
bar (ci. auch Fig. 4).
Kurpfuschertum. Dieses sieht in den Contractionsfurchen
Nerven-, Krampf- oder Schmerzesringe. Sie treten überall
dort auf, wo falsche Blutverteilung, erhöhte Bluttatigkeit und fehler-
hafte Blutbeschaffenheit eine vorübeigehende oder mehr andauernde
Überreizung des Nervensystems oder einzelner Gruppen desselben
veranlassen. Krisen sind deshalb häufig von Krisenr Indien be-
gleitet. Sehr heftifjc Schmerzen rufen ebenfalls Schmerzesringe her-
vor. Deshalb finden sie sich nach Neuralgien, üallensteinkoliken und
\v ochciibetlen ; bei Säughngen, die an Krämpfen irelitten haben,
und bei Frauen und Mädchen, die von Menstruaikrämpfen geplagt
werden. Erstrecken sich die Bogen nur durch bestimmte Felder der
Iris, so zeigen sie an, daß in den entsprechenden Oiganen oder
Körperpartien Schmerzen auftreten. In der Qehihipartie der Iris
sind die Bogen ein verstärkter Beweis für vorhandene Neigungen »zu
extremen geschlechtlichen Empfindungen, zu Hysterie und Schwin-
delanfällen.
f) Knotenähnliche Bildungen.
Wissensehuft. Eine bei braunen Regenbogenhäuten nicht selten
vorkommende zufälllG^e Regleiterscheinung der Contractionsfurchen-
biidung ist das Auttreten von pigmenthaltigen Zellanhäufungen in
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— 58 —
Füirn von knötchenartigen Gewebsverdichtungcn in den vorderen
Irisschichten. In der Kindheit pflegen diese Gewebsanhäufungen
nicht als scharf begreazit Knoten aufzutreten. Die konzentrische
Anordnung der Cootraciionsfurchen und die dadurch bedingte doppel-
seitige Berandung der Knoten, welche sich sowohl nadi der ciliaren
als auch nach der pupillaren Seite hin als eine Art von Rinnen-
bildung erweist, entwickelt sich ausschließlich als die Folge der Iris-
reffung beim Eintreten der Pupillenerweiterung. Man kann sich die
Knotenkonfiguration ungefähr so vorstellen, als wenn ein sanft
abfallender Hügel an zwei gegenüberliegenden Seiten allmählich mit
einem Graben iimzogfen wird.
Bei hellen Regenbogenliäuten ersciieint das knotige Aussehen
dieser Bildungen viel weniger deutlich ausgeprägt (Fig. 7) als bei
den dunklen. Die Erklärung hierfür ist einfach darin zu suchen, daß
die Contradionsfurchen in den pigmentarmen Regenbogenhäuten
wesentlieh unauffälliger sind wie in den pigmenthaltigen. In vielen
Fällen hat man eben nur den Eindruck, daR im peripheren Ciliar-
gebiet ringförmig vertiefte schwärzliche Streifen mit helleren Oewebsr
Partien abwechseln.
Die helleren und dichteren, einem flockigen und flaumigen
Gewebe nicht unähnlichen Stellen bestehen in der Hauptsache aus
einer zellreichen aber unpigmentierten Verüiciiiung der vorderen
Schichten und besonders des vorderen Stromablattes.
Knrpfnsehertum. Im äußeren Drittel der Iris kommen bei hellen
Regenbogenhäuten grauweiße, mit Schneeflocken vergleichbare
Flocken vor, die auf Arsenikgebrauch zurückzufiihren sind. In
braunen Augen erscheinen diese Flocken hellgelblich. Infolge des
Arsenikgebrauches entstehen Gicht und Rheumatismus. Das,
was man gewöhnlich unter diesem Namen versteht, ist nichts weiter
als eine Fol^e von Arscnikvergiftunq;. Diese entsteht durch Ein-
schnneren arsenikhalti^cr Salben ge^en den Schorf (cf. S. 5f>) und
durch Irinlven von arsenikhaltigeni Bier. Das sollen sich die Bier-
brauer merken!
Ganz ähnlich diesen Arrsenikzeichen sind die Zeichen der Ver-
kalkung (doch sehen diese mehr kalkig aus) und Harnsäure-
aifhäuf ung. Beide sind auf ganz dieselben Ursachen zurückzuführen,
nämlich auf ein Zurückhalten des Urins. Wer die Tugend des Wasser-
anhaltens in zu großem Maße ausübt, der erkrankt unfehlbar daran,
ebenso an Nervosität, denn dieses Leiden ist nichts weiter als
Harn'iaurevern^iftung. Vor allen diesen Leiden kann man sich unfehl-
bar sciuit/en durch recht häufiges Aufsuchen des Aborts. Also
geniert euch nicht, ihr Damen! und ihr Lehrer, merkt es euch, lasset
die Kinder recht häufig hinaus! Sonst gibt es fürchterliche Folgen.
. kj .i^Lo uy Google
- 69 —
g) Honihaatrand.
Wissenschaft. Die durchsichtige Hornhaut, die als eine un-
mittelbare Fortsetzung der weißen Lederhaut erscheint, ist in dieselbe
uhrglasförmig cintrcfügt. In den hinteren Schichten reicht die Horn-
haut weiter nach der Peripherie als in den vorderen, wo die f.eder-
haut gleichsam über den Rand der Honiliaut hinübergreift, üieses
Pig. &
Durchschnitt durch den vorderen Teil det AugCt»
CO - BindL-haut i = Iris
er Horiitiaut ! ~ Linse
8 =- JLederhaut g ~ Greisenbogen
a « Obcrgangsteil
Obergreifen ist aber nicht an allen Stellen des Homhautumfanges
g^leich, sondern oben und unten deckt die Lederhaut ein größeres
Stfidr der Hornhaut als an der Nasen- und Schlafenseit^ dn Ver-
halten, welches man wegen der durchscheinenden Farbe der Iris
bei allen Menschen sehr leicht konstatieren kann. Je nach der Fär-
bung der Regenbogenhaut erscheint der Hornhautrand daher grau
oder bläulich (Fig. 8),
Kurpfuscher tum. Die Angendiagnostiker verlegen diesen Horn-
hautfalz in die Regenbogenhaut und beweisen dadurch aufs schla-
— 60 —
gendste, daß sie keine blasse Ahnung von der Anatomie des Annes
haben und daß ihre Beobachtungsfahigkeit gleich Null ist. Sie be-
schreiben diesen Hornliautrand als einen metallisch glänzenden Ring,
der itn blauen Auge grau, im braunen Auge bläulich ist, und behaup-
ten, er sei das Zeichen einer Quecksilbervergiftung. Wer je-
mals mit Quedcsilbersalbe behandelt worden sei, oder wer sich auch
nur die Hände mit Subtimatwasser desinfiziert hätte, in dessen Auge
entstände ein solcher Quedcsilberring. Er legt sich je nach der Masse
des angewandten Giftes entweder in Form eines Ringes ganz um
die fris herum, oder aber er ist nur im obersten Teil derselben zu
sehen, also in der Ciehirnpartie der Iris.
Unter der Wanderung nach dem Gehirn erscheint das Queck-
silber in Form von grauweißen Wolken. Was die Augendiagnostiker
darunter verstehen, ist mir nicht ganz klar geworden. Da einerseits
derartige Gebilde, wie diese Herren sie zu sehen vorgeben, in der
Iris überhaupt nicht vorkommen, wohl aber in der Homhaul^ und
da wir andererseits eben auseinandergesetzt haben, daß das, was die
Augendiagnostiker Quecksilberring der Iris neinien, nichts weiter
als der Hornhautrand ist, so werden wir wobi auch nicht fehlgehen,
wenn wir annehmen, daß hier wieder eine Ven\'echslung der beiden
Häute vorliegt, und daß wir es in diesen grauweißen Flocken mit
den bekannten, das Sehverrnöpen im höchsten Grade störenden
Honiha utlleckeni) zu tun haben.
h) Greisenbogen.
Wissenscliaft. JVlit dem eben erwähnten Hornhautrand darf der
Greisenbogen (Oerontoxon, Arcus senilis) nicht verwechselt werden.
Derselbe tritt häufig in höherem Alter in der sonst ganz gesunden
Hornhaut auf und besteht in einer schmalen grauen Linie, welche
nahe drni Hornhantrande und konzentrisch mit demselben verläuft
(Fig. Sg.). Dieselbe zeigt sich zuerst am oberen und bald auch am
unteren Hornhautrande in Form eines grauen Bogcns, zuletzt ver-
einigen sich die beiden Bogen an der äußeren und inneren Seite der
Hornhaut zu einem geschlossenen Ringe. Die äußere Grenzlinie des
Greisenbogens ist scharf und vom Homhautrande durch einen Saum
vollständig klarer Hornhaut geschieden; an der inneren, dem Zen-
trum der Hornhaut zugekehrten Seite dagegen verliert sich die Trü-
bung allmählich in die durchsichtige Hornhaut.
') Ober deren Bedeutung in der Geschichte des bdsen Blickes cf. Bd. I.
5. 72. — Anm. während der Korrektur: In der Dezembemummer der Felke^
Zeitung schreibt ein Dr. med. Wirz, Durlach wörtlich: .,Die meisten Horn-
hatitfleckcn sind meist QiiecksUberflecken." Und mit derartigen „Kenntnissen''
darf man Kranke behandeln!
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— 61 —
Kurpfuschertuin. Die Augendiagnostiker warnen vor einer Ver-
wechslunfy des Altersrin^es der Qreise mit dem Qiiecksilberbogcn,
aber sie sind selbst nicht imstande, diese Dinge zu unterscheiden.
Sie behaupten, der Oreisonbo^ren entstände dadurch, daß sich das
Augcnweiü gleichsam auf den äußeren Rand der Iris legt.
Aus dem eigentlichen Oretsenbogen der Hornhaut machen sie
einen Verkalkungsbogen der Iris.
i) Pigmentflecke.
a) Braun, rotbraun.
Wissenschaft. Nicht selten existieren in einer Iris, die im ganzen
wenig pigmentiert ist, einzelne inscltörmige Pif^mentaiiliaufungen im
Stroma. Dieselben treten dann als dunkle (rostfarbige, braune oder
schwarze) Flecken in der sonst grauen oder blauen Iris her\'or —
Muttermale oder Naevi iridis. Eine größere Anzahl derselben
verleiht der Iris ein getigertes Aussehen.
[Farbige Punkte und Flecke (am häufigsten braun, dann gelb,
seltener schwarz, braungelb und dunkelblau), seltener Sektoren, sollen
auch nach den neueren Psychiatern eine Entwickelungshemmung
sein, der die Redeutnnr eines Degenerationszeichens zukommt.
Sie sollen sich häiifif^ bei Geisteskranken finden, namentlich bei
Schwachsinn (Imbe/illität) und Fallsucht (Epilepsie).]
Zum Unterscliied von diesen angeborenen Pigmentfiecken
der Iris gibt es auch erworbene: man findet dieselben namentlich
in Augen, die durch eine Verletzung blind geworden sind. Auch bei
anderen krankhaften Prozessen des Auges, wie beim grünen Star
(Glaukom) kommen Pigmentwucherungen vor.
Nach dem, was wir über den Hornhautrand, den Greben-
bogen und die Hornliautflecke pp-a^t haben, ist e;; auch sehr
wahrscheinlicli, ilali die AtifTciuliaL^nostiker nianehe PiLfmentflecke,
die an der hinteren oder vorderen Hornhautwand sitzen, für iris-
flecke halten.
Erworbene Pigmentfleckc der hinteren Hornliautwand sind
allerdings sehr selten. Sie können z. B. dadurcli zustande kommen,
daß durch Operationen, Verletzungen usw. kleinste Iristeilchen los-
gelöst werden und mit der hinteren Hornhautwand verwachsen.
Viel häufiger kommen Pigmentierungen der vorderen Horn-
hautwand vor, und zwar nach Verletzungen mit kleinsten Eisen-
partikelchen. Beim Hämmern des Eisens springen derarttue Par-
tikelchen ab, werden durch die Kraft des Schlafres erhitzt, oxvdicren
sich zu Hammersehlag (Eisenoxydoxvdul) und finden sich als solches
in der Hornhaut Bei gewissen Handwerkern, wie Schlossern, Schmie-
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— 62 —
den, Eisendrehern usw. sieht man deshalb diese Eisensplittervcr-
letzungen als dunkelbraune bis schwarze Punkte sehr häufig.
Eine Verwechslung eines braunen Irisfleckes mit einem derartigen
Fremdköqier habe ich selbst einmal erlebt Ein Patient behauptete,
ihm sei etwas in das Auge geflogen, er ging mit dieser Angabe *
zu einem Herren, der sich auch die Behandlung von Augenkranken
getraute, und ließ sicli von diesem den angeblichen Fremd-
körper entfernen. Der Pseudodoktor nahm eine Nadel, bohrte
damit in der Hornhaut licrum, und als er dieselbe fast durchbohrt
hatte, erklärte er, der hremdkörpcr sitze zu tief, er könne ihn nicht
entfernen; der Patient solle lieber zu einem riclitigen Augenarzte
gehen. So bekam ich das mißhandelte üpferlanuii zu sehen. Trutz
genauester Untersuchung fand ich nichts von einem Fremdkörper
in der Hornhaut, dagegen eiblidcte ich unter dem gewalttätigen Bohr-
toch einen deutlichen Pigmentfleck in der Iris, der für den angeblichen
Fremdkörper in der Hornhaut gehalten worden war.
Wenn eine solche Verwechslung^ eines Irisfleckes mit einem Horn-
hautpigmentfleck bei ungeübten Kurpfuschern vorkommt, so darf
man ^ich nuch auf das Umoekehrte, die Verwechslung eines Horn-
hautpigmentfleckes mit einem Irisfleck, gefaßt machen.
Kurpfuschertuni. Braune, rotbraune oder schwarzbraune Flecken
mit scharf begrenzten Rändern sind Zeichen der verschmierten
Kratze (d. S. 51).
Sie können leicht mit den roten oder gelblichroten Jod zeichen
verwechselt werden. Sie unterscheiden sich von den Krätzeflecken
dadurch:
1. daß man bei Krätze niemals „Nervenfasern" (bei den Augen-
diagnostikern besteht die ganze Iris aus mehreren Schichten von
Nervenfasern!) unter den Krätzefleckcn wahrnehmen kann, sondern
die Krätzezeichen sehen aus, als wenn sie an der Oberfläche der
Iris aufgeklebt wären, während man dagegen unter den jodliccken
immer die „Nervenfasern*' sieht;
2. die Krätzezeichen sind scharf begrenzt und beben sidi deut-
lieh von der Umgebung ab, wogegen die Jodflecken mit der Um-
gebung zusammenschmelzen, und ihre Ränder sich in derselben ver-
lieren.
Mehr oder weniger zahlreiche, rostbraun pigmentierte Flecken
bedeuten auch eine Vergiftung mit Mutterkorn (Seeale cornutum).
Eisen, innerlich genommen, färbt den Magenring braun oder
braunviolett.
ß) Blaß rot.
Wissenschaft. Eine blaßrote Farbe der Iris beim Menschen gibt
es nicht. Nur bei den sog. Albinos erscheint die pigmentlose durch-
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^ 63 —
scheinende Regenbogenhaut wegen ihrer zahlreichen Blutgefäße in
zart grauroter Farbe.
Kurpfusclifituin, Nach oben verlaufende blaß-rötliche Ver-
färbungen sind Zeichen der Vergiftung mit Bromkalium.
Y) OrauWeiß.
1. Wissenschaft. Grauweiße Flecke sind durch die Contractions-
furchen bedingte Zellanhäufungen (cf. S. 58).
Kiirpfii^« iHMtum. Grauweiße Schneeflocken sind Arsenik-
zeichen (cf. S. dS)
2. Wisseiisehaft. Wird mit dem Alter das ücwebe der Iris
faserreicher, dicker und straffer, und damn auch weniger durch-
scheinend, so nimmt die ursprünglich blaue Iris einen grauen Farben-
ton an (cf. S. 50).
Knrpfnacliertiim. Eine schmutziggraue Iris, besonders in der
oberen Hälfte, bedeutet Vergiftung mit Salizylsäure. Es scheint,
ak läge ein Überzug darüber, der aber nicht so fein ist wie derjenige
des Kreosot. Hat der Patient das Kreosot in sehr großen Mengen
genommen, so sieht die Iris häufig^ aus wie „geschlagenes Eiweiß".
Graue, bleigraue Farbe des Magengebietes hf ein Zeichen der
Bleivergiftung. Findet sich auch bei alten Biertruikern, denn das
Bier, sagt Liljequist, hat die Eigenschaft, eine kleine Quantität
des Bleies, welches das Glas enthält, zu lösen.
3. Wissensehaft. Bei einer schweren Erkrankung des Auges,
der Regenbogenhautentzfindung^), bildet sich am PupiUenrande der
Iris eine grauweiße Ausschwitzung, ein sog. Exsudat, welches den
freien Rand der Regenbogenhaut mit der vorderen Linsenfläche
verklebt, und welches als ein schtnaler grauweißer Ring erschein^
wenn es in größerer Mcnq^c vorhanden ist.
Kurpfiisehertura. Ein grauweißer, schmaler Ring um die Pu-
pille ist das Zeichen der Opium Vergiftung.
5) Oelb.
Wissenschaft, über die gelbe Pigmentierung der Regenbogen-
haut cf. S. 50. In hellen Regenbogenhäuten sieht man manchmal, daß
die ganze Iriskrause gelb pigmentiert ist, und wie ein schmaler
gelber Ring die Pupiilarzone umgibt (Fig. Q).
Gelbliche Verfärbung der Regenbogenhaut findet sich auch bei
entzündlicher Entartung des Augapfels.
Kurpfusch crtum. ßlaßgelbe Zeichen bedeuten Antipyrinver-
giftung, weiBlichgelbe Zeichen Antifebrin Vergiftung. Fadenfeine
^) Ober die Rolle derselben in der Gesciiichte des bösen Blickes cf.
Bd. 1. S. 72. Bd. II. S. 156.
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— 64 —
weiße oder gelblichweiße Linien um das Magenfeld sind Zeichen der
Strychnin vcrgiftunor fpig_ i7)_ Finden sich auch bei alten Bier-
trinkern, denn schlechtca Rier enthalt nach Liljequist Strychnin.
Scharf gelbe Farbe, anlangs nur in der Magendarinpartie, findet
sich nach Gebrauch von Chinin. Bei längerem Gebrauch verbreitet
sich die Farbe über die ganze Iris, die bei ursprünglidi blauer Farbe
nunmehr grünlich erscheint, während das braune Auge orange-
gelb wird.
£) grünlich.
Wissenseliaft. Die blaue Iris nimmt eine grünliche Verfärbung^
an nach Durchblutung des Augeninnern, z. B. bei Verletzungen
usw. Diese schwindet im Laufe der Zeit Eine derartige Färbung
wird auch, allerdings selten, bei Kindern nadi Sdiieloperationen be-
obachtet, wenn eine stärkere Bindehautblutung erfolgt war.
Kurpfnschertnm. Eine blaue Iris wird grünlich durdi Chinin-
vergiftung (cf. S. 64 oben).
Q igelbgrün-
Kurpfnscheitnm. Zeichen der Schwefel Vergiftung.
r,) blau.
Wissensr hilft. In einer braunen Iris kann durch umschriebenen
Schwund (Atrophie) der vorderen Irisschichten (z. B. beim grünen
Strff) ein blauer Fleck entstehen, nämlich infolge Durchschi mmcms
einer dunklen Farbe (Pigmentblatt) durch farblose Schicht (erhaltene
tiefere Stromaschichtcn) (cf. S. 50).
KurpfuscUerluin. In dem entsetzlichen Buch von Mfiller-Felke,
das man seiner darin geäußerten Ansichten wegen fast mit dem
„Hexenhammer'< vergleichen könnte, heißt es wörtlich: „Wie man-
cher Patient hat eine Jungbomi)-Kur in Repelen mit braunen Augen
begonnen und ist mit blauen Augen nach Hause i^^cG^angen! ...
Sind die Bedingungen dnm gegeben, so wird in dem Maße, wie
der Körper die Fremdstoffe ausstößt, ein allmähliches Hinüber-
schimmern der Iris in die blaue Klasse von statten gehen. Das Blau-
oder Grauwerden erstreckt sich entweder über die gesamte ins oder
über Teile derselben."
Man weiß wirklich nicht, mit welchem parlamentarisdien Aus-
druck man solche Behauptungen belegen soIL Ich bezweifle im aller-
höchsten Grade, daß die Herren in Repelen jemals das Blauwerden
einer braunen Iris beobachtet haben. Wenn dieses aber doch der
) Eine bekannte „Naturheilanstalt" in Repelen, wo Felke eine Zeitlang
„arztete".
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Fall gewesen ist, so handelte ps sich immer um sehr schwere ent-
zündliche Entartungen des AiiL.ipfck, wie wir oben auseinander-
gesetzt iiabcii, denn das Blauwcrden der braunen Iris ist stets das
Zeichen einer Erkrankung und nie das Symptom einer Gesundung.
Die Herren, die den traurigen Mut iiaben, ihren vertrauenssehgen
Patienten einzureden, ihre Augen zeigen die Farbe der Genesung,
während sie in Wirlclichkeit der schwersten Erkrankung anheini-
gefallen sind» die begehen ein unverzeihliches schweres Verbrechen,
das die strengste Bestrafung erfordert. Aber wie gesagt, ich be-
zweifle, daß diese Herren jemals das an sich recht seltene Blau-
werden einer dunklen Iris beobachtet haben. Ich halte ihre ganze
Behauptung, wie alles, was sie über die Augendiagnose vorbringen,
für Lug, Betrug und Schwindel,
Bei dieser (lelcfrenheit wollen wir es nicht unterlassen, mit
kurzen Worten aul die
Farbenyerftnderangen
hinzuweisen, die die Wissenschaft kennt Wir können hier 1. eine
konstant bleibende und 2. eine vorübergehende Farbenveränderung
unterscheiden.
1. Konstant bleibender Farben Wechsel,
a) Die Iris wird dunkler
a) Jedes neugeborene Kind wird mit blauen Augen geboren. In
den ersten Lebensjahren ändert sich die Farbe und wird dunkler.
Je dichter und dicker das Irisstroma wird und je mehr i^ignientzeilen
auftreten, um so brauner wird die Regenbogenhaut (cf. S. 50). Ls
ist dies ein ganz normaler Vorgang in absolut gesunden Augen,
ß) Dunkelfärbung in kranken Augen findet sich:
aa) infolge von Blutungen im Augeninnem;
ßß) nach entzündlicher Entartung des Augapfels;
Xy) nach Eisensplitterverlctzung.
Die Iris nimmt dann eine schmutzig dunkelbraune Rost-
färbung (Siderosis buibi) an.
b) Die Iris wird heller.
JMan beobachtet eine derartige Enterbung
a) infolge von erhöhtem Druck im Augeninnem beim grünen Star;
ß) nach Regenbogenhautentzündungen;
Y) beim sog. Heterophthalmos (das eine Auge zeigt eine andere
Larbe als das andere). Das hellere Auge ist immer das kranke und
leidet an chronischer Entzündung der Aderhaut und Iris, daneben
besteht grauer Star;
Sei ig mann, Augeodiagnose. 5
- 66
b) ohne bekannte Ursache nach Analogie gewisser mit Pigment«
Verschiebung einhergehenden Hautleiden.
2. Vorübergehender FarbenwechseL
Die Iris ist bei Einwirkung grellen Uchtes heller als bei mäßiger
Beleuchtung, mit Ausnahme des ziliaren und papillären Randes. Be-
sonders deutlich zu sehen ist dieses bei Augen mit blauen oder grün»
liehen Regenbogenhauten.
Außer dem Hellerwerden der Iris bei Lichteinfall ist noch eine
andere merkwürdige Veränderung an hellen und selbst manchen,
braunen Aupi^en zu bemerken: eine Farbenveränderung.
Blaue Au<);en verlieren ihr intensives Blau, die Farbe erscheint
weniger gesättigt; andere bekonunea einen Sticii ins üraue, noch
andere ins Oelbliche. Dunkelblaue Augen erscheinen blaugrün.
Graue Augen erscheinen bei herabgesetzter Beleuchtung bläu-^
lieh, bei hellerer Beleuchtung grünlich, andere tatsächlich grün, andere
gelblich, andere schmutzig elfenbeinweiB.
Grünlichgraue Augen werden bei stärkerer Beleuchtung heller,
bei weiterer Steigerung der Belichtung grün, manche bisweilen auch.
gelbUch.
Gewisse braune Augen erscheinen bei hellem Licht ^grünlich-
gelb mit bräunlichem Stich, bei mäßiger heller Beleuchtung grünlich-
blau. Es gibt hellbraune Augen, die bei mäliig heller Beleuchtung
nahezu blau erscheinen, in sehr hellem Lichte gelblichgrün.
An braunen Augen sieht man manchmal an den zuerst in der
Iris sichtbar gewordenen weißlichen Anteilen eine gelbliche Ver>
färbung auftreten, nachdem das Lidit einige Sekunden eingewirkt hat»
Die Erscheinung ist durch eine bei der Kontraktion des Ring-
muskels auftretende Doppelbrechung zu erklären.
Auch die Verengerung der Pupille bei Akkomodation bewirkt
Aufhellung der fris, d. i. Doppelbrechung und Farbenveränderung.
Allerdings sind die Farbenveränderungen hierbei nidit so auf-
fallend.i)
0) schwarz.
Wissenschaft. Wirklich schuar/e Pigmentflccke der Iris sind
verhältnismäßig selten. Dagegen können die schwar/en Schatten,
die durch die erhabenen Gefäßbegrenzungen auf dem tiefmi Stroma
erzeugt werden, leicht für schwarze Striche, Punkte oder Flecken ge>
halten werden. Vom pupillaren Rande der Iris erstrecken sich eine
große Anzahl von kleinen, strahlenförmig angeordneten Falten und
Leisten peripheriewärts. Am deutlichsten ausgeprägt sind sie in.
•) Gstettner, Pflügers Archiv. 105. Bonn 1904.
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Fhrbta/elW.MwSeliijmann , Alleen (Uuffnose, uJfixrjjfvscher'öznt.
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der Pupillarzone. Nicht alle sind sie gleich erhabeö, [»»fMjeni die
einen sind flacher und deshalb weniger deutlich ^iduBar*{(ls..diQ
anderen. Der Schlagschatten, den die eirizeln^i^^JLdst^ir rw^rfeti,*;
oder der dunkle Zwischenraum, der zwischen zwei eng nebepeinan<Jer-
liegenden Fältchen entsteht, imponiert als sch\var2eT ötncjh.* •/
In der Ziliarzone dagegen, wo die Leisten und Falten mehr ver-
strichen sind, sieht man weniger schwar/e Strictie als vielmehr
scliwarze i-'unklc und Flecke. Aucii die^c kuninien durch das
Schattenspiel der die kleinen grubigen Vertiefungen oder Lakunen
(s. d.) begrenzenden Blutgefäße zustande, oder es handelt sich um
das Zutagetreten der tieferen Stromascbichten (Fig. 10, 11) i).
Außer diesen in jedem gesunden Auge wahrzunehmenden schwar-
zen Flecken und Fleckchen gibt es noch feinste schwarze Punkte und
Flecke, die nur in kranken Augen vorkommen; es handelt sich da-
bei um Pigment/'ellen, die durch den Säftcstroni verschleppt worden
sind, sog. Pigmentmetastasen. Sie finden sich bei Verletzungen,
Entzündungen, Entartungen und als Frühsyniptom einer sehr gefähr-
lichen Augengeschwulst, dem bösartigen Aderhautskrkom. Ein recht-
zeitiges Erkennen der Ursache solcher Pigmentverscfaleppungen kann
manches Unheil verhüten, ein Verwediseln derselben mit einer un-
schuldigen Lakune kann das grüßte Unglück im Gefolge haben.
Kurpfuschertom. Die Augendiagnostiker kennen keinen Unter-
schied zwischen schwarzen Pigmentflecken und schwarzen Schatten.
Schwarz ist für sie schwarz. Tritt zufälligerweise eine Falte der Pu-
pillarzone etwas deutlicher hervor, so ist dies ein Zeichen von Magen-
erkrankungen der verschiedensten Art (cf. S. 55). Erstreckt sicli
dieselbe in das Blinddarmgebiet (cf. Regionenlehre), so handelt es
sich um eine sehr schwere Erkrankung, denn das Zeichen geht ja
bis zum Ring des sympathischen Nervensystems (cf. S. 56).
Liegen solche schwarze Zeichen In der Ziliarzone, so bedeuten
sie immer einen Substanzverlust des Organes, an dessen korres-
pondierender Irisstelle sie gefunden werden.
Wir kommen damit ZU der modernen Regionenlehre der Augen-
diagnostiker, zu den
k) Krypten oder Lakunen
der Wissenschaft. Diese sind es, welche im wesentlichen dem
Relief der Iris seine große Mannigfaltigkeit verleihen. Sehen wir
uns die verschiedenartigsten Regenbogenhäute an, so können wir
zwei Hauptformen derselben unterscheiden :
1. Die glatte Regenbogenhaut, die fast eine ebene Fläche
bildet. In dem Stronia dieser Iris verlauicn die zahlreichen Blutgefäße
') Die Fig. 10, 11, 17 befinden sich auf Farbtafel il.
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ununterbroQhenHn gerader Richtung vom Ziliar- zum Pupillarrande
und bilden iirder Form von vorspringenden, radiär gestellten Leisten
;*j die tJiliüCn^t -feinez-Z^d^ der Iris Diese Blutgefäße sind von
• ? Alfter- nKlh*r'fHler'*wemgcf diciven weißen, bindegewebigen Hülle
(AdVfJ^taiaX iJÄigelei^ und erscheinen deshalb mehr oder weniger
deutDcft'laiiS' W^tB^ Miär verlaufende zarte Linien in der Oberfläche
der Iris.
2. Die zerklüftete Regenbogenhaut, deren Oberfläche mit
zahlreichen Gruben und Grübchen durchsetzt ist. Diese Krypten
oder Lakiinen (Fii^. 3, 5, 7) sind reine Ziifallsprodukte. Sie ent-
stehen durch einen Mangel oder durch eine gewisse Armut an Ge-
fäßen in den mittleren und vorderen Irisschichten. Ihre Gestalt ist
desto deutlicher ausgeprägt und ihre Bcränderung desto schärfer mar-
Icief^ je reichlicher ihre nädiste Umgebung von dicken Gefäßstämmen
durchzogen wird und je ausgiebiger diese Oefäße von bindegewebi-
gen Hüllen umkleidet werden. Ist das Bindegewebe der Iris, welches
sich zwischen den BlufgefäSen und um dieselben herum befindet,
nur mäß^ ausgebildet oder aus irgendwelchen Gründen wieder ver-.
schwnnden, so treten auch die Lakunen nicht mehr sehr auffällig
in Erscheinung.
Zwischen diesen beiden Formen der glatten und zerklüfteten
Iris gibt es nun zahlreiche Übergänge. Es gibt Regenbogenhaute, bei
denen die gerade verlaufenden Blutgefäße an einzelnen Stellen nur
wenig von ihrer Richtung abweichen, und dadurch kleine und kleinste
schwarze Grübchen hervorbringen. Andererseits findet man R^en-
bogenhäute, in denen die Blu^äBe bedeutend von ihrem geraden
Verlaufe abweichen, große Bögen bilden und mit diesen breite und
tiefe Gruben einschließen und umgrenzen. Ich habe es als die
Regel (gefunden, daß, wenn überhaupt größere Lakunen vorkom-
men, diese gewöhnlich sich in der Mehrzahl und Vielzahl finden.
Vereinzelte gr()lkTe Lakunen sind verhältnismäßig selten. Diese Ver-
schiedenartigkeit der Form und die wechselnde Menge und Oröfie
der Lakunen bewirken es, daß man wohl kaum zwei Regenbogen-
häute finden kann, die sich völlig gleichen. Wie die Linien der
Daumenabdrücke nach dem Bertillonschen System zur Erkennung
eines Menschen verwendet werden, so könnte mit demselben Erfolge
auch die mannigfaltige Zeichnung des Irisreliefs zu demselben Zwecke
ihre Verwertung finden.
Zum Unterschiede von diesen angeborenen Lakunen im q:e-
sunden Auge müssen wir noch gewisse grubige Vertiefungen er-
wähnen, die bei krankhaften Prozessen im Auge auftreten können,
so nach Abheilung von syphilitischen Geschwülsten (Fig. 9), ins-
tuberkulöse usw.
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— 69 —
Die Zeichnung des Irisreliefs wird verwaschen und selbst un-
kenntlich bei Entzündungen und Entartungen der Iris.
Bei Fällen von sog. „reflektorischer Pupillenstarre" beobachtet
man oft eine ganz besondere Veränderung der Iris, die als ein der
Rückenmarkschwindsucht, Paralyse und alten envorbenen Syphilis
eigenes Symptom angesehen werden muß. Diese Veränderung be-
steht in einem bald diffusen, bald sektorenförniigen Verstrichensein
der Falten und Erhöhungen der Iris, die dadurch ihren schillernden
Olanz verliert Das Erlöschen des Liditreflexes geht immer dem
Irisschwunde voraus. Eine Etlcrankung des Nervenstammes der sich
sdctorenförmig in der Iris verteilenden Nervenfaserchen scheint die
Ursache dieser Erscheinung zu sein.
Knrpfuschertam. Wie die Farbe der Regenbogenhaut für die
Augendiagnostikcr ein Gradmesser der Gesundheit und Kraft ist,
so gilt dasselbe auch für die Dichtigkeit der Iris. Hierunter werden
die verschiedenen (nicht farbigen) Punkte, Flecken, Wolken", ge-
rade und krumme Linien u. dgl. verstanden, die den Gesamteindruck
der Iris ausmachen. Je weniger von diesen Zeichen vorhanden
sind, um so gesünder ist der Mensch ; je mehr dieselben zunehmen,
um so kranker wird er. Die Augendiagnostiker untersdieiden nun
auf Orund ihrer glänzenden anatomischen Kenntnisse 6 Klassen der
Dichtigkeit (Fig. 10).
1. Sehr feine und dichte Iris. Dieselbe ist so fein und dicht
wie Glas oder Perlmutter. Keine Linie und kein Organzeichen unter-
bricht die reine Farbe der Iris. Findet sich am h;iiifigsten bei See-
leuten oder Bergbewohnern, bei Personen, die sich ausarbeiten, mäßig
und nüchtern leben. Genuß- und Medizingifte meiden und von
gesunden Eltern stammen (Fig. 10, i).
2. Feine Iris. Findet sich am häufigsten bei nicht syphilitischen
Seemännern oder bei nicht verkrätzten Landleuten (Fig. 10, j).
3. Ordinäre Iris. Wird am häufigsten gelundeu. Leute mit
solcher Regenbogenhaut behaupten, sie wären gesund (Fig. 10, 3).
4. Grobe Iris. Die „Nervenfasern** erscheinen weit getrennt.
Leute mit sokher Iris betrachten sich als Patienten, füllen aber bei
einiger Willensstärke ihren Posten noch leidlich aus, namentlich wenn
ein eisernes Muß sie dazu* zwingt (Fig. 10, 4).
5. Schlechte Iris. Dieselbe zeigt Offnungen und Lücken zwi-
schen den „Nervenfasern". Zeichen angeborener Organschäden. Eine
falsche Erziehung wurde den Leuten mit solcher Iris verhängnisvoll.
Sie geben sich auch über den Ernst ihrer qesundhoitlichen Lage
keiner Täuschung mehr hin, denn sie fühlen, wie es mit raschen
Schritten bergab geht (Fig. 10, 6).
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— 70 -
6. Sehr schlechte Iris. Die Zeichen sind noch ausgeprägter
als wie bei der vorigen. Sie sind solchen KranJven eigen, die schon
infolge starker erblicher Belastung zu den verschiedensten und sciiwer-
sten Leiden veranlagt waren (Fig. 10, o).
Diese 6 Grade der Dichtigkeit geben uns einen Beweis dafär,
was die Augendiagnostiker zustande bringen, wenn sie einmal ver-
suchen, ihren Lesern „anatomisch" zu kommen. JVUt Anatomie und
Wirklichkeit hat diese Irisbeschreibung ungefähr dieselbe Ähnlich-
keit wie die Malereien eines phantasievollen australischen Ein-
geborenen mit den naturgetreuen hochentwickelten Reproduktionen
der modernen farbigen Photographie. Bevor die Auirendiagnostiker
einen derartigen Unsinn zusammenschmieren, sollten sie sich doch
lieber einmal der Mühe unterziehen, eine Iris unter dem Mikroskope
zu betrachten. Dann würde ihnen klar werden, daß die Iris nidit
aus Nervenfasern, sondern aus Blu^efäßen und Bindegewebe be-
steht, wie wir oben schon auseinandergesetzt haben. GevnB sind
in der Iris, wie in jedem Organ des menschlichen Körpers, Nerven-
fasern vorhanden, aber dieselben sind so fein, daß man sie selbst
unter dem Mikroskop nur mit Benutzung sehr subtil ausgebildeter
Fäibciiietlioden erkennen kann^). Das, was man mit bloßem Auge
als vorspringende Linien, Valien und Begrenzungen der „Organ-
schäden'' sieh^ das sind keine Noirenfasem, sondern in dickes Binde-
gewebe eingehQlite Blutgefäße. Dieselben erscheinen, wie wir oben
(S. 68) auseinandeigesetzt, häufig als zarte weiße, radiär verlaufende
Linien, und müssen sich, je nach Dicke, Menge und Laime des
phantasievollen Augendiagnostikers, gefallen lassen, bald als Nerven-
fasern, bald als Entzündungszeichen und bald als Zeichen
der Morphium Vergiftung ausgelegt zu werden. Letzteres ist na-
mentlich dann der Fall, „wenn zahlreiche sdiarfe, gerade, feine
weiße Linien von der Pupille strahlenförmig noch obenhin ver-
laufen. Sie treten meist in sok*her Menge auf, daß sie fötmlkAe
Schattierungen bilden".
Es gibt nun keine einzige Iris auf der Welt, die nicht ferne,
strahlenartig angeordnete Linien enthält, weil es keine Iris ohne Blut-
gefäße gibt, und weil letztere immer strahlenartig angeordnet sind.
Glas- oder pcrhnutterartige Regenbogenhäute ohne Streifung, wie
die Augendiagnostiker sie als erstklassige schildern, gibt es daher
überhaupt nicht. Derartige Bilder sind reines Phantasieprodukt, und
Wühl dem Auge irgendeines Wesens aus Wolkenkukukslieim ent-
nommen, aber niemals aus dem Auge eines lebenden Menschen. Auf
S. Seiigmann. Die miliroskopischett Untersuchungen des Auges.
Berlin. 1890.
»1
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— 71 —
der Grundlage dieser „idealen" Iris sind die übrigen mehr oder weni-
ger idealen Irisbilder aufgebaut. Unter ihnen beanspruchen das
meiste Interesse die .
Zeichen der Organschäden.
Mit ihnen feiern die Dummheit und die Arroganz der Augen-
diagnostiker ihre höchsten Triumphe. JMan lese und staune:
Die Natur zeichnet die Krankheitszustände des Köipers in den
Augensternen auf zweierlei Weise:
A) Entzündungsvorgängfe in weißen über die Umgebung
sic!i erhebenden Linien, Punkten oder Wolken. (Wahrend diese
Zeichen in blauen Augen immer weiß sind, erscheinen sie in braunen
Augen gelb.)
B) Fluß- oder Katarrhschäden durch tiefer in die iris ein-
gegrabene dunkle Schattierungen bis tiefschwarze Flecken.
Die weißen Zeichen der Entzündung entstehen dadurch, daß
die Nervenfasern der Iris über der Oberfläche hervortreten; die
dunklen Flu6zeichen dadurch, daß von den Itbereinanderliegenden
Schichten der Iris sich eine dieser Schichten nach der anderen ver-
liert, bis dann der schw ar/e Hintergrund sichtbar wird.
Die wcilk'n natürlichen Linien sind von den durch Medikamente
entstandenen leicht zu unterscheiden dadurch, daß die letzteren mehr
verschwommen ganz obenauf liegen, während die elfteren scharf
gezeichnet sind.
Zur lUustrierung dieser unverschämten Behauptungen geben die
Augendiagnostiker Bilder in der Art wie Fig. 11.
Man sieht darin:
A) Entzündungszustände.
1. Reiner Entzündungszustand zur Zeit seines Höhepunktes,
charakterisiert durch rein weiße wo 1 k c ri artige Zeichen. Wird der
Natur in ihrem Heilbestreben durch die bösen approbierten Arzte
kein Hindernis in den Weg gelegt, so verlangsamt sidi der Blutstrom,
die weiße Farbe lichtet sich, und die Orundfart>e der Iris dringt all-
mählich wieder durch. Schließlich verschwinden die weißen Ent-
zündungswolken gänzlich und hinterlassen keine Spur ihrer fräheren
-Existenz (Fig. 11, i).
2. Offener, schlummernder, latenter Schaden, halb hitziger
(akuter), halb schleichender (chronischer) Ziistand, wie z. B. bei
Asthma, Nachtripper, Stockschnupfen. Er entsteht aus dem erstercn
durch naturwidrige Behandlung (Blutentzieliung, Eisbeutel, xWedi-
zin usw.) und wird charakterisiert durch feine weiße, nicht geschlos-
sene Linien. Zwischen denseilien finden sich sdion vereinzelte
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— 72 —
schwarze Zeichen (Fig. 11, 2). Wird der Körper durch die Behand-
hjng eines „Naturarztes'* gekräftigt, so wird der beginnende chro-
nische Zustand wieder zu einem akuten, und es erfolg^ uenesung
und damit Schwinden der offenen Entzündungsscliäden.
3. Oesi:hlossener Schaden. Dieser entsteht aus dem offe-
nen, wenn dem Körper nicht die Oel^nheit gegeben wird, den
Schaden wiiklich auszuheilen. Die dunklen Linien innerhalb des
weißen Organschadens weisen auf den chronischen Zustand hin.
Solche Schäden schmerzen nicht mehr, bleiben aber immer schwächere
Stellen und können Flußschäden werden.
B) Flußschäden sind dunkle Schattierungen, die von weißen
Linien umgeben und durchbrochen sind. Je tiefer, dunkler und je
weniger von Weiß durchzogen diese Schatucrungen sind, um so
bedenklicher sind die Schäden. Bei Flußschäden erster Klasse fiber-
wi^en noch die weißen Heiluqgslinien, in der zweiten Klasse sind
die weißen und schwarzen Linien in gleicher Staike vertreten, wah-
rend in der dritten Klasse die schwatzen Schädenlinien die Oberhand
haben.
Auch bei den Fhißschäden unterscheidet man:
1. offene Fluß Schäden. Die Einschließung durch weiße
Linien ist noch unvollständig (Fig. 11, 4);
2. geschlossene Flußschäden, das sind ganz von weißen
Linien umgebene und durchzogene dunkle bis schwarze Partien
(Fig. 11, 6).
Wie der Name andeutet, können die Flußschäden einen wirk-
lichen Katarrh anzeigen, etwa einen Kehlkopf-, Lungen- oder Blasen-
katarrh. Aber auch bei Geisteskrankheiten findet man Flußzeichen,
und zwar in der ( lehirnpartie Schließlich zeitij^en auch größere
Erschütterungen einer Körperpartie, z. B. durch Fall oder Schlag,
ebenso Verrenlvun£,rcn und Knochenbrüche diese Schädenzeichen. In
solchen Fällen deuten die weißen Linien die Stellen an, wo das Biut
zu Heilungszwedcen ungewöhnlich viel feste Stoffe ablagerte, die
dunklen Flecke die durch das Zerreißen der Adern bedingten Blut-
ergüsse und Stauungen, im Volksmunde „Qeliefer" genannt
C) Tiefschwarze Flecke, in den tiefsten Irisschichten ge-
legen, bedeuten immer einen Substanzverlust. Jeder frische
Knochenbriich hat dieses Zeichen gewaltsamer Ocwebstrenniincr. Da-
her beobachtete Pec/ely im Auqe seiner Eule den schwarzen Strich,
als er ihr das Bein hr;?ch fS. 47). Wenn der Knochenbruch ausheilt
und sich liabei die KaHusbildung einstellt, so ahmt das Auge diesen
Heilungsvorgang nach, indem sich um den schwarzen Fleck herum
ein weißer Hof bildet (Fig. 11,6). Neben den Ursachen traumati-
scher Art sind es Eiterungen, die Oewebstrennungen im oder am
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— 73 —
Körper und damit schwarze Flecke in der Iris erzeugen. Bilden
sich z. B. bei der Lungentuberkulose ausgesprochene Höhlungen oder
Kavernen im Atniungsorg:an, so zeigt die Iris das Vorhandensein
derselben in Form von kleinen Lücken an. Dasselbe geschieht nach
schweren, langwierigen Drüsen-, Nieren-, Knochen- und sonstigen
Eiterungen. Hier handelt es sich stets um einen Sul>.sianzverlust, der
im Auge als schwarzer Fleck zur Darstellung koniint
D) Außer diesen Of;gad8chäden sehen «rir in der Fig. 11 bei 3
noch einen rotbraunen Kratzefleck, und bei 4 mehrere gelbe
Flecken von Medizinvergiftung.
Man weifi bei dieser Beschreibung wirklich nicht, worüber man
sich mehr wundern soll, über die gänzliche Unkenntnis der Anatomie
der Regenbogenhaut und dem absoluten Marinel an jeglicher Be-
obachtung, oder über die dreiste Unversehämtiieit, mit welcher der-
artige Phantasien eines geisteskranken Idioten dem Publikum als
anerkannte Tatsachen serviert werden. Die angeblichen otfenen oder
geschlossenen Zeidien der Organschäden sind, wie wir oben aus-
einandefgesetzt haben, nichts weiter als die ganz natürlichen, oft
massenweise auftretenden Lakunen oder Krypten, die von den Blut-
gefäßen mehr oder weniger deutlich eingefaßt werden. Sie bleiben
völlig unverändert, wie ein wirklicher Beobachter bei jeder akuten
oder chronischen Körpererkrankung alle Tage konstatieren kann.
Es bilden sich weder weiße und schwarze Linien, noch verschwin-
den dieselben im Laufe der Erkrankung. Die angeblich weißen Ent-
zündungswolken, die über der mit der erkrankten Körperstclle korre-
spondierenden Irispartie schweben sollen, and in Wirklichkeit nie
beobachtet worden. Dieser Blödsinn wird einfach kritiklos immer
wieder und weiter nacherzählt; er erbt sich wie eine ewige Krankheit
fort Und auf diesem morsdien und verfaulten Fundament baut sidi
die
Regionenlehre
der Iris auf. Da alle inneren und äußeren Körperorgane Beziehungen
zur Regenbogenhaut haben sollen, so hat die Natur es den Anhängern
der Augendiagnostik zu Gefallen so eingerichtet, daß sich für jedes
Ofgan des Körpers eine bestimmte Stelle in der Iris findet, die als
Signalstelle für die Erkrankung dieses betreffenden Oiganes dient,
und zwar liegen diese Stellen oder „Regionen" auf derjenigen Linie,
di^ von der Mitte der Pupille aus zu dem (»etreffenden Körperteil
hingezogen werden kann.
Die Stirn und der Oberkopf müssen also oberhalb der i^upille
ZU suchen sein, die Fiii^v nach unten, der Nabel nach unten und innen,
Stellen wir uns einmal auf den kindischen Standpunkt der Augen-
— 74 —
diagnostiker und nehmen diese Behauptung als Tatsache an, so
müßten wir auch sofort logischerweise /u dem Schhisse kommen,
daß diese Organielder in den Augen der verschiedenen Alenschen
verschiedene Lagen einnehmen müssen, je nach dem wechsehiden
Augenabstand und dem wechselnden Breitendurdimesser des Körpers.
Bei einem Menschen, der einen Augenabstand von 5 cm hat, muß
z. B. eine nach der Leber gezogene Linie auf der Iris ganz anders
verlaufen, als bei einem Menschen mit 7 cm Augenabstand. Oodi
auf solche naheliegenden Gedanken kommen die Augendiagnostiker
nicht. Gedanken und Logik hassen sie wie die Sünde.
Das rechte Auge ist im allgemeinen für die rechte Körperhalfte,
das linke Auge für die linke Körperhalfte da; doch gibt es hier
(nach Liljequiät) eine Abweichung, da die Harnröhre, Sciieide und
Gebärmutter nur im rechten Auge ihre Repräsentationsstelle be-
sitzen, und nicht zur einen Hälfte rechts und zur andern Hälfte iinics,
wie es bei den übrigen symmetrischen in der JMittellinie des Körpers
gelegenen Teilen, wie Nase, Mund, Kehlkopf der Fall ist.
Das Geschlechts feld besitzt die Eigentümlichkeit, daß sich
über seine Lage die Augendiagnostiker selbst am meisten befehdet
haben. Wenn es die Natur so weise eingerichtet hat, daß für jedes
Organ ein bestimmtes Irisfeld vorhanden ist, das auf die Krankheiten
seines korrespondierenden Kurperteiles mit Wolken, Punkten und
Strichen reagiert, so sollte man doch wenigstens meinen, daß die
Herren, die der Natur ihr Geheimnis abgelauscht haben, auch die
Lage dieser einzelnen Organe in der Iris genau kennen. Aber weit
gefehlt' Die Vergleichung der verschiedenen Schemata (Fig. 12 — 16)
ergibt, daß die einzelnen Autoren über die Lage mehrerer Organe
ganz verschiedene Ansichten haben.
Um nun zu dem Oeschlechtsfeld zurückzukehren, so behaupten
Peczely und Schlegel, im Gegensatz /u Liljcquist, daß das
reclite Auge den medianen Teil des Harn- und Oeschlechtsapparates
repräsentiert, also männliche und weibliche Harnröhre, Scheide,
Uterus. Die beiden Hoden und Ovarien sind auf beide Augen hälftig
verteilt. Auch Thiel, Prager und Lane verl^en das Oebäimutter-
feld in beide Augen. Nach Felke ist es nur im rechten Auge zu
finden; er bezweifelt auch die Annahme einzelner Forscher", in
verschwindend wenigen Fällen sei es sowohl im linken als im rech-
ten Auge zu sehen; nur die Scheide und den Kitzler habe er in der
linken Iris gefunden. Täuschungen sind ausgeschlossen, denn die
Augendiagnostiker irren sich niemals!
Auch über die Lage des Feldes der Speiseröhre sind sidi die
gelehrten Zunftgenossen nicht einig. Nach Liljequist und Lane
liegt dieselbe nur im linken Auge, während die anderen Diagnostiker
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- 75 —
sie in beide Augen verleiben. Nach Felke ist sie im linken Auge
vielfach besser und häufiger zu sehen als im rechten. Abgesehen
von dieser Lage in den verschiedenen Augen gibt es noch Unter-
schiede in dem Lageort in der Iris. Bei Lane liegt die Speiseröhre
Redite Iris. Linke Irii.
Fig. 12. Schema nach P^czeiy.
1. II. in. IV. bezeidinett das rechte laterale und mediale, sowie das Unke mediale md
laterale KOrperviertel.
I. 2. 3. 4. Scbidelviertel (1.
laterales, Z mediales rechtes,
a medUues, 4. laterales linkes
Viertel).
6. 7. Schcilelnähe.
5. a Stirnhälften.
9. 10. 11. 12 Qesichtsvlertel.
13. 16. Ohren.
14. 15. Nasenhalfteo.
17. 18. Schläfen.
19. 20. 21. 22. Kiefervieftel
■(wie beim Schädel).
27. 2H, Miirtdhälften.
39. 40. Kehle.
45. 4tj. Schlund.
47. 48. Lunken.
4Ö. 50. 51. 52, Bruaikorb-
viertel (wie oben).
53. 54. S6. ». Zwerchfell-
viertel.
57. Pylorus.
58. Cardia.
59. Herz
60. Dumle tili III.
61. ti2. u3 M. DUllDdarBI.
65. Blinddarm.
66. 67. Colon tranavera.
68. 69. „ ascendeaa u.
descendens.
70. 71. s. ronaotim.
72. Rectum.
73. Milz.
7J. Lclier
75. 76. 77. 78. Nieren (je die
med. u. lat. Hälfte.
79. 80. Harnbl.nsenhaiften.
81. Harnröhre und Scheide.
82. 83. rechte und linke
Haifte des Uterus.
84 85. Ovarien.
86. ^7. Tubcii.
88. üki. Nabel.
90. 5*1. 92. 93. latcr lc und
mediane Leistengeuend recht.s
und links,
»■t 9:>. 1*1 <»7. Bauchregionen
im lat. u. medialen Sinne r.o. L
96. IUI. liuKgcgend.
99. IOi>. Becken.
102. 1(13. Lenden.
104. äußere HMIfte d. r. u.
Extremität.
lÜS. innere Hälfte dersdben
d. Miltelzehe
c. Fuß
b. Knöchel
a. Knie
e. Oberacbenkelkopf.
106. innere Hllfte d. I. u.
Extremität
d, c, b. a, c wie rechts.
107 äufSere HSlftc d 1, u.
Cxtreniitat
108. rechte obere Extrem.
c. .Wittelfinger,
e. Hand
b. HandwurzeL
a. Ellbogen.
d Humcruskopf.
Hl!', linke obere Extremität
c, e, b, a, d wie rechts.
HO. 115. Schuttern
112. 122 Rippen
113. 114. r. II, 1. Brustbcin-
bälfte.
116. 117, r u 1. Kückgrat-
bälfte
118. 119. r. u. I. Hode.
Die hier oiclit erldArten Nunaieni beziehen sich auf rflckseitige Körperteile.
oberhalb der Horizontallinie, bei den übrigen Diagnostikern unter
derselben.
Aber derartige kleine Raumunterschiede genieren auch nicht
weiter. Jeder hat mit seiner Behauptung recht, denn die Augen-
diagnose ist untrüglich!
Das Schulterfeld liegt bei P6czely und Schlegel am peri*
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- a *• « .* ,S -i S c 3 ^
«
3s I
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— 78 —
pheren Ende des horizontalen Meridians, bei Liljequist, Thiel,
Prag er und Felke nach oben und außen. Lane kennt dieses Feld
überhaupt nicht. Aber jeder hält jeden Irrtum für ausgeschlossen,
denn die Augendiagnose trügt niemals!
RecWelris
1. Pupille; deren Rand ist
die Innere BcKrcnzung des
Nervengefleclites der his
2. Magen. A vordere, B hin-
tere Atagcnwand; C Magen-
eingang; P Magenausgang
oder Pförtner (Pvloriisi.
8 — ■ .'■) 1 A lind •) - 51
r. A. niinndarni und zwar
8—5 Zwülffingerdürm (Uiio-
denum); von 4 9 l.eer- und
Krummdarm ijujunuin, Iliunii.
9 lU r. A. Blinddaim
(Coccum) mit dein wurmlör-
migen Anhang l Appendix ver-
miformis).
10 ' — - 3 r. A. Aufsteigen-
der Tlü iits Grimmdannct
(Colon ascL-ndens).
3 <— > 4 r. A. und 5 - • 6
1. A. Quergrimmdarm (Colon
tnns.versum).
6<-> 7 I. A. Absteigender
Teil des GrimsMlaraies (Colmi
descendens).
T<— >8 I. A. S>nniiiger
Teil des Grlnndannes (S ro-
manum, Flesan sicmoidea).
II. Oberer Sdddä, groSci
Hirn (Cerebrnm).
Rechtes Aage: Gc-
Fig. 15. Schema nach Lane.
schlechls- und GemOtslebeiii
Hysterie.
»/,, Linkes Auge:Nervenza-
stände, Ohnmacnteilt Schwin-
del. Fallsucht.
12. Seiten- und Hinterkopf,
kleines Gehirn (CereblUlum).
13. Ohren.
14. Hals.
15. Achsel.
16. Vorderkopf. Stirn und
Schläfe.
"',«. Rechtes Auge: Wille.
>* u. Linkes Auge; Veratand.
17. AuKC.
18. Wange.
11). Nase.
20. Mund.
21. r.A. ABC urd I.A. AB
Bronchien, die Verästelungen
von D Luftröhre in die Lun-
fen. XSctoilddmse. BKebl-
qpf.
22. Nur fm linicen Aiife:
Speiserobre.
23. Nur im linlL Anns: Herz.
7/k. Oberer Rilclien,B Schul-
terblatt
25. Unteier Rücken, A bis C
Rilcfccrat C Steißbein (Coc-
Unke Irls
26. Blase; linltes Auge: N
Nabel.
27. Rechtes Auge: A Harn-
röhre, B rechter Hoden, U Ge-
bärmutter, V Scheide. Linkes
Auge: A After (Anus), B lin-
ker Hoden, A-8 Mastdarm
(Rectum).
28. Nieren.
Fuli,
31). Si hr nkelheuge. Leisten;
bei Lcistenbruuli liL't;t das
Zeichen mehr nach Partie 31
zu; bei Leistengeschwulst
(z. B. Bubo) licet das Zeichen
mehr nach Partie 2*» zu.
31. Hüfte, K erstock.
32. Zwerchfell, Bauch.
33. Rechtes Auge: A Leber,
B Galle, P Bauchspeichel-
drüse (Pancrcas). — Linkes
Auge: Milz.
34. Arme.
35. Brustkasten, Brustfell,
Rippen; a Brustwarze.
36. Lunge. Rechtes Auge:
A, B, C oberer, mittlerer u.
unterer Luneenlappcn. Lin-
kes Auge: A, B. ooerer und
unterer Lnngenlappen.
Das Feld des sympathiscli cn Nervensystems hegt, wie
schon erwähnt (S. 56), bei den meisten Diagnostikern innerhalb
des Magendarmringes, bei Liljequist außerhalb desselben.
Die vordere Wand des Magens liegt bei Liljequist in der
unteren Hälfte des Magenringes, die hintere Wand m der oberen
Hälfte; bei Lane und Felke ist das Umgekehrte der Fall.
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- 79 —
Das Feld des Blinddarms, das von P^czely und Schlegel
noch reclit ungenau gezeichnet ist, liegt bei Liljequist zwischen dem
1600 und 1700, bei Thiel und Prager zwischen dem 150 ^ und 140
Ut l
1 ■
Rechte Iris.
P. Pupille (Um dle-
•elbr: SynipaÜi.Nefv«n-
■ V-V. VonlcreMxKeii-
wand.
H-H. Hintere Magen-
wand.
A. Ausgang d.Megcas
(PÜrtner).
3- 4. Leer- u, Knimni-
danr.
4- 5. Blinddarm mit
Wurmfortsatz.
5- 6. Aufsieigeoder
Grill) rtuiortti.
f)-:i Qiitriirimmdafm
(rechte Hallte).
G-Q. Orobhirn und
Schadeldach (r. H )
W. Wille.
Sti. Schi, rechte Stirn-
haifte und r. Schlafe.
Au. rechtes Auge.
Na. r. Nasenhälite.
Ok. rechter Ober-
kiefer.
U. recht. Unterkiefer.
R. Rachen.
I, 2, 3. Bronchien.
Schi. Schilddrüse.
Lf(. K. Luftröhre,
Kehlkopf.
Sp. SpeiiefObre.
Pig. 1& Schema nadi Felke.
Linke Iris.
o.
m.
u.
St. Steißbein.
El. Blase.
Ur., r. H. UrinrShr^
rechter Hode.
Ut. Uterua fOebSr*
mutlrri
r. N : I echte Niere.
B-B. rechtes Bein.
r. Lei rechte Leiste.
u. Bell unter Bauch.
r. E. recht, Eierstock.
V. Haiichspeiclul-
driise
ü B, oberer Bauch.
V. Ualleiiblaae.
Le. Leber.
r. A. rechter Arm.
Zw. ZwerchleU.
Bk. Brustkorb (rechts)
a rechte Brustwarze.
Brf. lirustfelMrecht»).
u.J unter. / '^PP««-
r. Sch. rechte Schulter.
r.H. rechte Halshälfte.
r. O. rechtes Ohr.
kl. G. kleines Gehirn.
& O. Hy. Sexual- und
Qenlltsleben, Hysterie.
P. Pupille (Um die-
selbe: Sympath. Nerven-
system).
V-V. Vordere Magen-
wand.
H-H. Hintere Magen-
wand.
JB. Elnuani; z. Magen
(MaKenmund).
1- 2. Zwölffingerdarm.
2- 7. Quergrinimdnrm
(linke Halftei
7- 8. Absteif^'ender
Grini nul.iriii.
8- 1. S formiger ürimni-
darm.
0-0. Großhirn und
Schädeldach (I. H).
N. Sch. F. Nervcnzu-
stände. Schwind.. Falls.
kl. O. kleines Gehirn.
1 O. linkes Ohr.
1. H. linke Halshaifte.
I. Sch. linke Schulter.
o \ I oberer^ Lungen-
u./ • unter. / läppen.
□ D □ □ Herz.
Brf. Brustlell (links).
□ linke Brustwarze.
Bk. Brustkorb (links).
Zw. Zwerchfell.
L Ar. Unker Arm.
MI. Milz.
0. Bell, oberer Bauch.
1. B. linker Eierstock,
u. Bch. unter. Baaciu
1. L. linke Leiste.
B-B. linkes Bein.
1. .Ni. linke Niere.
Sch. Sclieide.
K..L Ho. Kitzler, tinker
Hode.
a After.
Ma. Mastdarm.
Bl. Blase.
St. Steißhein.
u / unter. jC'"»'«)-
Sp Speiseröhre.
K Lft Kehlkopf,Lntt>
rühre.
1, 2. Bronchien.
Seil. Schilddrüse.
F', ri'.ichen.
U. linker Unterkiefer.
Ok. linker Oberkiefer.
Na. linke Nasenhälfte.
Au, linkes Au^e
Sit. Sclil, linke Stirn-
hälftc u. linke Schläfe.
V. Verstand, Denk-
kraft.
Lane und Felke machen keine genauen Angaben über seine Lage.
Aber trotz allccjeni, Iceiner täuscht sich jemals, jedem gibt die Augen-
diagnose recht!
Über die Lage des Herzfeldes drückt sich Liljequist sehr
vorsichtig aus, denn „wahre Heizleiden sind sehr selten''.
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— 80 —
Die räumliche Trennung des Schuiterteldes von dem Arm-
feld hat nicht einmal einem 1 hiel einleuchten wollen. Ihm sind
„mehr und mehr Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellung** ge-
kommen.
Ober die Bedeutung der Zeichen, die im Lungenfeld auftreten
können, äußert sich Liljequist selir zuversiclitlich: „Wenn man
mir eine einzige Person zeigen könnte, welche an der Lungenschwind-
sucht leidet, ohne ein Zeichen an den Steilen zu haben, welche ich
für die Lungenzeichen festgestellt habe, so will ich mich nie mehr mit
der DinLniose aus den Augen befassen/* Weniger zuversichtlich
druckt Sich sein Oesinnuntr'^bruder Schlegel aus: „Entzündungen
parenchymatöser (d. h. vveielier, saftreicher) Organe scheinen sich
weniger merkUch anzuzeigen. Chronische Lungen- und Herzaffektio-
nen bieten in cHeser Richtung für mich noch viele Dunkelheiten und
Zweifel."
So viel über die abweichenden Ansichten der einzelnen E>iagnosti-
ker, von denen jeder einzelne behauptet, sein Augenschema sei das
einzige richtige. Über die Lage der übrigen Organe herrscht mehr
Übereinstimmung. Wir wollen ^ie nicht alle einzeln durchnehmen,
ein Blick auf die beigelügten iateln genügt, um sich sofort darüber
zu orientieren. Das Magen- und Darmfeld, den Hautkreis und die
Krampfringe haben wir schon gründlich erörtert. Interessant ist es,
daß die Augendiagnostiker auch ein Augenfeld kennen. Um zu
erkennen, ob ein Auge gesund oder krank, ob es blind oder sehend
is^ brauchen sie nicht wie die ^wohnlichen Augenärzte das ganze
Organ gründlich ZU untersuchen; ein Blick auf das winzige Augen-
feld sagt ihnen alles. Irrtum ist ausgeschlossen!
Die Diagnostiker kennen ferner eine Anzahl von Organen, die
den Ärzten, trotz der vielen Sektionen, die an Leichen gemacht wer-
den, noch gänzlich unbekannt sind, so ein Orpfan des Willens
und ein Organ des Verstandes; sie kennen einen Sitz der Hysterie,
des Sexual- und Gemütslebens, der Fallsucht und des Schwin-
dels. Letzterer dürfte in den Regenbogenhäuten der Vertreter
dieser köstlichen Wissenschaft besonders deutlich ausgeprägt sein.
Dagegen habe ich vergeblich nach dem Sitz des Bauchfells und des
Netzes gesucht. Eine Bauchfellentzündung und einen Netzbruch
scheint keiner der unfehlbaren Augendiagnostiker zu kennen.
Da die mann liehen Oenitalorgane im rechten Auge denselben
Platz einnehmen, wie die weiblichen, so würde es mich im höch-
sten Orade interessieren, zu erfahren, wie die Herren Augendiagnosti-
ker es fertig bringen, eine Erkrankung der Harnröhre von der der
Scheide zu unterscheiden. In ihrer Praxis ist dieses ja sehr leicht,
denn so borniert sind sie ja doch nicht, daß sie nicht wissen, wie ein
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— 81 —
Mann oder eine Frau aussieht Aber darum handelt es sich bei der
„wissenschaftlichen" Augendiag^nose auch gar nicht. Nur aus der
Betrachtung; des Oeschlechtsfeldes in der Iris allein soll man dies
Kunststuck lertig bringen können. Ich habe in meinem Buche über
den „bösen Blick" nachgewiesen, daß es ganz unmöglich ist, nur
aus dem Anschauen des Auges selbst zu erkennen, ob man es mit
einem männlichen oder weibUdien Individuum zu tun hat Ich be-
zweifele daher um so mehr, daß die Herren Diagnostiker dieses
schon durch Begutachtung eines kleinen Irisstückes vermögen.
Selbst dem unwissendsten Augendiagnostiker dürfte es bekannt
sein, daß einzelne Organe niemals im völligen Ruhestande sind : Die
Augenlider heben und senken sich, der Mund öffnet und schliefU sich,
der Brustkorb hebt sich bei jedem Atemzug, das Herz zieht sich zu-
sammen und dehnt sich aus, der tJarm ist in fortwährend er Be-
wegung, so daß ein einzelner Teil bald auf der rechten, bald auf
der linken Körperseite liegen kann. Bei diesem fortwährenden Lage-
wechsel der Organe müßte nach der augendiagnostischen Theorie
audi eine fortwährende Verschiebung der Qrganfelder im Auge ein-
treten, ja es müßte sogar beim Darmfeld ein Stück bald im rechten
und bald im linken Auge repräsentiert werden. Vielleicht haben die
Herren Augendiagnostiker auch dieses „beobachtet". Erzählt haben
sie es bisher noch nicht, aber \ielleicht erklären sie sich in
Zukunft bereit, meinen Wissensdurst zu stillen.
Ich möchte auch sehr gerne wissen, wie die Organfelder im
Auge verteilt sind, wenn es sich um einen sogenannten Situs trans-
versus handelt» d. h. um die Umkehrung der Lage der Brust- und
Baucheingeweide oder beider zugleich. Sämtliche Organe, welche
normalerweise nach rechts liegen sollen, liegen in diesem Falle nach
links und umgekehrt. Das Herz z. B, Hegt beim Situs transversus
in der rechten Brusthälfte, die Leber und der Blinddarm in der linken
Bauchseite. Machen die Organfelder in der Iris diese Umkehrung
auch mit, oder nicht; und wenn sie diese Verwechselung mitmachen,
woran erkennt man dies? Ober diese sehr wichtigen Fragen schwei-
gen sich die Augendiagnostiker völlig aus, und bei der Probe BXds
Exempel versagen sie natürlich, (cf. weiter unten die 11. Diagnose
von Felke.) Wissen sie keine Antwort darauf, oder ist es ihnen bis
zum heutigen Tage etwa noch unbekannt geblieben, daß ein der-
artiges Spiegelbild der Eingeweide gar nicht so selten wirklich vor-
kommt^
Und wenn alle diese Fragen in befriedigender Weise beantwor-
tet sind, möchte ich auch noch wissen, mit welchen zauberhatten
Mitteln diese Hexenmeister es fertig briiiucn, mit mathematischer
Sicherheit die genaue Lage der kleinen, diclil aneinandergedrängten
Seligmann, Augendiagnose. 6
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^ 82 —
Organfelder anzugeben. Die menschliche Iris hat einen Durchmesser
von 12 mm (bei einem mittleren Pupillendurchmesser von 1 mm),
und auf diesem, winzigen Gebiete liegen ca. 40 verschiedene Or^an-
felder, die hei dem unaufhörlichen Pupillenspiel (die Pupille wird
bekanntiiüii bei stärkerer Beleuchtung und beim Sehen auf einen nahen
Gegenstand enger, bei schwächerer Befeuchtung und beim Sehen
in die Ferne weiter) natürlich fortwährend ihre Lage wechseln müssen.
Durch einfaches Betrachten mit bloßem Auge oder mit der Lupe
kann man nur eine ungefähre Ortsbestimmung geben, aber niemals
eine absolut genaue, davon kann sich jeder Laie sofort überzeugen,
wenn ei einmal versucht, irgend einen auffallenden Fleck in einer
beobaciiteten Iris genau zu lokalisieren und anzugeben, zwischen
welchen Winkelgraden derselbe liegt. Das geht einfach nicht. Un-
gefähr ja; genau, selbst bei großer Übung — und diese haben
doch die Augendiagnostiker ni^ ihra- Aussage — nein! Dazu bedarf
es sehr fein konstruierter optischer Hilfsmittel» die die Herren Dia^
gnostikor natürlich nicht besitzen, und von deren Bau sie sidi gar
keine Vorstellung machen können. Aber sie sind so felsenfest von
ihrer Kunst und ihrem Können durchdrungen, daß sie, wie der Reiter
über den Bodensec, sich vollkommen und unbewußt über solche
Schwierigkeiten hinwegsetzen und lustig darauf los diagnostizieren.
Warum auch nicht? Niemand kontrolüert ihre Diagnosen, und die
Dummköpfe, an denen sie ihre Kunst ausüben, glauben alles, was
ihnen in so mystischer Weise prophezeit wird.
Es kommt sogar vor, daß manchmal eine Diagnose wirklich
stimmt, und das ist ganz selbstverständlich. Betrachten wir einmal,
wie diese Herren zu Werke gehen. Sie haben einen Patienten mit
total zerklüfteter Iris vor sidl, die Organzeichen liegen dicht neben-
einander. Also leidet er an 1. Magen, 2. Grimmdarm, 3. Dünn-
darm, 4. Unker Lunge, 5. linkem Brustfell. 6. Brustkorb links, 7. lin-
kem Arm, 8. Milz, 9. Zwerchfell, 10. IJntcrhauchgegend, 11. linker
Hütte, 12. linkem Bein, 13. Hnker Niere, 14. Hodensack links, 15. Mast-
darm, 16. Blase links, 17. Rücken links, 18. Speiseröhre, 19. Magen-
mund, 20. Luftröhre links, 21. Luftröhre rechts, 22. rechtem Bein,
23. rechter Niere, 24. Harnröhre, 25. Blase rechts, 26. Rücken redits,
27. rechter Hüfte, 28. Leber, 29. rechtem Arm, 30. Brustkorb rechts,
31. rechter Lunge, 32. rechter Achsel, 33. linker Achsel, 34. linkem
Ohr, 35. Gehirn, 36. Gesicht.
Diesen ganzen Diagnosenzettel hat Pastor Liljequist wirklich
bei einem Großhändler S. in Trondhjcm gestellt. Sechs Monate darauf
starb dieser, ob aus Angst vor diesen vielen Krankheiten oder aus
einer anderen Ursache, wird nicht angegeben. Der Pastor glaubt
natürlich, daß seine Diagnosen richtig gewesen sind, und es mu8te
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— 83 —
auch wirklich sehr sonderbar zugehen, wenn der doch offenbar
sdion todkranke Patient von diesen 36 andiagnostizietten Krankhet-
ten nicht wirklich eine 'oder die andere gehabt hätte.
Nicht nur bei Liljequist, sondern auch bei allen anderen
Augendiagnostikern kann nnn die Beobachtung machen, daß sie
mit Vorliebe möglichst viele Krankheiten einem und demselben
Patienten andichten, und dieses reichhaltit^e Menu ist durrh ihr s^MU/es
System begründet. Bei einer so großen Auswaiil wird dem i'aiicn-
ten immer eine Krankheit einfallen, die er wirklich einmal gehabt hat,
und damit ist der Ruhm des Augendiagnostikers begründet Nur
von der einen Prophezeiung, die zufällig eingetroffen ist, wird ge-
sprochen; von den vielen übrigen, die nicht stimmten, wird nicht
viel Aufhebens gemacht. Das ist Geschäftsprinzip auf der einen
und Wundergläubigkeit auf der anderen Seite
Etwas anders verhalten sicli die Augcndiat4iiostii<er, wenn ihre
Patienten zwar viele Zeichen im Auge haben, sonst aber ganz ge-
sund sind und nur iruher eijunal irgendeine Krankheit durchgemacht
haben. Dann hat für sie nur das Zeichen Geltung, das sich gerade
an der betreffenden IrissteOe befindet. Alle die vielen übrigen Organ*
Schädenfiguren sehen sie nicht oder wollen sie nicht sehen. Sie
tun so, als wären sie nicht vorhanden. Ein solches Gebaren zeigte
Pastor Felke, als wir Sachverständige vor Gericht ihn auf die vielen
Zeichen in dem Auge eines Patienten aufmerksam machten, der an
Bhnddarmentzündung gelitten hatte. In diesem Falle hatte Felke nur
für das Blinddarmzeichen Interesse; alle übrigen Zeichen erklärte er
für wertlos.
Es ist genau dieselbe Methode, die einen Liljequist veranlaßte,
seine interessanten Studienbilder zu zeichnen. In ein und dasselbe
Irisbild praktizierte er die Organschädenzeichen der verschiedensten
Patienten hinein. Was bei oberflächlichem Hinsehen als das Iris-
bild eines kranken Menschen imponiert, entpuppt sich bei genauerem
Studium als ein Mischmasch der verschiedensten Krankheitsbilder.
So sind in ein Irispaar nicht weniger als 10 verschiedene Krankheits-
bilder der verschiedensten Patienten eingezeichnet Man sieht vorn
Patienten A die Zeichen der Fallsucht und des Ohrenflusses; vom
Patienten B die Schäden der Luftröhre, Speiseröhre, des Rückens,
linken Schulterblattes, der rechten und linken Rippen; vom Patien-
ten C den linken Eierstock und Krampf zeichen ; vom Patienten D einen
Buckel, Knochenfraß am rechten Bein, Zeichen der Leiste und der
rechten Hüfte; vom Patienten E eine Scheidenoperation, weißen Fluß
und Gebärmuttersenkung; vom Patienten F starke Kunstentzündung
durch Doktorengifte, Druckgefühl im Hals und Gehirn; vom Pa-
tienten O einen linken Oberschenkelbruch; vom Patienten H Leber-
6*
- 84 —
zeichen, Ohrenfluß, Quecksilberrand, Anschwellung des aufsteigenden
Teiles des Giimmdarmes, geschlossenen Schaden im mittleren rech-
ten Lungenlappen und Entzündung in der Lungenspitze; vom Pa-
tienten I die Zeichen von Abulie, Willenlosigkeit, Wahnsinn und
vom Patienten K Krebsgeschwulst und Entzündung im Magen.
Wie in diesen zehn Fällen die Regenbogenhäute der verschie*
denen Patienten wirklich ausgesehen haben, davon bekommt man
keine blasse Ahnung. Die Zeichen, die den Herren Augendiagnosti-
kern gerade passen, die werden gezeichnet, auf den übrigen Teil der
Iris wird nicht die geringste Rück-^icht genommen. Das nennen ein-
zelne Leute „im guten Glauben handeln''; ich nenne es „absicht-
lichen Betrug".
• Um nun dem Leser einmal zu zeigen, wie ein solches von den
Augendiagnostikem gezeichnetes Bild der Organsdiäden aussieht,
habe ich die Fig. 17 entworfen. Dieselbe enthält alles Charakte-
ristische, was die Herren anzugeben wissen, und kann als ein Para-
digma ihrer Kunst gelten. Ein Vergleich mit den naturgetreuen Regen-
bogenhäuten der Figuren 5, 7, 9 sagt mehr als alle Worte.
In unserem Paradigma eines rechten Auges sehen wir
1. die schwarze Pupille von einem deutlichen Magenring um-
geben, in demselben oben zwei helle Entzündungszeichen und
unten rechts das Zeichen des iMagen krebs es.
2. Um den Magenring herum liegt das fast viereckige Darm-
feld, auch dieses zeigt verschiedene Entzündungszeichen oder Darm*
geschwilre.
3. Im oberen Teil des Darmfeldes finden sich zwei Wurm-
nester, weiße Felder mit dunklen Punkten, die die Anwesenheit
von Würmern im Danne anzeigen.
4. Die rechte untere Ecke des Darmfeldes zeigt eine schwarze,
starke Ausbuchtung, ein Zeichen, daß die Bauchspeicheldrüse
(Pankreas) stark geschwollen ist. Im Verein mit
5. der Erkrankung der Leber (zwischen 120<> und 150*^);
6. der Erkrankung der Niere (bei 190^);
7 der Erkrankung der Blase (bei 240^) und
8. der Erkrankung der Milz (die liier nicht gezeichnet ist, weil
sie sich nur im linken Auge offenbart), wird durch dieses Zeichen
ausgedrückt, dali Zuckerharnruhr besteht.
9. Der Darmring ist von einer feinen gelben Linie eingeschlossen,
dem Zeichen der St rychnin Vergiftung.
10. Vom Darmring fächerförmig ausstrahlend zwischen 150^ und
1800 sieht man das weiße Zekhen der akuten Blinddarment-
zündung.
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- 86 —
11. An der rechten Seite bei 90^ eine noch 2ienilich frische
offene Lungenentzündung im unteren Lappen.
12. Darüber im mittleren Lappen eine ausgeheilte geschlossene
Lungenentzündung.
13. Linlcs oben bei 330** ist das Zeichen einer Augenerkran-
kung.
14. Darunter ein Zeichen, welches vorstellt, daß Polypen aus
dem Nasenrachenraum entfernt worden sind.
15. Das Rückenfeld zwischen 2700 und 240^ zeigt an, daß dort
zahlreiche Geschwüre aufgetreten sind.
16. Die Peripherie der Iris wird von einem dunklen Saume ein-
gefaßt, dem Hautring.
17. Am oberen Irisrand findet sich der bläuliche Quecksilber-
ring.
18. Konzentiisch mit dem iiaulnng verläuft der breite weiße
Verkalkungsbogen.
19. Innerhalb und außerhalb dieses Bogens, namentUcfa in der
rechten Irishälfte, sieht man mehrere Krampf ringe.
20. Am linken Ziliarrande der Iris sieht man eine helle Zickzack-
linie, die mehrere drei- oder viereckige „Häuschen" mit dunklen
Punkten auf hellerem oder dunklerem Hintergrund begrenzen; es
sind dies Zeichen der Skr( ph iilose.
21. Zwei braunrote Flecke innerhalb des Verkalkuii^sbogens
zwischen 270^ und 300^ sind Zeichen der erworbenen Krätze.
22. Einige weiße Flecke zwischen 30^ und 90^ sind Arsenik-
oder Rheumatismuszeicfaen.
23. Sehr interessant ist das blaue Zeichen in der Beingegend.
Es fand sich nach Peczely in dem braunen Auge eines Kindes, bei
weichem die Aufhellung (cf. S. 64) begonnen hatte. „Die Stelle ent-
spricht topographisch dem Unterschenkel, an welchem zur Zeit der
Zeugung dieses Kindes dessen Vater an einem chronischen Haiit-
geschwür „mit reinigender Bedeutung" gelitten hat. Die Wirkung
dieses Umstandes prägt sich nun im Kindesauge aus. In der blauen
Farbe dieses Iristeiles ist noch ein dunkleres keilförmiges Zeichen
zu sehen, welches der FuSwunde des Vaters entspricht" Kommentar
dazu dürfte wohl überflüssig sein!
24. Nicht minder schön ist das Zeichen der Figur bei 2100. Es
stellt eine Rückwärtsverlagerung der Gebärmutter in einer
Deutlichkeit dar, wie man sie sich schtincr gar nicht vorstellen kann.
25. Von diesem üebärmutter/eichen aus pupillenwäris zieht eine
Linie, durchbricht das sympathische Ner\ensvstem und setzt sich
oberhalb der Pupille weiter fort, um dort in der Region der Oe-
schlechtsperversitäten zu enden. Der Zusammenhang ist doch
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— 86 —
ganz klar! Einerseits das Gebiet der Sexualorgane und andererseits
das Gebiet der Geschlechtssphäre im Kopfgebiet und dalui beide
Gebiete durcJi eine Linie verbunden. Bequemer icann es doch die
Natur den Augendiagnostikem nicht madieiL
26. {Deutliche Photographie eines Hufeisens in der Rippen-
gegend. Der betreffende Patient erhielt infolge eines Hufschlages
verschiedene Rippenbrüche, und die Folge davon war — daß sich
das Hufeisen des Pferdes in der Iris des Verletzten abphotographierte.
So behauptete Pec7el\'. Pastor Felke aber neidete seinem phantasie-
vollen Lehrmeister eine solche her\orragende Diagnose und schrieb
sich ohne weiteres selbst derartige Beobachtungen (natürlich in der
Mehrzahl) zu. Ist dies immer nocii „guter Glaube" oder nicht viel-
mehr bewußter Betrug?
1) Odstrahien.
Wir wollen dieses Kapitel lucht schließen, ohne nocli mit einigen
Worten der mystischen Odstrahien zu gedenken, die bei mandien
Augendiagnostikem eine so große Rolle spielen^) (cf. S. 45). Einer
dieser Herren schreibt: „Daß Liljequist die Magenpartie direkt in
den inneren Ring rund um die Pupille verlegt, bedeutet einen großen
Fortschritt, aber auch noch einen großen Mangel, wie meine Unter-
suchungen vielfältig ergeben. Würden beide-) genauer das Abhängig-
keitsverhältnis der Organe untereinander, die Polgesetze des Leibes-
vvachstums, die Odzentrale, die Polenachsen usw. gekannt haben,
so wären sie höchst wahrscheinlich nicht so sehr von dem Zufall der
Erfahrung abgelenkt worden." Und an einer anderen Stelle heißt
es: „Woher die Farbe der Regenbogenhaut? Farbe ist Licht, Licht
ist Schwingung, Schwingung ist Kraft» Kraft im Menschen ist Od.
Die Augenfarbe ist sichtbar gewordenes Od, wie sehr sensitive, d. h.
nervenfeine Personen um jeden Menschen ein bestimmt gefärbtes
Odiicht erblicken. Auch wir gewöhnliche Menschenkinder gewahren
dieses Odiicht, aber nur in seiner fleischlichen Polgrenze als Haut-
farbe. Wie sehr dieses Menschenodlicht vom Weltodlicht für uns
von der Sonne abhängt, beweist die Färbung der Haut vom sonnig-
sten Braun bis zum kellerdumpfesten Weiß, aber auch die ver-
schiedene Rassenfärbung. Es ist nicht Zufall, daß diese Pigmentfarbe
nicht nur Haut und Haare, sondern auch die Regenbogenhaut je nach
Rasse, Vererbung, Gesundheit, Jugend, Wohlgefühl verschieden maft.
Während aber Haut und Haare vorwiegend Od hinausstrahlen (man
0 Über die Bedeutung desselben in der Geschichte des bösen Blickes
cf. Bd. L 179, 195, 200, 241. Bd. II. 427-428.
*) Uljequist und Schlegel
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— 87
kennt (Jas Elcktnschwerdeii von Haaren, Fellen, flaut durch Streichen,
so daß so^ar in dunklen Räumen Funken blitzen), muß bei der Regen-
bogenhaut neben der anziehend oder abstoßend wirkenden üdaus-
strahlung eine sehr starke SeitensArahlung in der Riditung der Augen-
' radspeichen von der Zentrale des PupillenschlieBmiiskels nach der
Peripherie, nach dem Augenradreifen, statthaben, was durch die stern-
förmig auscinandersiMrießenden Fasern erklärlich ist".
Man sollte kaum meinen, daß dieser Unsinn noch übertroffen
werden kann. Und doch ist dies der Fall. Man liöre, was der Ver-
fasser des Felkcbuches, der Lehrer Andreas Müller, schreibt: „Die
Darstellung Thiels, die von Carl Huter (cf. S. 45 Anm.) entdeckte
Lebensstrahlkraft „Helioda'* sei das Reichenbachsche Od, ist eine
falsche und unhalfl>are, da Huter das Vorhandensein der Helioda-
energie nicht nur im Auge und in der Iris, sondern auch in allen
Lebensorganen und in den Zellen selbst nachgewiesen hat, tuid sie
sich als eine vom Ode völlig getrennte und selbständige Lebens-
energte und Lebensstrahlkraft charakterisiert. Thiel hat also durch
seine einseitigen Oddarstellungen, die sich vielfach in Widerspruch
mit Reichenbachs Forschungen selbst befinden, Ungenauigkeiten in
die Irisforschung hineingetragen. Huter dagegen entdeckte eine
Lcbensstrahlkraft, Helioda, welche die oberste Riclitkraft über alle
übrigen vorgefundenen Kräfte, wie Wärme, Od, Magnetismus, Elek-
trizität usw. ist und die eigentliche Lebenskraft darstellt Er fand
ferner die ätherischen Zwischenstoffe oder Mutterstoffe der chemi-
schen Materie, die er „Medioma" nannte, und unterschied eine harte
und eine weiche Medioma. Er fand dann drei Irisschichten, in deren
unteren sich die chemische, in der mittleren die mediomischc und in
der oberen die lieiiodisehe Kraft besonders äußert, und diese Kralle
bewirken außer der Erzeugung der Iriszeiehen bei Krankheiten und
Verletzungen aucli die veränderte Farbe und den besonderen so-
genannten seelischen Ausdruck der Augen (cf. S. 11). In seinen
weiteren Forschungen fand Huter nach und nach die gesamten
Achsenbogen aller wirkenden Kräfte und die polaren Zusammenhänge
der verschiedenen Organe untereinander und schaffte somit einen
Kanon über die Iris der menschlichen Augen, der, was praktische
und theoretische Forschung anbetrifft, das vollkommenste darstellt,
was auf diesem üebiete bisher geschaffen worden ist.**
Ich erinnere mich nicht, in meinem ganzen Leben einen größeren
Blödsinn gelesen zu haben.
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Kapitel III.
Resultate der Augendiagnose.
Die bisher tiieoretisdbi begründete Haltlosigkeit der ganzen Augen-
diagnose findet ihre Bestatigüiig in den Resultaten der praktischen
Ausübung derselben.
Wissouschaft. Um mich /u überzeugen, was praktisch dabei
herauskommt, wenn man seine Patienten nach allen Regeln der Kunst
augendiagnosliscli untersucht, schlug ich folgendes Verfahren ein:
1. Zuerst wurde der objektive Iri^befund aufgenommen und
niedeige8chrid>en.
Z Darauf wurde die Diagnose nach dem Irisbefund gestellt
3. Und schließlich wurde dtr Patient nach seinen vwschiedenen
gegenwärtigen oder vergangenen Leiden, Beschwerden, Schmerzen,
Verletzungen usw. genau befragt und, wenn angängig, daraufhin
körperlich untersucht. Zu bemerken ist dabei noch, daß es '^ich bei
allen meinen Patienten nur um Leute handelte, die mich irgendeines
Augenleidens wegen aufsuchten. Alle übrigen Körperleiden waren
daher nur zufällige NebenbefunUc. Die nachstehend verzeichneten
Fälle sind andi nidit ausgesudi^ sondern wahllos nach Zdt und Um-
ständen untersucht worden.
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— 89 —
TabeUe I.
Name
IIS
8 II I'
Irisbefund
R. = rechte Irii
L. «blinke tri«
!. E, W.
w.
55 Beiderseits braune
: IS
2. A. S.
w.
3. A. K.
m.
4. A. K.
5, F. St.
w.
6. C. B.
w.
L. Kleiner schwarzer
Punkt in der oberen
Baucbgegend.
Schwach, nervös
und empfindh'ch.
L. Substanzver-
lust in der Beuch-
gegend.
30 Bdsts. braune Iris.
Bdsts. Kontraktions»
furchen.
R. Kleiner schwar-
zer Punkt in der
Halsgegend.
L. Kleiner schwar-
zer Punkt in der Ge-
bärmuttergegend.
75
Schwach, nervös
und empfindlich.
Krämpfe
R. Substanzver-
lust, Operation
am iialse.
L. dito an der
Gebärmutter.
Kurzsichtiglcelt
Ganz gesund, keine
Spur von Nervosi-
tät Hat vor kurzem
eine Operation we-
gen üebärmutter-
senkung durcbge-
maciit
Kurzsichtigkeit.
Kerngesund, abge-
sehen von einer
früheren, leichten
Lungenentzündung,
nie Kranit gewesen.
w. 138
24
Bdsts. blaugraue
Iris, Iriskreise wenig
ausgeprägt. Feine
und dichte Zeich-
nung der Iris
Starker ' Greisen-
bogen.
Bdsts blaue Iris i
ohne hervortre-
tende L.akunen oder
Striche.
Gesundheit
Verksdkuns^ng.
Gesundheit
Beginnender grauer
Star.
Leidet an Rheuma-
tismus, Magenka-
tarrh und rechtssei-
tigem Leistenbruch.
i R. Hornhautge-
I schwflr.
. Ausgedehnter Qe-
I Sichtslupus. Starke
Nervosität
Bdsts.graublauelris ' ^ Gesundheit. L. Linsentrflbungen.
Kleine braune i R. Verschmierte p ^- x. ...
Punkte (in der Krätze. K'atientinistschuan
Blasen- u. Scheide-
gegend).
Bdsts. Iris blau.
R. Weifter Fleck in
derBrustfdlgegend.
ger. Ganz gesund.
Hat früher Rippen-
fell- undGehirnhaut-
entzündung gehabt,
niemals K^ze.
Gesundheit
R. Rheumatis-
mus.
(Arsenver-
giftung.)
Skrofulöse Horn-
hautentzündung.
Zeichen der Skro-
fulöse. Hat nie
Arsenik bekommen.
Kein Rheumatismus.
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— 90 —
Name
7. A. B.
Sil I
Irisbeffund
R. = rechte Iris
L. =: Unke Iris
AugetuUagnose
w.
8. A. S.
9. G. W.
10. M. H.
n. M. E.
w.
23
m.
w.
BdstsJiis graublau. '
Innerer Irlskreis Schwere Ver-
dunkler als der ^ dauungsstörung.
äußere.
Körperbefund
20
tn.
Bdsts, Iris graugrün-
braun.
Randzone des äuße-
ren Irlskreises sehr
dunkeLSonst keiner-
lei Iriszeichen.
Bdsts. äußerer fris-
kreis graugr ün,inne-
rer hellbraun.
L, Kontraktions-
furchen.
Rotbrauner Fleck
(im Mastdarmge-
biet).
24 Bdsts. äuftererKreis
grau, innerer Kreis
hellbraun
R. Gelber Fleck
in der BMnddarm-
gegend.
54 ' Bdsts. äußerer Iris-
ring grau, innerer
i Ring braun.
I R. ürößercrbrauiier
i Fleck in der Leber-
gegend, eine JMenge
punktförmiger brau-
ner Flecke in der
ganzen äußeren Iris^
peri^lterie.
Hautring als
Zeichen der ver-
erbten Krätze,
Blutverderbnis
u. Bleichsucht.
Magcndarm-
erkrankung.
Krämpfe.
Verschmierte
Krätze.
Verdauungs-
störung.
R. Medizinver-
gjftung oder
Blinddarm-
erlcrankung?
Magenleiden.
R. Verschmierte
Krätze.
R. Hornhautver-
letzung.
leidet an Rheuma-
tismus im Unicen
Knie und Blutarmut.
Pttpiilendifferenz.
Blühendes Kind.
Krätze ist sowohl
bei ibm'als bei den
Eltern ganz ausge-
schlossen. Auf der
rechten Backe ein
kleines Blutmal.
Eiterige Bindehaut-
en (zun dung.
Leidet an Nervosi-
tät und Rheumatis-
mus in den Fußge-
lenlcen.
NB. Während der
Behandlung cnt-
wiclcelt sich ein
starker Schnupfen,
wobei ein Rückfall
der schon fast ge-
heilten Augenent-
zflndung auftrat
In den entspredien-
den Nasen- und
Augearegionen der
Iris war nicht die
geringste Änderung
zu bemerlcen.
Bdsts. Bindehaut-
entzündung.
Leidet an chro-
nischer Nessel-
sucht.
Bdsts. Chronische
Bittdehautentzfln-
dung.
Ganz gesund. Hat
als Kind 3 mal den
linken Arm ge-
brochen, und vor
5 Jahren zum 4. mal
>
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^ 91 —
Name
u ~ 9
■g a !■
« II !,
o ä ^
Irisbefund
R. rechte Iris
L. — linke Iris
Augendiagnose
IZ N. K.
13.C.Sch.
14. Fr. St
I,. Großer brauner
Fleck in der mitt-
leren Bauchgegeiid.
Verschiedene weiße
Flecke in der Hals-,
Schulter- u.Luiigen-
j gegend.
m. )38, Bdsts. i^raugrüne
i Iris. Iriskreise durch
Farbe wenig deut-
lich unterscliiedcn.
Eine Menge von
kleinen und großen
scharf umschriebe-
nen braunen Flecken
fiber der ganzen Iris
verteilt.
Oben und unten an
der Hornhaut ein
glänzender Greisen-
bogen.
R. An der äußeren
Irisperipherie Kon-
traktionsfurchen.
m. |fö Bdsts. Iris grau.
'. I In der Peripherie
des äußeren Iris-
kreises eine Menge
weißer Flecke.
Im Darm.ijebiet bei-
' derseits schwarze
radiäre Streifung,
und zwar namcnt-
' lieh rechts im Dfinn-
darm-, Imks im ab-
steigenden Grimm-
darmgebict.
: L. Einige vereinzelte
braunrote Flecke
I im unteren Bauch-
gebiet
nu
38 Bdsts. Iris graublau,
j Innerer Iriskreis
dunkler als SuOerer.
U Kratze.
Rheumatismus
(Arsenvergif-
tung) in diesen
Organen.
Gesunder
Magen.
Verschmierte
KräUe.
Verkalkungs-
bogen.
R. Kiflnipfe.
Kdtperbefund
Rheumatismus.
(Arsen.)
Störungen In
diesen Darm-
gebieten.
L. Verschmierte
Krätze.
Magen-
erkrankung.
R. Regenbogenhaut-
entziindung.
Mit 14 Jahren rechts-
seitige Lungenent-
zündung.
Vor 9 Jahren an
rechtsseitigen Lei-
stendrüsen operiert.
Narbe! Große Narbe
in der rechten Ober-
brauengegend und
i Nasenwurzel infolge
eines Sturzes. Pa-
tient hat nie Krätze
gehabt Wird mit
Jod behandelt es
zeigen sich aber
keine Jodflecken.
R. Schwere blutige
Netzhaut i;nd Seh-
nervenerkrankung.
Magen und Darm
funktionieren aus-
gezeichnet. Nie
Krätze oder Rheu-
matismusschmerzen
gehabt. 1870 wurde
ihm der linke Arm
amputiert. Er hat
über der rechten
HtlfteetneNarbe,her-
' rührend von einer
ausgeschnittenen
Kugel.
Er wird mit Jod und
Strychnin behandelt,
aber Zeichen davon
treten in der Iris
nicht auf.
L Hinterer Kapsel-
stor.
Patient ist kernge-
sund, war nie krank.
Digltized by Google
— 92 —
Name
15. W. M.
16. A. W.
n.F.Sch.
Iis
II 11
m.
3i
<
w.
in.
Irisbehind
R. = rechte Iris
L. — linke Iris
Augendlagnose
KOrperbefund
Zahlreiche Lakunen,
dunkle geschlossene
„Organschädenfigu-
ren" mit weißer
Einfassung, in allen
Gegenden, auch in
der Augengegend.
13 Bdsts. innerer Iris-
kreis hellbraun,
äußerer graugrün,
aber wenig scharf
getrennt. Die brau»
ne Zeichnung: geht
überall in die grau-
grüne über.
R. Im Lungengebict
eine durch die äuße-
ren Irisfasern durch-
scheinende schwärz-
liche Stelle.
L. In der oberen
Mittellinie scharf
markierter Strich
(Irisfaltc) im inneren
und teilweise im
äußeren Iriskrels.
Kleiner schwarz-
brauner Fleck in der
Grofihimgegend.
Mehrere schwärz-
liche Flecken in der
Klappenfehler- und
Lungengegend.
20 1 Bdsts. Iris blau.
! Viele weiße ein-
< gerahmte Lakunen
I überall in der Iris.
L. in der oberen
IrishSUfteeinige gelb-
liche verwaschene
Flecke.
Alle Organe sind
krank gewesen,
haben an .Flüs-
sen" gelitten.
Die Krr!Mkheitcn
sind zum Still-
stand gekom-
men.
Die Erkrankung
des Magendarm-
gebietes verbrei-
tet sich weiter
auf alle flbrigen
Organe.
R. Lungen-
Kaverne.
L Gehirn-
schwäche.
Gehirn-
erkrankung.
Herz- u. Lungen-
erkrankung.
Gesundheit.
Ausgeheilte
Flüsse In allen
Organen.
Jodvergiftung.
40 Bdsts. Iris dunkel- 1 Schwäche, Ner-
' braun. ! vosität.
' Auffallendes Über- Quccksilber-
I greifen des Leder- , Vergiftung,
hautrandes über die
I Hornhaut I
Bdsts. Könichen-
katarrh.
Prtther englische
Krankheit. Jetzt
kleine Flechte auf
der Brust Sonst
ganz gesund.
R. Skrofulöse Augen-
entzOndung.
Ganz gesund, nie
krank gewesen, hat
weder Jod noch an-
dere Medikamente
je bekommen.
Chronischer Binde-
hautkatarrh.
Ganz gesund, nie
krank.
Digitized by Google
- 9a —
Nane
: - u
vgl
Irisbefund
R. « Kcbte M9
U » Uak« Irls
1& E. E.
m.
IfL J. K.
m.
48
29
Kontraktions-
furchen.
Beiderseits gehen
von der Triskrause
ab durch den äuße-
ren Kreis nach oben
eine große AnziAl
von stark vorsprin-
genden Falten, die
bei seitlicher Be-
leuchtunjT als
schwarze Striche er-
scheinen.
Bdsts. eine große,
dicht gedrängte
Menge von kleinen
Lakunen
Bdsts. Iris graublau.
Peripherie dunkler,
nicht scharf be-
grenzt
Bdsts. innerer Iris-
kreis von einem
weißen Hof einge-
rahmt; von dort
ausgehend viele
i weiße radiäre Strei-
I fen durch die ganze
Iris, auch in der
Augengegend.
R. Lakune in der
Lungen- und Luft-
röhrengegend.
L. Große Lakune in
der Lungengegend.
In der oberen und
mittleren Baucli-
gegend zwei kleine,
schwarzefHeckchen,
durch Auseinander-
weichen der ober-
flächlichen irisfasem
und DLirchschim-
mern des Figment-
biattes bedingt.
Innererlriskreisgrau,
heller als deräußere,
der gelbgrau ist mit
vielen stärker gelb
gefärbten Partien.
R. Kontraktions-
rif^e.
Augendiagnose
Körpcfbefuiid
Krämpfe.
Gebim-
acliwäche.
Erkrankung aller
Organe.
Ererbte Krfllze^
Skrofeln.
Harnsäure-
blldiing;. Nerven-
überreizung,
Rttsse.
R. Erkrankung
der Lunge und
Luftröhre.
L. Liin^:;«.'!!-
erkrankung.
Narben fai der
Bauctagegend.
BlutBberfailung
des Magens,
inneres Fieber.
Medizinalvergif-
tung.
R. Krämpfe.
Bdsts. Cbroniscber
Bindehautkatarrh.
Qani gesund, nie
fennk.
Uderkrankung.
Klagt über Magen-
bescbweiden und
Schmerzen in der
rechten Brustseite.
Vor 15 Jainen ist
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- 94 —
Name
US
gl
Sil II
Irisbefund
R. = rechte Iris
L. linke Iris
Augendiagnose
20. J. H
21.0.Sch
m.
Braunroter Fleck in
der Luftröhre.
L. Schwärzlich
durclischeinendes
Viereck in derBrust-
gegend.
72 Bdsts. äußerer Ring
graublau, innerer
i Ring weißlich j^clb.
R. Verschiedene
schwarze Striche
im aufsteigenden
und querliegenden
Grimmdaffm.
i Verschwommener
I hellgelber Fleck in
der Lebergegend.
Großer dreieckiger
schwarzer Fleck
in der Blinddarm-
gegend.
L. Mehrereschwarze
Striche von dem
Ring ausgehend .
nach oben. !
Schwarzer Strich in '
der Gegend des ;
S. Romanum.
Verschiedene hell-
braune und gelbe
Flecke über der
ganzen Iris verteilt.
Mehrere Organ-
schädenfiguren im
Bereich des oberen
und unteren Lungen-
lappens.
28 Bdsts. Iris grau.
Iriskrause deutlich
sichtbar. Ciliar- und
Pupinarzone zeigen
keine wesentlichen
Farbenuntorschiede.
R. Pupillarzone an
einigen Stellen un-
ten graugelb.
Große geschlossene,
dunkle Lakune, weiß
eingefaßt, im obe-
ren Lunge ntappen,
desgl. in der Leis-
ten-, Harnröhren-,
KrStze.
L Rippenbruch.
Beginnende
Magen-
erkrankiing.
R. Krebs-
geschwülste od.
Blutungen da-
selbst.
Medizinalver-
giftung.
Blinddarmopera-
tion.
KOrperbefund'
L. Blutandrang
nach dem Ge-
hirn.
Erkrankung des
S. Komanum.
Medizinalver-
giftung.
Daselbst Lungen-
leiden, i
ihm das obere Glied
des linken Zeige-
fingers amputiert
worden.
!
1 L. Schief wachsende
I Wimpern am Ober-
■ lid. Am LJnterh'd
feine Narbe, von
einer firfiberen Lid-
operation herrilli-
rend.
Hat angeblich Herz-
fehler. Fflhlt sich
sonst s/,in7 <^esund.
Niemais Biiiiddarm-
entzUndung gehabt.
Magen, Lungen ge-
sund. Hat nie „ge-
doktert" und MQdif
zin bekommen.
Gesundheit.
QesunderMagen.
R. Kranker
Magen.
Abgelaufene Er-
krankung der
Lunge, Leiste,
Harnröhre,Unter-
kiefer, Mund.
Kurzslcbtigkeit
Leidet viel an
RUclcen- und Kreuz^
schmerzen. Ist vor
6 Jahren an tuber-
kulöser Bauchfell-
entzQndungoperiert
Große Narbe in der
Mittellinie des Bau-
ches. Walnußgrofte
B a 1 g R es chMTulst mlt-
ten auf dem Kopfe.
Hat früher ein-
mal Mttfelohrent-
Dlgltlzed by Google
^ 9Ö —
o e ^
<
m.
21
irisbefund
R. = redite Iris
L. = linke Iiis
Unterkiefer- und
Mundgegend.
L. Lakunen in
der Luftröhren-,
Schlund- und Nie-
rengegend.
Zwei kleine scfiwar-
ze Punkte im Klein-
hirn und in der Ohr-
gegend.
Bdsts. innerer Ring
braun.
Sphinkter deutlich
erkennbar.
Äußerer Ring grau-
grün mit vielen brau-
xiQii Flecken.
Kontraktions-
furchen.
R.Ein kleiner dunkel-
brauner Fleck in der
Leistengegend.
Ein weißer In der
Harn roh ren ^e^end.
Ein schwarzer Fleck
in der DOnndarm-
gegend.
Drei größere vier-
eckige, dunkle,
braun eingefaßte
Lakunen In der
oberen, mittleren
und unteren Lungen-
gegend.
Starke schwarze
radiäre Streifung
nach oben.
L. Ebensolche Strei-
fung.
Schwarzer Punkt
In der Eierstock-
gegend.
Einige kleine,dunk1e,
braun eingefaßte
Lakunen in aer Ke-
gion des Unter-
kiefers, des Kehl-
kopfes, der Luft-
röhre und des obe-
ren Rückenteiles.
Eine Menge solcher
kleinen dicht ge-
Körperbefund
L. Erkrankung
der Luftröhre,
Schlund tt. Niere.
Totaler Sub-
stanzverlust im
Kleinhirn u. Ohr.
Magen- u.Darm-
erknuikung.
Medizinver-
giftung.
Krflinpfe.
K. Leistenbruch.
Hamröhrener-
krankung.
Geschwür im
DQnndarm.
I Lungenkaver-
jnen in allen 3
\ La|»|»en.
Gehirn-
schwflche.
L.
Erkrankung des
Eierstockes.
Erkrankungen
des Unterkiefers,
Kehlkopfes, Luft-
röhre, oberer
Rücken.
Ferner Fallsucht,
Erkrankung des
zOndung gehabt,
weiß aber nicht
mehr, auf weichem
Ohr. wni beider-
seits gleich gut
hören.
Chronischer Binde-
hautkatarrh.
Ganz gesund, nie
krank.
Digitized by Google
- 96 —
Name
^ "5 ^
23. A. K.
24.LSch.
m.
Irisbefund
R. = reckte Iris
L. = Unlce Irls
Augendiagnose
fdrängten Lakunen 1
in der Fallsuchf-
bis Brustfellgegend.
18 Bdsts. Sufterer Iris-
krs_ i - i iiiblau, Peri-
pherer Irisrand sehr
dunkel.
Innerer Kreis gelb-
lich.
Die Iris im äuße- 1
ren Drittel in der \
ganzen Peripherie
mit einer großen An-
zahl weißer Flecken
besät.
Kontraktions-
furchen.
R. Kleine ge-
schlossene, weiß
umrandete Lakune
im oberen Lungen-
lappcn, iriößcic im
Brustkorb- , und
kleinere im Arm-
gebiet.
Größere Lakune im
Luftröhren- und
Kehlkopfgefiict
L. Dunkel durch-
scheinende, nicht
t!i tiflich umgrenzte
Lakune im Luft-
röhren- und Nieren-
gebiet.
Eine deutlicher um-
randete im Leisten-
gebiet
Verschiedene
schwarze Flecke im
Herzgebiet.
16 Bdsts. Iris grau.
Iriskreise in Farbe
nicht deutlich unter-
schieden.
Peripherie dunkel.
Konlraktions-
furchen.
I Viele kleine weiße
Flecke im äußeren
Drittel, die an mehre-
Ohrs.Hals.Schuf-
Tlt, Mbcrcr und
unterer Lungen-
lappen, Brustfell.
Ererbtes KrStze-
gift. Magener-
krankung.
Rheumatismus
(Arsenvergif-
tung) in allen
Ol
irganen.
IMmpfe.
R. Ausgeheilte
Schäden im obe-
ren Lungen-
lappen, Brust-
korb, Arm.
Desgl. Luftröhre
und Kehlkopf.
KÖrperbefünd
L. Noch nicht j
ausgeheilteSchä- 1
den in der Luft- !
röhre und Niere.
Lelstenbrucii.
Herzklappen-
fehler.
GesunderMagen.
Ererbtes Krätze-
gift.
Krämpfe.
Überall I^'i: itma-
tismus.
Glaskörpertrfibun-
gen.
Ganz gesund, nie
krank.
L. Hornhautver^
letzung.
Ganz gesund, nie
krank.G1aubt,einmal
einen leichten Luft-
röhrenkatarrh ge-
habt zu haben.
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97
Name
P_ii
E
o
Irisbefund
K. = lectite Irii
L. = Unke Irl«
renStellen zu großen
Ringstrecken kon-
fluieren, so daß es
aussieht, als wäre
Allgendiagnose
teiivvei?
Ins
mit einer weißen,
ringförmigen Zone
besetzt.
R. Große Lakune
in der Fuß- und
Nierengegend, seit-
lich weiß eingefaßt,
oben und unten
keine deutliche Ein-
fassung zu sehen,
da sie direkt von
der Iriskrause aus-
geht und im dunklen,
peripheren Oebiet
endet.
Drei Icleine ge-
schlossene Lakunen
in der Schlund- und
oberen Rficlcen-
gegend, von den
grauen Irislinien ein-
gefaßt.
L Lakunen in der
Gegend des Unter-
kiefers, Kehlkopfes,
Blase, Niere, Beines
und in der ganzen
Gegend bis zum
oberen Lungen-
lappen ; alle ge-
schl ssi^n, soweit
sie nicht an den
weißen Ring an-
stoßen, bald grau,
bald weiß eingefaßt
(abhängig von der
Gegend, in der sie
liegen.)
25. E. J.
w. 139
Bdsts Innerer Iris-
ring braun, mit ver-
schiedenen braun-
roten Flecken.
Äußerer Ring grau-
blau mit verschie-
denen braunen
Flecicen.
S ellgm « D II , AagendiagAOS«.
Salizylsäure-
vergiftung.
K. offener Fluß
des Fußes und
der Niere.
i Gehellte Er-
I krankungen des
I Schlundes und
oberen Rückens.
, L. Erkrankung
I des Unterkiefer,
Kehllcopr, Blase,
I Niere, Bein,
I Leiste, Bauch.
I Milz, Arm, Brust,
I Brustfell, unte-
rer und oberer
Lungenlappen.
Schlechter
I Magen. Kraizc
und Medizinver-
I giftung..
Kßrperbefund
R. Tränensaclc-
leiden.
Mit 16 Jahren Bruch
des linken Unter-
arms. Große Narbe
auf der linken Hand-
fläcfie. 1896 Magen-
7
Digitized by Google
— 98 —
II r
Name
«
Ob *
26» M» E.
27. H. K.
w.
52
Irisbefund
R. = rechte Iris
L. s= linke Iris
m.
Bdsts. feine radiäre
StreifunfT Keine
Lakunen.
L. Kontraktions-
furctien.
Bdsts. Iris graublau.
Krause geibticli ge-
»rbt.
Dunkle periphere
Zone.
KonTrakti'.ms-
iurchen.
Einzelne gelbrote
Fleckchen.
Feine Streifung der
Iris mit einzelnen
schärfer vorsprin-
genden Falten nach
allen Richtungen.
Keine Lakimen.
Augendiagnose
KOrperbefund
74 I Bdsts. innerer Ring
braun; derselbe sen-
; det viele braune
I Ausläufer in den
I Äußeren grauen Ring
i hinein.
I Starke Greisen-
bogen.
Viele vorspringende
radiäre Falten.
j Iris feingestreift,
jenthSIt nur verein-
' zelte Lakunen, die
I teils braun, teils
j grau eingefaßt sind.
I R. Einzelne braun-
; rote Flecken im
I inneren Iriskreis.
; Lakunen in der Ge-
I gend der Schulter,
des unteren Lungen-
{ iappens und Ober-
kiefers.
' L Lakunen in der
I Mastdarm- u.Bauch-
I gegend.
Zeichen der Ge-
sundheit.
L. Krämpfe.
Strychninvergif-
tung.
Ererbtes Krätze-
gift.
Krämpfe.
Verschmierte
Krätze.
Schwache aller
Organe.
Ganz gesund.
blutung. Klagt über
Kopfschmerzen,
Husten, Schmerzen
im Kreuz und in
der Brust, Herz-
klopfen und Magen-
beschwerden.
L.AgyptischeAugen-
erkrankung.
Im Oktober vorigen
Jahres wegen Geni-
taierkrankung ope-
riert. Bauchschflitt.
Kranker Magen. , Bdsts. Grauer Star.
Verkalkungsring.
Schwäche der
einzelnen Kör-
perteile.
R. Verschmierte
Kratze.
Erkrankung der
Schulter, Lunge,
Ot»erkiefa'.
L. Erkrankung
des Mastdarms
(Hämorrhoiden)
unddesBanclies.
Als Kind starke
Kopfverletzung, 4
Wochen lang krank.
Vor 3 Jahren Ver-
letzung des rechten
Schienbeins, mit
nachfolgendem Eri-
sypel (Wundrose).
Linksseitiger Leis-
tenbruch. Patient
hört auf beiden
Ohren sehr schlecht.
Knotige, schmerz^
hafte Anschwel-
lungen sämtlicher
Fingergelenke. Kla-
gen über starke Ver*
schleimung.
Digitized by Google
- 99
Name i|if
Irisbefund
R. = rechte Iris
L ^ linke Iris
Attgendlagnose
Köiperbehind
28. M. K.
w. 124
L. Fremdkörper Uli'
ter dem oberen Lid.
Ganz gesund, nie
fcranic
L Atrophie des
Augapfels.
HatalsifladLungen-
bhitiittg gehabt.
Bdsts. grUnlich-
braune Iris.
G 1 e i c hm äUige Zeich-
nung.
Einzelne schärfer j Schwäche der
vorspringende Fal- | beireffenden Or-
ten , gane.
Kontrakttons- j Krämpfe,
furchen. i
R. Schwarze Pig- Blinddarmopera*
mentierung in der tion.
Biinddarmgegend.
29. E H. w. \ 21 Rechte Iris grünlich-
braun.
GleichmäßigeZeich-
nung.
Keine Lakunen. '
Kontrakttons- { Krämpfe,
furchen. !
Linke Iris. Zeich- i
nung und Farbe
verwaschen und un-
deutildi.
Was lehrt uns diese Tabelle? Genau das» was wir aus den theo-
retischen Erörterungen schon wissen, daß nimtich die Augendiagnose
nichts, rein gar nichts wert ist Wir finden Regenbogenhäute ohne
Qrganschädenfiguren bei ganz gesunden und bei Icranken Menschen,
und wir finden Regenbogenhäute mit Organschädenfiguren bei ganz
gesunden und bei kranken Menschen. Es besteht nicht die aller-
geringste Beziehung zwischen den Organfehlern und den Zeiciicn
der Iris. Befindet sich zufälligerweise bei einer Erkrankung eines
Körperteils einmal ein Zeicboi in der für denselben reservierten Iiis-
gegend, so kann man auch gewöhnlich noch ehie groBe Anzahl eben-
solcher charakteristischer Zeichen in verschiedenen anderen Iris-
regionen sehen, deren korrespondierende Körperorgane völlig ge-
sund sind. Bei den 29 untersuchten augenkranken Patienten war
solches 2 mal der Fall (Nr. H, 17). Es ist dieses zufälligerweise recht
wenig, wenn man bedenkt, daß wir es bei unseren Untersuchungen
nur mit Augenkrauken zu tun hatten. Wenn ein praktischer Arzt,
der wegen alier möglichen Kranklieiten konsultiert wird, solche
Untersuchungen anstellen würde, so wären seine richtigen Diagnosen
wahrscheinlidi noch viel wenigor.
Von den 29 untersucitten Fällen waren nach den Etgebnissen der
Angendiagnose 11 magenkrank; bei 2 von diesen ließ sich wirklich
7«
Digltized by Google
— 100 —
eine Magendarmstoruno erweisen. Auch hier sollte man eigentlich
ein noch günstioreres Resultat erwarten, da die Zeichen der Magen-
darmerkrankung sich so sehr häufig finden. Die verhältnismäßig
geringe Anzahl der richtigen IM^gnosen erklärt sidk daraus, daß
diese Magendarmkraokheiten eben nur zufälliger Nebenbefund bd
meinen Augenkratiken waren. Ein Spezialist für Magenleiden dürfte
viel mehr richtige Diagnosen stellen.
Andere Zeichen, wie die Krampf ringe, kommen fast in sämt-
lichen Augen normalerweise immer \or (cf. S. 57). Danach müß-
ten sämtliche Menschen an Krämpfen gelitten haben oder leiden. Wenn
man die Bedeutung der Krampf ringe so weit faßt, wie es manche
Augendiagnostiker tun, die daraus erkennen wollen, daß der Patient
jemals krampfartige Schmerzen gehabt hat, so wird man diese
Diagnose fast immer richtig stellen können, denn es gibt doch wohl
keinen JMenschen, der nicht einmal in seinem Leben iiigendeinen
Schmerz empfunden hätte. Jede Frau, die Mutter geworden is^ hat
solche Schmerzen gehabt, und wenn man bei ihr deshnlh -fus den
Kontraktionsbögen Schmerzen diagnostiziert, so hat man immer recht
Auch den Quecksilberring (unter unseren Fällen nur in Nr. 17
ausdrücklich erwähnt) muß man naturgemäß (d. S. 59) in fast allen
Augen finden. Demgemäß müßte jeder Mensch an Quecksilber-
veigiftung leiden.
Unsere Tabelle zeigt uns auch manche Widersprüche. So finden
wir dunkle Regenbogenhäute, die doch das Zeichen von Krankheiten
sein sollen, mit wenigen oder gar keinen Oiiganschädenfiguren ; und
umgekehrt helle Regenbogenhäute, die die Gesundheit repräsentieren,
ganz durch Lakunen zerklüftet.
In Nr. 21 deutet das eine Zeichen (eine deutliche Iriskrause) auf
einen gesunden Magen, ein anderes Zeichen (graugelbe Färbung an
einer Stelle der Pupillarzone) auf einen kranken Magen hin.
Vorspringende Falten sollen ebensowohl Zeichen von Erkrankun-
gen sein wie Lakunen. In Nr. 26 deutet das Vorhandensein der
einen auf Schwäche aller Organe, das Fehlen der anderen auf völlige
Gesundheit hin.
Wer boshaft sein will, der kann in Nr. 22 im rechten Auge eine
Erkrankung der männlichen Harnröhre, und im linken Auge eine Er-
krankung des weiblichen Eierstockes diagnostizieren.
So sieht es mit den Resultaten der praktischen Augendiagnose
aus. Wir haben von der großen Anzahl von Patienten, die wir seit
sehr langer Zeit daraufhin untersucht haben, zufälligerweise nur die
29 angeführten Fälle genau registriert Eine noch größere Anzahl
ebenso zu buchen, wäre uns natürlich ein leichtes, aber diese Arbeit
wire ebenso langweilig wie zwecklos. Etwas Neues kommt nicht
Dlgitized by Google
— 101 —
dabei heraus. Im großen und ganzen ist doch ein Fall wie der andere.
Einmal liegt dns eine Zeichen hier, und ein andermal liegt das andere
Zeichen dort, irgendeine GesetzmäßigJceit ist nirgends zu finden.
Die ganze Augendiagnose ist reiner Schwindel!
Abgesehen von diesem wissenschaftlichen Resultat habe ich
aber bei meinen augendiagnostischen Untersuchungen noch eine
andere Bemerkung gemacht, die im höchsten Grade zum Nachdenken
Veranlassung gibt und die ich den Herren besonders ans Herz legen
möchte, die etwa, um sich selbst ein praktisches Urteil in dieser
Sache zu bilden, der Augendiagnose etwas näher auf den Leib zu
rücken trachten. Das ist die große Oefahr, die die praktische Aus-
übung der Augendiagnose mit sich bringt, sowohl für den Patienten
als auch für den Diagnostizierenden. Ich habe es im Anfange meiner
Untersuchungen häufig genug erlebt, daß die Patienten bei den vielen
durch nichts berechtigten Fragen nach etwa vorhandenen oder über-
standenen Krankheiten direkt ängstlich wurden, und daß ich sie nur
dadurch beruhigen konnte, daß ich ihnen den ganzen Schwindel
auseinandersetzte. Später habe ich daraus gelernt und ihnen von
Anfang an klaren Wein eingeschenkt. Nach diesen persönlichen Er-
fahrungen kann ich mir ungefähr vorstellen, wie die Diagnostiziererei
der kurpfuschenden Augenkünstlcr auf ängstliche Gemüter wirkt,
zumal diese Herren nicht nur die gar nicht vorhandenen Krankheiten
diagnostizieren, sondern auch diejenigen, die die Pauciilcn etwa
noch zu erwarten haben. Ein gläubiges Schafsgeinüt wird an solche
Prophezeiungen glauben und einer traurigen Autosuggestion unter
Umständen verfallen; ein halbwegs intelligentes Individuum wird
sich dag^en allerdings sagen, so viel kann man doch sicherlich
nicht aus den Augen lesen, deshalb muß der, der solches zu können
vorgibt, unbedingt ein gewissenloser Charlatan sein. Und ein sol-
ches Urteil ist ebenfalls eine Gefahr, diesmal nicht für den Patienten,
sondern für den Diagnostizierenden; es müßte denn sein, daß der
Betreffende sich aus einem solchen Urteil nichts macht. Auch das
soll vorkommen!
In dem Kurpfuschereiprozeß gegen den Lehmpastor Felke han-
delte es sich um die Frage, ob bei Blinddarm- und Lebererkrankungen
an den betreffenden Stellen im Auge sich charakteristische Zeichen
fänden. In den Lehren der Augendiagnostiker heißt es wenigstens
immer, die Zeichen seien charakteristisch. In der Prozeßverhandlung
in Krefeld selbst deutete der Pastor den sachverstrindi^^en Augen-
ärzten an zwei Patienten, die eine Blinddarmentzündung durchgemacht
haben sollten, einmal eine Irisfalte für charakteristisch, und ein ander-
mal eine Lakune. Ich habe mich mit eigenen Augen davon uber-
zeugt Der Herr Pastor vertritt also in der Praxis den Orundsatz,
Dlgitized by Gc)
— 102 —
dali irgendein Zeichen im Auge an der charaktLi istischen Irisstelle
immer zu finden ist Wer sucht, der wird schon tiadcai Lad laiden
tut man in dem mannigfachen Relief der Iris immer etwas« WdB
man erst, daß der Kranke wirklich einmal eine Blinddarmentzfindung
durchgemacht hat, so müßte es direkt ein unwahrscheinlicher Zufall
sein, wenn man bei sehr sorgfältigem Suchen an der Stelle des Blind-
darnigebietes nicht irgendein kleines Zeichen findet, das man dann
nacli Lust und Liebe deuten kann. Daß Pastor Felke in diesen
beiden Fällen natürlich nur die Zeichen im Blinddarmgebiet gelten
ließ, und von den vielen übrigen Zeichen der Iris niclits wissen
wollte, das müssen wir der Austühriichkeit iialbcr hier nur noch
einmal kurz erwähnen. Wir haben dieses Gebaren der Augen-
diagnostiker ji^ schon zur Genüge kennen geloni
Ich habe mir die Mühe gemacht und im liiesigen Eppendorfer
Krankenhause im Verein mit mehreren Oberärzten und Assistenzp
ärzten eine Reihe von Blinddarm- und Leberkranken augendia-
gnostisch untersucht. Das Resultat dieser Untersuchungen habe
ich in meinem Outachten vor dem Gerichtshof in Krefeld kurz
bekanntgegeben. Ich veröffentliche mit folgenden Tabellen diese
Fälle etwas eingehender, ich will noch bemerken, daii es mir bei
diesen Fillen nur darauf ankam, zu entscheiden, ob sich irgendein
charakteristisches Zeichen in den betreffenden Blinddarm- und Leber-
gebieten der Iris finden ließ. Auf alle übrigen Organschädenfiguren
habe ich keine besonderen Rücksiditen genommen, ebensowenig
wie auf etwaige andere zufällig vorhandene Nebenerkrankungen. Nur,
wenn etwas von diesen Dingen besonders auffallend war, habe ich
es gleichzeitig notiert Eine augendiagnostische Diagnose — sit
venia \ erbo — habe ich mir in allen diesen Nebenfällen zu ersparea
geglaubt
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- 103 —
Tabelle II.
Blinddarmerkrarikungen.
Name
£|«
«Ja
Iis
g II .
Oä>.
1 Alter
Irisbefund
BUnddamioDiagnose
1.
M. K.
w. j
37 j
Rechte Iris graublau. Eine,
größere Lakune in der rechten |
Biind(jarai|iegL'nd frei von
weißen Wolken,
AkuteBUnddarmentzundung.
2. Anfall. 2. Tag.
2.
ast.
m.
29
Iris bdsts. auffallend gelblich. '
Äußerste Peripherie graublau, |
ebenso innerer Iriskreis.
In der Bli n ddarmgegend nichts
Charalcterislisches.
Akut^linddarmentzflndung.
3. AnfaU.
Patient hat nie Medizin
(Chinin!) bekommen, ist
sonst nie krank gewesen.
3.
A. F.
m.
21
Rechte Iris braun mit grün-
lichen Kontraktionsfurchen.
In der Blinddarmgegend kein
schwarzer Fleck.
AkuteBlinddarnientzündung.
1. Anfall. Vor 24 Stunden
operiert.
4.
H. L.
m.
17
Rechte Iris graugrün mit gelb-
iicnen ricCKcn. rcinc ins-
zeichnung. Keine Lakunen,
Falten, Flecke, Wolken etc.
in der Blinddanngegend.
Subakute Blinddarmentzün-
aung, o. i8g ucr crKran'
kung. ApfelgroßeGeschwuIst
in der Blinddarmgegend.
5.
Fr, H.
w.
19
Rechte Iris braun. Perloherie
grünlich.
Viele schwarze Pünktchen in
der ganzen Irls, auch in der
Blinddarmgegend.
AkuteBiinddarmentzflndu n e
1. Anfall vor 4 Wochen.
^ A. Scb.
m.
Rechte Iris blau Innerer
Kreis weißlich.
Viele Laknnen In der ganzen
Iris.
AkuteBlinddarmentzündung.
1. Anfall, 10. Tag.
7.
N. B.
m.
Rechte Ins dunkelblau, mit
vielen weißen Flecken.
InderBlindüarnigegend nichts
1 Charakteristisches.
Akutetiiinaaarnientzunaung.
1 Kein Arsenik, kein Rheuma-
tismus.
8. i.Sch.
m.
45
j Rechte Iris: innerer Ring gelb-
lich, äußerer blau.
Sehr feine Zeichnung in der
ganzen Iris.
Schleichende Blinddarment-
zilndung, seit 7 Wochen.
9.
H. W.
m.
31
1
1
Rechte Iris: innerer Ring gelb-
lich, mit vielen gelben Aus-
1 Strahlungen, äußerer blau.
1 Peine Streifung der Iris.
' Keine Lakunen etc.
AkuteBllnddarmenbEfindung.
14. Tag. Abszeß vor 4 Tagen
. in den Mastdarm durchge-
i brochen.
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— 104 —
Name
M
all
Ii!
S II II
<
Ifisbefund
Blinddarm-Diagnose
10. M.Z.
m.
|48
Rechte Iris graublau, innerer
Ring gelblich. Viele weiße
Flecke im äufteren Drittel der
Iris.
Lakunen in der Gejjend der
Harnröhre, Lunge, Brustkorb,
Stirn, Auge und Nase.
Vor 4 Wochen an aknter
Blinddarmentzündung ope-
j riert.
Kein Arsenik, kein Rheuma-
tismus. Sonst ganz gesund,
nie krank.
ILFr.a
m.
19
Rechte Iris dunkelblau.
Innerer Irisring heller.
Viele schwarze Punkte von
der Leber- bis HamrGluen-
^egend.
AkuteBlinddarmentzündung.
1 . Anfall. 13 Tage nach der
j Operation. Sonst ganz ge-
8und,
12. A. K.
w.
56
Rechte Iris graugrün.
Einige grüngelbe Flecke.
Zeichnung fein. In der Blind-
darmgegend nichts Charak-
teristisches.
Vor 4 Tagen an chronischer
Blinddannentzindung ope-
rierL Vor 1 Jahr 1. Anfall.
la A.R.
m.
19
Rechte Iris dunkelblau.
Sehr zerklüftet. Überall La-
kunen.
Chronische Blinddanneal-
zfindung seit 3 Jahren.
14. A. A.
m.
22
Re(_lue kis grünbraun.
Eine Menge kleiner Lakunen
in der ganzen Iris, auch in
der Blinddarmgegend.
1
Vor 4 Jahren an akuter
Blinddarm- und Bauchfell-
entzündung operiert. Vor
einigen Tagen an einge-
klemmten N tzbruch ope-
riert.
15. W.W.
m.
10
Rechte Iris graublau.
Weiße Iriskrause.
Keine Lakunen in der ganzen
Irisundkein charakteristisches
Zeichen in der Bllnddarm-
gegend.
Chronische Blinddarment-
zündung, 1 Tag nach der
Operalkm.
la. W.B.
m.
14
Rechte Iris graublau. Innerer
Kreis gelblich. Weiße Krause,
von wo aus peripher nach
allen Richtungen hin gelb-
weiße Streifen gehen.
Lakune in der Harnröhren-
gegend. Blinddarmgegend
frei.
Chronische Blinddarment-
zündung, vor 14 Tagen ope-
riert.
Vor */, Jahr an Nasen-
polypen operiert
17. K. L.
m.
28
Rechte Iris hellblau.
Feine Zeichnun^^ der ganzen
Iris. Kein Zeichen in der
Blinddarmgcgend.
Chronische ninddarment-
z&nimuL im Abklhigen des
■ 2. Anfalls.
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105
Tabelle Iii.
Lebererkrankuagen.
1. W. K.
2. M.Z.
m.
w.
3. Fr. J. m.
4. M. Sch. m
5. a St.
6. E. R.
7. Fr. S.
m.
w.
m.
a H. z.
m.
21
Rechte Iris j^raublau, mit Katarrhalische
vielen weißen Flecken. Keine
Lakunen oder sonstige Zei-
chen in der Lcbi-rgcgcnd.
Bindehaut gelblich (iktensch)
verfSrbt.
49 Rechte Iris graublau. Iris-
> kreiie wenig deutlich ge-
trennt.
Eine Unmenge Lakunen, auch
in der Lebergegend.
50
61
Gelbsucht,
seit 3 Wochen. Leber war
in der ersten Woche ge-
schwollen.
Gallensteinkolik , Leber-
schwellung.
Vereiterung der Gallenblase.
I Operation vor 47 Tagen.
41
25
28
Rechte Iris graublau. Krause
gelbHch mit vielen vorsprin-
genden Falten.
Nichts Charakteristisches in
der Lebergegend und Galten-
blasengegend.
Rechte Iris graublau, innerer
Ring gelbbraun.
Lakunen flberall dicht ge-
drängt, innen, unten und
außen; oben nicht.
Einige gelbe und Imune
Flecken in der Nieren- und
Blasengegend.
Rechte Iris blaugrUnlich, inne-
rer Kreis gelblich. Fingeiber
Fleck in der Leistengegend.
Keine Lakunen. lnderLeber>
gegend . nichts Charakteristi-
sches.
Rechte Iris graublau.
Einige Lakunen in der oberen
Irishälfte und in der Fuß- und
Nierengegend.
Rechte Iris graublau. .Vor 4 Wochen an Leber-
Eine Unmenge Lakunen in abszeß operiert
der ganzen Iris, groß und i
klein; weiß eingefaßt, ge-
; Leberzirrhose, seit 1 Jahr.
: Leberschweilung 4 Finger
I breit unter der Rippe fühl-
bar. Ver::rößerte Milz.
Mäßige Bauchwassersucht
Hat Stauungsniere (mit Ei-
weiß und Blut im Urin) ge-
habt, jetzt nicht mehr.
Erkrankung der Aorta. Syphi-
litische Leberschwdlung.
Syphilitische Leberschwel-
lung. Vor 2 Tagen ope-
riert Kein Eiweift im Urin.
schlössen. Einige Einfassun-
gen gelblich gefärbt
29 Rechte Iris hmin, ohne
Zeichen. Feine Streifung.
Grttnliche Kontraktionsnir-
chen.
Große Leberschwellung.
Chronische Pseudo-Leukä-
mische Eiltrankung.
(HodgUnscbe Krankheit)
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— 106 —
Name
x: — H
U ~ -T
<u 5-
s ■ \
Alter
Irisbefund
Leber-Diagnose
0. A. St.
w.
37
Rechte Iris grüngelb.
In der Oberschenkelgegend
brauner Pigmentfleck. Sonst
nichts Charakteristisches in
der ganzen Iris.
Gewaltige Lebers chweUung.
LeberecJiinokokkus (Blasen-
wunn.)
Wir brauchen auf die einzelnen Fälle dieser beiden Tabellen wohl
nicht naher einzugehen. Ein kurzer Blick auf dieselben dürfte ge-
nügen, um jedem, der sehen will, zu beweisen, daß die y\ugeii-
diagnose auch in allen diesen 26 Fällen vollständiges Fiasko er-
litten hat.
Zu demselbe n Resultat sind verschiedene andere Ärzte gekom-
men, die sich ebenlatls der unsympathischen Arbeit unterzogen, die
Augendiagnose aut ihren praktischen Wert hin zu prüfen.
Privatdozent Dr. Salzcr, Augenarzt aus München^), hat in der
dortigen Irrenklinik 25 Fälle, die sämtlich an schweren, teilweise
organischen Oehimveränderungen litten, untersucht und nicht in
einem einzigen Falle in der Gegend des Oehimfeldes irgend etwas
anderes gefunden, als normale Irisstruktur. Femer hat er 20 Fälle;,
meist Leber-, Darm- und Bauchaffektionen, in der inneren Klinik,
und 18 Fälle von frischer Blinddarmentzündung zum Teil vor und
zum Teil 2 bis 21 Tage nach der Operation in verschiedenen
Kranken hänsern, und schließlich noch eine große Zahl von Privat-
patienten auf Quecksilber- und Salizylzeichen hin untersucht. Das
Resultat war in allen Fällen ein völlig negatives.
Herr Dr. Köhne, Augenarzt aus Duisburg-), hat eine große
Anzahl Patienten aller Art untersucht und eine Reihe von anderen
Ärzten zu ähnlichen Untersuchungen veranlaßt Seit Jahren suchte
er bei seinen mit Jod beliandeltcn Patienten vergeblich nach dem
Jodzeichen. Er hat 70 Patienten mit sog. Krätzeflecken auf das
Vorhandensein dieser Krankheit hin geprüft: 65 wollten niemals
Krätze gehabt haben. Er hat ferner 25 Personen untersucht, die
früher an Krätze gelitten hatten und ärztlich behandelt worden
waren; von diesen hatten 3 die erwähnten Flecken, in einem halle
f^nd sich ein Fleck mit verwasdienen Rändern, bei den übrigen
21 Personen war die Regenbogenhaut beiderseits vollständig flecken-
' los.
^) Aussagen im Felkeprozeß und persönliche Mittcilut^ieiL
') Aussagen im Felkeprozeß und persönliche Mitteilungen.
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— 107 —
Herr Dr. Goß mann, Uberarzt am Üiakonisscnkrankenhaiise
zu Duisburg, teilte mit, daß er bei 10 Fällen die Iris beiderseits
fleckenlos gefunden habe. Dr. Köhne hat sechs mit Quecksilber be-
handelte Patienten, Dr. CoBmann adil^ und Dr. Napp (Spezial^
arzt für Haut- und Geschlechtskranke zu Duisbufg) 63 Patienten auf
den Quecksilberring hin untersucht: Alle drei Herren haben in kei-
nem einzigen Falle das charakteristisch sein sollende Zeichen in der
Iris nachweisen können. (Das widerspricht durchaus nicht meiner
Behauptung, daß der Quecksilberring in allen Augen zu sehen ist
(S. 5Q), man muß ihn nur nicht in der Regenbogenhaut, sondern
in der Hornhaut sudieu.)
Dr. Köhne hat ferner eine große Anasahi von Patienten mit
dem so überaus haufig vorkommenden Arsenikzeidien ausgefragt;
ob sie jemals Arsenik genossen hatten. Er konnte nichts davon in
Erfahrung bringen. In zwei Fällen, wo eine Arsenikkur stattgefunden
hatte, fand er ein Arsenikzeichen nicht. Ebenso erging es Herrn
Dr. Napp bei vier mit arseniger Säure behandelten Patienten.
Das Skrofulosezeichen fand Dr. Köhne bei den zahlreichen
skrofulösen Kindern seiner Praxis niemals. (Ich auch nicht.)
Dr. Köhne hat ferner einen Patienten, der seit 32 Jahren sich
Morphium dnspiitzt (1 Gramm pro Tag)» auf das Moifdiiumzddien
hin untersudit: Resultat negativ. (Derselbe Patient hatte sich auch
von Felke untersuchen lassen, audi dieser hatte nichts von Mor-
phium bemerkt). Herr Dr. Fr, Müller (Sanatorium Schloß Rhein-
blick, Bad Cjodesberg) hat unter Assistenz von 2 Kollegen alle bei
ihm befindhchen Morphiumsüchtigen ebenso untersuch^ mit dem-
selben negativen Resultat.
Herr llr. Paul Heine, Tierarzt und Schlachthofdirektor zu
Duisburg, hat eine größere Anzahl geschlachteter Rinder unmittel-
bar vor und nach der Tdtung daraufhin untersucht, ob sich im Kopf-
felde das charakteristisch sein sollende schwere Zeichen der trauma-
tischen Erschütterung findet: Er konnte nicht die geringste Irb-
veränderung wahrnehmen.
Herr Dr. Voll and, Oberarzt der Anstalt Bethel bei Bielefeld,
hat /ti'^ammcn mit dem Augenarzt Herrn Dr. Helpup 100 männ-
liche iifui \^ eibliche Epileptiker auf das angebliche Epilepsie- und
Bromkaliumzeicheni) hin untersucht: Resultat völlig negativ.
Herr Dr. Schäfer, Augenarzt, in Essen, hat ca. 70 Kinder der
dortigen Provinzialtaubstummenanstalt auf das angegebene Ohren-
zdcfaen hin untersucht: Resultat völlig negativ.
HeiT Prof. Dr. Schnitze, chiruigischer Oberarzt am Si Vin-
0 Epileptiker werden mit BromkaHum behandelt
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— 108 —
zenz-Hospital zu Duisburg, hat bei seinen Patienten vor und nach
der Operation auf die Augenzeichen geaciitet. Die Operationen be-
trafen Hals-, Brust- und Bauchgegend, sowie die oberen und unteren
Oliedmaßen. Nicht die geringsten Abweidiungen in der Iris ließen
sich nach der Operation konstatieren.
Herr Dr. Goß mann hat derartige Untersuchungen ebenfalls mit
negativem Erfolge angestellt; ebenfalls negativ war die Nachprüfung
der Aug-enzeicben bei 3 Knochenbrüchen, 2 V'erstaiichiinnen, 4 Epi-
leptikern, bei Lungenkranken uttfi bei zahlreichen Patienten, die
Aspirin genommen hatten.
Herr Dr. Kühne und Herr Dr. Cüßmann untersuchten zusammen
fünf geimpfte Kinder auf das Auftreten des Magenzeichens nach der
Implung: Resultat negativ. Dasselbe konstatierten die Herren Sani-
tiitsrat Dr. Lengeling, Dr. Pajenkamp und Dr. Windrath in
Duisburg'Meiderich.
Ähnliche Untersuchungen stellten auch Prof. Garrel), Bonn,
«nd seine Assistenten an^). Ferner Sanitätsrat Dr. Scfimitz-Rhein-
berg und Dr. Hof lUs-Hombertr. Letzterer hat sich sogar von Felke
selbst unterweisen lassen. Resultat immer negativ.
Durch alle diese mühseligen Nachprüfungen ist jetzt endgültig
auch empirisch bewiesen w^orden, daß die ganze Augendiagnose Hum-
bug und blauer Dunst ist» und fortan dürfte kein Kritikaster mehr
es sich herausnehmen, zu behaupten, die Arzte könnten in dieser Sache
gar nicht mitsprechen, da ihnen die praktische Erfahrung fdilt
Kurpfnschcrtum. Im strikten Gegensatz zu diesen absolut nega-
tiven Resultaten der wissenschaftlichen Forschung sollen nach den
Aussagen der Kurpfuscher ihre Erpfebnisse stehen. Die Aufrpndiagnno-
stiiier irren niemals (welcher Arzt würde jemals die Kühnheit haben,
dieses von sich behaupten tu wollen!), ihre Kunst ist unfehlbar. Und
welche feinen Diagnosen können sie mit derselben steilen! Den Unter-
schied zwischen einem Karzinom und einem Sarkom (zwei sehr ge-
fährliche Geschwülste) erkennen sie nur aus Betrachtung der Regen-
bogenhaut des Auges« Der Stümper von Arzt kann dies nur mit
Hilfe des Mikroskopcs. Sie stellen aber noch weit wunderbarere
Diagnosen, sie kennen Krankheitsbilder, von denen noch nie ein Arzt
etwas vernommen hat, ?n z. B. Bouillonvcrgiftung oder Würmer in
der Gebärmutter. Wenn die Sache nicht gar zu traurig wäre, könnte
man beinahe darüber lachen.
Wie sielit es nun mit ihren Resultaten in Wirklichkeit aus? Vor
») Deutsche Medizin. Wochenschrift. 25. Nov. 1Q09. 35. Jahrg. Nr. 47.
Dr A. Kantorowicz, in der Frankfurter Halbmonatsschrift „Das
freie Wort". IX. Jahrg. Kr. 16.
I
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- 109 —
einigen Jahren kam eine Frau zu mir, die einen solchen Wunder-
mann aufgesucht hatte, weil sie bemerkte, dali ihr Augcnhcht immer
mciir abnahm und sie infolgedessen fast erblindet war. Besagter
WandermaiM, der in Hamburg unter dem Schutze der Behörden sein
einträgliches Schwindelgeschäft schon seit langer Zeit treibt und dem
Staate für seinen Schutz wahrscheinlich nicht unbeträchtliche Steuern
entrichtet, hatte der unglücklichen Frau aus den Augen diagnostiziert,
daß sie ein schweres Nierenleiden habt, und gegen die Blindheit
hatte er ihr Umschläge mit Tee und Honig verordnet. Die Frau war
ganz verzweifelt wegen ihres schweren Leidens, als sie zu mir kam, .
und wollte es erst gar nicht glauben, als ich ihr nach vorgenommener
Untersuchung sagte, daß ihre Nieren kerngesund seien, und daß sie
ihr Augenlicht durch eine Operation wiedergewinnen würde.
Vor kurzer Zeit erzählte mir ein Herr, er habe wegen eines
Ohrenleiden bmgten Kurpfuscher aufgesucht Dieser habe aber
sein Ohrenleiden nicht bemerkt, sondern habe ihm eine Nierenkrank-
heit andiagnostiziert — natürlich ohne Urinuntersuchung.
Während des Felkeprozesses in Krefeld machte sich eines Tages
ein Herr, offenbar ein Schüler des Lchmpastors, an mich heran und
erklärte mir nach einem Blick in meine Augen kurz und bündig:
ich müßte einen kranken Magen haben. Ich konnte ihm zu meiner
großen Freude versiciiern, dal5 das Gegenteil der Fall ist Darauf
versicherte er mir, er selbst hätte Arsenikzeichen im Auge. Dieses
stimmte zwar, aber trotz meiner Nachfrage wußte er sich nicht zu
erinnern, jemals Arsenik eingenommen zu haben.
Das sind meine Erfahrungen über die praktischen Resultate der
Augendiagnostiker. Andere Ärzte wissen anderes zu erzählen.
Dr. Salzer^) berichtet von einem an einer Oehirngeschwulst
leidenden Patienten, der einen Münchener Augendiagnostiker kon-
sultiert und die Auskunft erhalten hatte, sein „Rückenmark sei ver-
staubt**. ' 1
Ein an Zuckerkrankheit leidender Arzt, der diesen Kurpfuscher
auf die Probe stellen wollte, schildert uns seine Untersuchung fol-
gendermaBen: „Er betrachtete mich ohne jedes Hilfsmittel
Da es jedoch schon ziemlich finster war, holte er eine gewöhnliche
Küchenlampe mit Blechreflektor, und nun begann die Untersuchung.
Bewaffnet mit einer großen Lnp^ schaute er mir bald ins rechte,
bald ins linke Auge. „Haben Sie Schmerzen oder Drücken?" (Da-
bei deutete er auf meine Magengegend.) — „Nein." — „Waren Sie
einmal dn bißchen geschlechtskrank?" — „Nein." — „Haben Sie
0 Dr. F. Salzer, in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung. München.
14. April 1003. Nr. 82.
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- 110 —
einmal Merkur gebraucht?" — „Was ist Merkur?" — „Quecksilber. -
— „Ich kann mich nicht besinnen, jemals Quecksilber gebraucht zu
haben.'' — „Haben Sie manchmal Schmerzen im Unken Arm?" —
„Nein.'' — „Haben Sie Kopfschmerzen? Ein venöser Bogen deutet
nach dem Kopf; es sind venöse Blutstauungfen vorhanden; ihre Ner-
ven sind etwas reduziert" — „Ich habe niemals Schmerzen im Arm,
auch keine Kopfschmerzen." — „Das werden Sie noch bdcommen;
außerdem strahlen die Schmerzen im Arm nach der Hüfte zu aus.
Haben Sie Schmerzen im Knie und von da abwärts zum Fuß der
rechten Seite?" — „Nein." — „Haben Sie da noch nie Schmerzen
gehabt? Es deutet etwas auf den Darm. Sind Sie gebläht?" —
„Nein." — „Jodpunkte. Haben Sie Druck auf der Brust?" — „Nein."
— „Es li^ etwas Schleim auf dem Rippenfell und in den Bron-
chien. Haben Sie manchmal Auswurf?" — „Nein." — „Das werden
Sie noch bekommen, das ist nodi latent. Auch Ihre Nieren werden
Ihnen mit der Zeit noch zu schaffen machen. Was sind Sie?" —
„Bankbeamter." — „Weshalb sind Sie zu mir gekommen?" —
„Wepren Schlaflosigkeit." — „Trinken Sie abends spät noch Kaffee'''"
— „Selten." — „Sie müssen Coffca nehmen, fünf bis sechs Kügelchen
jeden Abend. Holen Sie sich das in der homöopathischen Apotheke.
Wissen Sie, Coffea aiiupathisch ist ein Gift, homöopathisch ist es
das iddit mdir."
Nadi einigen weiteren soldien sinnreidien Fragen und der
Prophezeiung einiger weiterer Obel, die ihn noch betreffen würden,
verabschiedete er den Patienten, der übrigens verschmitzterweise an
diesem Tage etwas Opium genommen hatte. Weder vom Opium,
noch von der Zuckerkrankheit hatte der Künstler das gerinfj^ste aus
den Augenzeichen bemerkt. Er solle in acht Tagen wiederkommen.
Von der nächsten Konsultation heißt es dann weiter: ,,Nun sap^te ich
liini, daü idi mich zwecks Aufnahme in eine Lebensversiciierung hatte '
beziflcslrztlidi mfissen unteisuchen lassen, und hierbd sei Zadeer
konstatiert worden. Jetzt machte er ein sehr erstauntes Oesicfal ,3o,"
sagte er gedehnt, „da will ich Sie doch noch einmal genauer auf die
Nieren hin untersuchen. Ja, ja, die Nieren sind etwas angegriffen.
(Zuckerkrankheit hat bekanntlich mit den Nieren nicht das geringste
zu tun.) Nun, die Sache ist nicht so schlimm, ich habe schon sehr
viele Zuckerkranke geheilt. Also, 'lassen Sie einmal Coffea und die
Sitzbäder weg, nehmen Sie wöchentlich ein Vollbad und ein Halb-
bad. Essen Sie recht viel Gemüse, auch Sauerkraut; das Brot lassen
Sie sich rösten. Mehlspeisen und Zucker ist zu vermeiden; dann
kaufen Sie sich auf dem JWarkte Bohnenschalen, trodcnen ^e und
zerschneiden sie zu Tee. Davon trinken Sie jeden Tag mehrere Tassen.
Außerdem stoßen Sie Eierschalen zu Führer und nehmen jeden Tag
Dlgltized by Google
- III —
eine Messerspitie voll." — Auf die Frage des Patienten, ob er nicht
eine Urinuntersuchung vornehmen wolle, ließ er sich ein Glä?chen
bringen, betrachtete es gegen das Licht von allen Seiten und sagte:
„Wenn fiberiiaupt Zucker darinnen ist, so ist es selir wenig, das
sehe ich so schon/' „Wollen Sie mir vielleicht das Gläschen mit-
geben, ich werde dann eine Untersuchung machen hissen/' — „Da
geben Sie Ihr Geld umsonst aus." — „Ein Freund von mir ist Che-
miker, da kostet es mich nichts." — (Der Harn enthielt l,3o/o Zucker.)i)
7\ve{ andere Ärzte, Dr. Neustätter-Dresden" und Dr, Ko6-
m ann -Duisburg machten ähnliche Erfahrungen bei dem uns schon
sattsam bekannten Lchmpastor Felke. Zum Unterschiede von dem
eben erwähnten Arzte begaben sie sich aber nicht inkognito zu dem
Augendiagnostiker, sondern erklärten ihm ^anu offen den Zweck
ihres Besuches: sie wollten sehen, was er mit seiner Kunst leisten
könnte. Seien seine Diagnosen richtig, so würden sie dies bereit-
willigst anerkennen und darüber berichten; seien sie aber falsch,
so würden sie ihn „verhohnackem". Nach mancherlei Ausreden er-
klärte sich der Wunderpastor bereit, an ihnen die Augendiagnose
vorzunehmen.
Bei dem einen Arzte Dr. N. erklärte er, derselbe müsse an Krätze
leiden. Als dieser Felke überzeugt hatte, daß dies nicht zutreffe,
sagte er, dann habe er die Krätze gehabt. Dies sei auch nicht der
Fall gewesen. Darauf f&hrte Felke die Krankheiten auf seinen Vater
und schließlich auf seinen Großvater zurück. Fernerhin stellte er noch
zwei weitere Diagnosen auf ein Blasenleiden und eine andere delip
kate Krankheit Keine einzige Diagnose stimmte.
Bei dem anderen Arzte Dr. K. diagnostizierte Felke „Bouillon-
vergiftung**, Jodvergiftung und Quecksilbervergiftung. Keine ein-
zige Diagnose stimmte. Der schlaue Pastor hatte dieses Mal auch
gründlich daneben gehauen, wenn er annahm, daß der Untersuchte
als Arzt viel mit Jodoform (Jod) und Sublimat (Quecksilber) in Be-
rfihrung kommen müsse. Aus besonderen Gründen wandte Dr. K.
diese beiden Desinfektionsmittel zufälligerweise fiberhaupt nicht an.
Während der Prozeßverfaandlungen^ legte ich dem Pastor (in
») Eine ganz ähnliche Konsulfation bei einem anderen Augendiagnostiker
schildert in Nr. 1 des Arztlichen Wochenblattes für die Rheinprovinz und die
hohenzoHemschen Lande ein biederer Schrelnermeiater,
<) Am 27. Oktober 1909 begann vor der Krefekler Strafkammer ein Pro-
zeß gegen den vor Gericht schon zwölfmal wegen Kurpfuscherei angeklagten
und freigesprochenen „Lchmpastor" Felke aus Repelen, der zur Abwechslung
einmal wegen fahrlässiger l ötung eines an Blinddarm cntzündung erkrankten
Bäckerjungen unter Anklage stand. Felke behauptete: 1. Jede akute Blind»
darmentzfindung ist mit Leberleiden verbunden. Z Leberleiden sowie Blind-
Digitized by Google
— 112 -
üegenvvart der Richter) die Abbildung Fijr. 0 vor und forderte ihn
auf, aus den im unteren Irisgebiet deutlich sichtbaren Zeichen eine
Diagnose zu stellen. Felke diagnostizierte: „Der Mann ist auf die
Füße gefallen." (Er hatte, wie schon auseinandergesetzt, cuic syphi-
litische R^enbogenhauterkranktuig durchgemacht.) Idi forderte Felke
auch auf, .meine Augen zu untersuchen und mir eine Diagnose zu
stellen, aber darauf wollte er sich nicht einlassen; er furditete wohl
mit Reclil eine zu große Blamage.
Trotzdem wurde ihm diese in ergiebigstem Maße zuteil, als er
es unternahm, im Krcfclder Krankenhause in Gegenwart von Ärzten
und Richtern eine Reihe von Patienten augendiagnostisch zu unter-
suchen. Auf diese Untersuchungen müssen wir etwas ausführlich
eingehen, weil dieselben kulturhistorisch höchst interessant sind.
Der ganze Felkeprozefi^) unterschied sich schon ganz wesentlich
dartnentzflndung erkennt man durch die Augendiagnose. X Wer also diese Kunst
beherrscht, bedarf keiner Lukaluntersuchun» des Leibes. Felke, der in weiten
Kreisen einen Ruf als „Naturheilkundiger" besitzt, hatte sich bereits am 11. Ja-
nuar d. J. wegen der gleichen Sache vor der Strafkammer in Kleve zu verant-
worten. Die damalige Verhandlung endete wie in allen vorherigen Pillen
mit einem freisprechenden Erkenntnis. Gegen dieses Urteil hatte der Staats»
anwalt Revision angemeldet, so daß sich das Reichsgericht mit der Sache zu
belassen hatte; dieses hob dns Urteil der Klever Strafkammer auf und verwies
die Sache zur erncuicn Verhandlung an die Strafkammer zu Krefeld. Die
sedistägige Gerichtsverhandlung schk>ß wieder mit einem Frebpnicb des
Angeklagten. Trotzdem der Gerichtshof bedingungslos zugab, daß Felke den
Tod des Patienten verschuldet hatte, sprach er ihn frei, weil er in seiner
Handlungsvveise keine Fahrlässiirkeit erblicken konnte, sondern annehmen
mußte, dai> Felke in gutem Glauben gehandelt habe.
>) Wer sich ein richtiges Bild von diesem Prozesse machen will, der
lese das kleine, während des Druckes vorliegender Arbeit erschienene, mit
Humor und Ironie gewürzte Schriftchen des cand. med. H. Gocrtjcns
„Die Augendiagnosc und der Fetkepro/cn zu Krefeld". Der Verfasser weist
auf Grund der Aussagen der Sachverstandigen und Zeugen und des schließ-
lichen Fiaskos des Angeklagten den Unwert der Augendiagnose nach, befaßt
sidi mit der Therapie und den Erfolgen Felkes und gibt uns eine i^ausible
Erklärung für die zahlreiche Anhängerschar des Lehmpastors.
Im Gegensatz zu diesem wahrheitsgetreuen Büchlein steht ein zu gleicher
Zeit erschienenes Machwerk, betitelt: „Der Kampf um die Augendiagnose.
Stenographischer Bericht des Feflcq>rozesse$ vor dem Lamlgericht Krefeld
vom 27. Oktober bis 3. November 1909.'' Der Verlag von Albert Fürst
Nachf. (Röntz u. Uhrig), Krefeld, der dieses Buch ankündiget, vermeidet es in
irreführender Weise vollkommen, den .^utn^ desselben zu nennen, so daß
mau selbst\'erständlich auf den Gedanken kommen muB, es handele sich um
ein volbtiindiges, rein objektiv wiedergegebenes Stenogramm der Prozeß-
verhandlungen. Wer das aber meint, befindet sich auf einem gewatt^n
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von der gewöhnlichen Art der Kiirpfuschcrprozesse. Wer sich mit
diesem interessanten Thema etwas ausfiihrlicher beschäftigt, kann
immer und immer wieder die Beobachtung machen, daß für die Kur-
Holzwege. Das in schlechtem Deutsch, mit schlechter Orthographie ge-
schriebene und auf schlechtem Papier g^ednickte Buch ist vom „Verband der
Vertreter der Pastor Felke-Heilweise, e. V." herausgegeben, und stellt alles
andere eher dar, als eine wortgctiLiic Wicdcij^ahe der Prozeßveihandhinfren.
Wie sachhch dieser Bericht abgefaßt ist, geht schon aus den fettgedruckten
Stellen, die zugunsten Felkes sprechen oder die „ungeheuerliche" Uchaup-
titngai der von der Staatsanwaltschaft geladenen SachverstSnd^fen festnageln
sollen, hervor. Die <jlciclic Sachlichkeit zeigt sich durch sehr charalcte-
ristische Frnffc- i:nd Ausrufungszeichen, und durch geistreiche Anmerkungen
eines gewissen Hense, der Vorsitzender des „Verbandes der Vertreter der
Pastor Felke-Heilweise*' ist und in der Krefelder Zeitung seine Sprech-
stunden ä la Felke ankQnd^ Könnte man alles dieses noch hinnehmen,
so muß man aber ganz eneiigisch protestieren gegen das in diesem Buche
beliebte Verfahren, Beinerkunjren der Sachverstand ifren und Aussagen der
Zeugen zu unterdrücken, die nur zu geeignet waren, den Angeklagten und
seine Helfershelfer in richtiger Weise zu charakterisieren. Die Herren,
die fikr dieses Buch verantwortlich sind, haben es sogar fertiggebracht, die
Worte so zu verdrehen und zu entstellen, daß gerade das Gegenteil von dem
herauskommt, was wirklieh g^esagt worden ist. Ich will hier nur wenijfe
Stellen antühren, die meine eii^cnen Aussagen betreffen, und die ich natur-
gemäß am besten beurteilen kann:
1. Auf S. 46 heißt es:
Sachverst.: „Ist es Ihnen (d.i. der Zeuge Müller, der Verfertiger
des Felkebuches) bekannt, daf5 Pastor Felke beobachtet hat, daß unter
seiner Behandlung eine braune Iris bhiu y^eworden ist?"
Angekl.: „Jawohl! Das ist öfter der Fall gewesen."
Wer dieses ahnungslos liest, kann (zumal da der Name des Sachver«
standigen vorsichtigerweisc weggelassen ist) sehr leicht auf den Gedanken
kommen, dali dieses Zwiegespräch etwas Günstii^es für den Angeklajj^tcn
entlialt. Gerade das Oecfcnteil war in Wirkhchkcit der Fall. Ich erlaubte
mir aui dicsi: .Antwort zu bemerken: „Dana konstatiere ich, daß Pastor Felke
es mit sehr sdtweren Augenerkranknngen zu tun gehabt hat, die er nicht
erkannt hat.'
2. l Unmittelbar hierauf stellte ich an den 7eu<:!;cn Müller die Frage,
ob es ihm bekannt sei, dali Pastor Felke die Ansicht habe, der ,,£jrauc Star"
(eine 1 rübung der Linse) beruhe auf einer Trübung des Glaskörpers. Herr
Müller fragte; „Wo steht das?" Darauf ich: „In Ihrem Buche!" — Von
diesem Zwiegespräch bringt der stenographisdte Bericht nichts.
3. Auf S. 40 heißt es:
Sachverst.: ..Der /cu):je sagt, der Herr Pastor besieht sicii auch die
Hände, beschäftigt sich der lierr Pastor auch mit Phrenologie, wie es wohl
die Zigeuner treiben?"
Diesen Unsinn habe ich nie gesagt, denn ich weiß sehr wohl, daß
Seligmann, AiigendiaKOOMii 8
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pfuscher die Diagnose gar keine Rolle spielt; sie haben irgendein un-
fehlbares Mittel, mag dieses nun Schmutz (Lehm), Speichel, Urin,
Koti) oder Erdmagnetismus, Homöopathie oder tlektrohomöopaihic»
die Zigfeuner keine Phrenologie treiben. Die Sache wird erst richtig, wenn
an Stelle dieses Wortes der wirklich gebrauchte Ausdrudc „Chiromantie**
(die Wahrsagekiinst aus den Händen), gesetzt wird.
4. Auf S. 64 heißt es:
Sachverständiger Dr. Scligmann: „Ich möchte bei dieser Gelegen-
heit darauf aufmerksam machen, daß die Besdtäftigung mit der Augendiagnose
für den Arzt gewisse Gefahren in sidi birgt."
Ich habe in Wirklichkeit g^esasft: „für den Arzt und für die von ihm
untersuchtet- Patienten." Die Gefahren für die Patienten passen den Ver-
fassern des Buches nicht, deshalb wird dieser I^assus einfach gestricheiv
ebenso natürlich die Schilderungen der Oefohren selbst (cf. S. 101.)
5. Auf S. 64 heißt es:
Dr. S. : „Ich hätte gerne Zeichnungen angefertigt aber das kann ich
nicht Das ist furchtbar sehwierij^."
Das stimmt un^refähr, nur habe ich nicht „Zeichnungen", sondern
„gute Zeichnungen" gesagt, und habe hinzugefügt: „die Zeichnungen der
Augendiagnostiker taugen alle nidits.'*
6. Auf S. 64 heißt es ferner:
„Der Sachverständige erklärt an der Hand von Zeichnungen die ein-
zelnen Organfiguren, wobei er besonders auf die Zeichen für syphilitische
Geschwüre hinweist"
,^idien für syphilitische Geschwüre" ist gut! Es handelte sidi irni
die hier abgebildete Fig. 9. (cf. S. 68.) Die blödsinnige Erklärung Felkes
(cf. S. 112) wird natürlich nicht abgedrudct
7. Auf S. 64 heißt es auch noch:
„Nadi dem Felkebuch soll das sympatiiiscfae Nervensystem um die
Pupille herum li^en."
Ausgelassen ist: „Nadi einem anderen Aiq^endiagnostiker (Liljequist)
liegt es um den Magendarinring herum."
B. Die stärkste tintstellung leisten sich aber die Herausgeber auf S. 65:
Dr. Selig mann: „Mir ist eben gesagt worden, ich hätte mich undeutlich
iausgedrficM wegen der Quecksilberriflge. Idi habe nur sagen wollen, daß
ich diese Quecksilberring[e bei fast jedem Menschen sehe, der nur mit Queck«
Silber behandelt worden ist."
In Wirklichkeit habe ich gesagt:
„Ich sehe den anatomischen Befund, den die Augendiagnostiker als
(Juecksilberring bezeichnen, bei fast allen Menschen, mögen sie nun mit
Quecksilber behandelt worden sein oder nicht" (cf. S. 59.)
Ich will mich mit diesen wenigen Beispielen begnügen. Sie allein
düritcii schon genügen, um zu zeigen, welch unrichtiges Bild der Prozeß-
verhandlungen durch diesen „stenographischen. Bericht" entrollt wird.
1) Ober die Anwendung dieser uraKen Zaubermittel vergl. mein Buch
über den bösen Blick.
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Reibesitzbad, Sonnenätherstrahlenapparat usw. usw. heißen. Mit
irgendeinem solchen Universalmittei wird unterschiedslos darauflos
kuriert, an welcher Krankheit der Patient zufällig leidet, ist Neben-
sache. Im Felkeprozeß wie überhaupt bei allen Augendiagnostikern
sehen wir zur Abwechslung einmal etwas anderes. Hier soll die
Diagnose die Hauptrolle spielen, allerdings ist ,,die Behandlung nicht
von der Diagnose zu trennen", „sie ist unzertrennlich mit ihr ver>
knüpft" und besteht aus den allgemein bekannten Mitteln der Natur-
heilmethode, Bädern, Lehmumschlägen, Teetrinken usw. Das Kre-
felder Landgericht erkannte daher ganz richtig, daß es in diesem
Kurpfuscherprozesse im Gegensatz zu allen Prozessen ähnlicher Art
hauptsächlich darauf ankam, zu bex'. eisen, ob der angekla^e Kur-
pfuscher überhaupt die Befähigung zuni Erkennen von Krankheiten
habe; und aus dieser richtigen Überlegung heraus sollte dem Ange-
klagten — ein noch nidit dagewesenes Experiment — die Möglich-
keit gegeben werden, seine Fähigkeit im Beisein von unparteiischen
Personen (die sachverständigen Augenärzte, die den ganzen Sdiwindel
aufs heftigste bekämpfft hatten, durften vorsichtshalber bei diesen
Untersuchungen nicht zugegen sein) zu beweisen. So sehr es nun
einerseits zu bedauern ist, daß emsthafte Ärzte sich zu einem solchen
Possenspiel im Krankenhause hergeben mulitcn, so sehr ist es auch
andererseits zu beglückwünschen, daß durch diese Untersuchungen
amtlich und einwandsfrei festgestellt und urbi et orbi verkündet wor-
den ist, daß die ganze Augendiagnose Schwindel ist.
Wnr lassen hier das Ergebnis der Felkesdien Augendiagnose
folgen;
1. Felkes Aufzeichnung: Unteres Beinfeld zeigt in beiden
Augen Abweichungen. Das Milzfeld ist gezeichnet. Die Leber ist ge-
zeichnet, auch der Blinddarm. Der Mastdarm zeigt im linken Auge
über der Bauchpartie Schmerzkringel. Die ganze Nitur deutet auf
Tuberkulose der linken Lunge. Das stärkste Feld zeigen die beiden
Beine, dann mint die Milz und dann der Mastdarm.
Prof, Gairc; Der Kranke leidet an Lungentuberkulose. Tuberkel-
bazillen sind vorhanden. Im übrigen fehlt dem Mastdarm nichts. Die
Beine sind vollständig gesund.
Felke: Ich hatte also recht, wenn ich Tuberkulose feststellte.
2. Felkes Aufzeichnung: Rheumatismus gehabt. Das Auge
zeigt, daß der Magen ziemlich herunter ist und damit zusammen-
hängend Katarrh /eichen an Blase und Bronchien. Das Herz ist ge-
zeichnet. Viel Nachtschweiß. Die Lunge funktioniert etwas trocken.
Prof. Oarre: Rechtsseitige eitrige Brustfellentzündung. Das
Stück einer Rippe ist herausgeschnitten. Jetzt besteht noch eine stark
eiternde Fistel an der rechten Brustseite.
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Vors.: Also von der Brustfellentzündung und der eitrigen Fistel
haben Sie nichts gefunden?
Felke; Das kann ich jetzt nicht sagen. Hätte ich fragen können,
SO würde ich yrdtex gdcommen sein. Es war ein sehr unklares Bild
im Auge. Da mußten die Fragen hinzukommen.
Oberarzt Dr. Rein hold: Rheumatismus hat der Kranke nicht
gehabt, solange er in meiner Behandlung war.
3. Felkes Aufzeichnung: Ein kleiner Arsenikfleck. Zeichen
am linken Knie. Der Kranke wird leicht schwindlig. Zeichen auf der
Leber. Rückenschmerzen. Verdauung vielfach gestört, außerdem Stich
an der rechten Hüfte. Nierenzeichen nicht ganz deutlich, aber es
deutet aui Kückenschmerzen Inn.
Felke: Ich habe noch hinzugefügt: Also karzinomatöse Natur.
— Auf Befragen eines Richters wird Sachverständiger Dr. Sexauer
aus Godesberg gefragt, ob er mit Felke oder anderen über diesen
Fall gesprochen habe. Dr. Sexauer kann sich dessen nicht erinnern.
Prof. Oarre: Die Kranke hatte Brustkrebs auf der hnken Seite
und ein Beingeschwür seit mehr als 10 Jahren am rechten Bein,
das nicht auf Krebs zurückzuführen ist. Der Brustkrebs ist nicht
operiert.
4. Felkes Aufzeichnung: Pupillen nicht gleichmäßig. Vermut-
lidt Wurmplage. Trinkt gern gute Bouillon und guten Kaffee. Träumt
viel nachts. Fuße kalt. Blutdrang. Schmerzgefühle des Leibes, ver-
bunden mit Schmerzen im Kreuz, i^uß einmal hart aufgesprungen
sein. Hat leicht JVligränc, Magenschmerz, neigt zu Gallenstein.
Prof. Oarre: Ganz frische Syphilis. Es ist Quecksilber verali-
reicht worden. Ein Fall, der sehr ansteckungsfähig ist Verletzungen
sind nicht da. Sonst gesund.
Felke; Auf Krankheiten wie Syphilis gebe ich ungern acht und
beachte sie auch nicht. Quecksilberringe haben sich in so kurzer
Zeit nicht gebildet. Das dauert länger. Es hat Zeit nötig, bis ein
solcher Quecksilberrand sichtbar ist
5. Felkes Aufzeichnung: Jodverfärbung bis zur Pupille. Bein-
zeichen von unten herauf bis zum Knie. Unterschenkel besonders
sichtbar. Partie einer Pupille ausgezackt. Ißt zu schnell oder zu
viel (Frcnsack). Magen und Eingeweide haben eine gewisse Schlapp-
heit Am linken Auge sieht man unter dem Nasenfeld frühere In-
fluenza. In beiden Augen Nierenfeld etwas gezeichnet
Prot Oarre: Es konnte nicht lestgestcUt werden, daß der Kranke
überhaupt in letzter Zeit Jod bekommen hat Es handelt sich um
4 Knochenbrflche an den Rippen an der Unken Seite und zwar mit
starken Verschiebungen der Rippen.
Oberarzt Dr. Erasmus: Der Kranke hat heute nodi starke Be-
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schwcrden von den Kippenbrüchen. An den Beineji hat der Kranke
nichts.
Felke: Das gebe ich zu, das habe ich nicht gesehen. Unter den
Umständen, unter denen ich die Diagnose habe stellen müssen^ wun«
dert mich das weniger.
Oberarzt Dr. Erasmus: Ich möchte feststellen, daß es sich um
eine möglichst objektive Untersuchung gehandelt hat. Meine Auf-
fassung war, (laß es sich nur um die Augendiagnosc handeln sollte.
Wir haben trotzdem gestattet, dnf^ die Leute teilweise zu FtiB in
den Saal getreten sind. Von irgendeiner Beschleunigung der Unter-
suchunu kann keine Rede sein.
Felke: Die Augeadiagnuse existiert doch nicht apart für sich,
die treibe ich im Zusammenhang mit dem Menschen. Wie aus der
Pistole heraus habe ich arbeiten sollen.
Vors.: Nicht wie aus der Pistole heraus! Wir haben Ihnen doch
Zeit gegeben. Wir haben niemals gedrängt.
Felke: Ich habe es niemals so gemacht. Heute war ich unter
den Verhältnissen nicht in der Stimmung. Ich verwende die Zeit von
10 bis 1 Ulir auf 20 bis 22 Patienten.
Ein Beisitzer: Heute haben Sie doch 3V2 Stunden Zeit gehabt
Felke: Die Augendiagnosc ist doch nur ein Hilfsmittel.
Vors.: Sie haben auch dnmal anders gesagt Da haben Sie nur
aus den Augen Ihre Diagnose schöpfen wollen.
Felke: Die Hauptsache ist allerdings die Untersuchung der
Iris, aber in Verbindung mit dem ganzen System der Homöopathie
usv^\ ist die Sache zu verstehen.
6. Felkes Auf zeich nunpf: Beide Nieren ji^ezeichnet Besser
die rechte. In Mitleidenschaft gezoircn sind Herz, Bauch und Speichel-
drüsen. Katarrh am Halse reclits. Schlaf nicht genügend. Augen
haben nachgelassen. Chininzeichen.
Prof. Oarr^: Der Kranke leidet an Nierenentzündung. Chinin
hat er nicht bdcommen. Das Herz ist gesund, die Leber ist gesund.
Oberarzt Dr. Reinhold: Als Kind ist der Kranke auf den Hinter-
kopf gestürzt und deshalb wegen Schwerhörigkeit vom Militär frei
gekommen. Er hört aber jetzt wieder besser. Die Schwerhörigkeit
ist vom Herrn Pastor nicht erwähnt worden.
7. Felkes Aufzeichnung: Schmerzkringel am Magen und im
Rücken, neigt zu Schwindelanfällen, Kopf angegriffen, hat mit der
Blase zu tun. Am rechten Auge Uteruszeichen, am linken Auge Hä-
m<HThoidenzeichen, nicht scharf ein Zeichen an der hnken Niere.
Stuhlgang nicht geregelt Zahnfleisch leicht blutend.
Prof. Qarre: Die Patientin leidet vornehmlich an schwerer
Zuckerhamnihr (Diabetes) und hat daneben Lungentuberkulose und
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einen geringen Grad von Schwachsinn. Der Zucker ist chemisch
nachgewiesen.
Felke: Es war ein ziemlich sdiwieriger Fall Von der Lunge
habe ich allerdings nichts gesdien.
Vors.: Sie haben allerdings gesagt daß Sie das Auge, weil es
dunkel war, schlecht beobachten konnten.
Oberarzt Dr. Rein hold: Es war ein sehr schwerer Fall mit
50/fi Zucker. Die Krankheit besteht also schon länger. HämorrhoidaK
beschwcrden hat die Kranke nie gehabt.
Felke: Das weiß die Kranke vielleicht nicht einmal. Das kommt
oft vor.
8. Felkes Aufzeichnung: Schlechte Verdauung. Beide Arme
gezeichnet Schmerzkringel durch den Leib; etwas die Blase ge*
zeichnet Etwas rheumatische Ansätze. Rechts energtsdie Striche
an Büste, Schulter, Hals und Ohr. Haut schlecht Schlechte Blut-
säfte.
Felke fügte noch hinzu: Linke'? Nierenzeichen.
Prof. Qarre: Die Patientin leidet au schwerem Gebärmutter'
krebs.
Felke: In der linken Niere habe ich einen Abszeß vermutet
Prof. Garr6: Der Krebs ist zwei Handbreit weit von der Unken
Niere entfernt
Felke: Im Auge li^ die Vagina an beiden Seiten. Idi hatte
»»unterhalb der Nieren" geschrieben, eine Stelle, die nach unten
zeigt.
Vorsitzender: Finden Sie das nicht sonderbar?
Felke: Gerade solche Fälle sind schwierig zu untersuchen.
Gerade solch schw ere Krankheiten sind oft schwieriger festzustellen
als leichte Erkrankungen.
9. Felkes Aufzeichnung. Zeichen an der Büste. Vollgefüllt-
heit (sie!) des Leibes. Kleine Veränderungen der Gebärmutter mit
weißem FluB und Periodenstörungen verbunden. Appetit auf pi-
kante Sachen. Blut schlecht, blutarm.
Prof. Oarre: Mehrfach schwerer Gelenkrheumatismus. Jetzt
im Krankenhause wegen schweren Herzfehlers.
Felke: Das habe ich allerdings nicht direkt gesehen. Darin
habe ich mich olfenbar geirrt. Das wundert mich um so mehr, als
sich Herzkrankheiten sonst sehr deutlich zeigen.
10. Felkes Aufzeichnung: Braunes Auge, also schwieriger
zu sehen. Im rechten Auge Leberfeld schwarzer Fleck, im linken
Auge mittleres Kopffeld und Mastdarmfeld. Rechte Bauchseite und
rechte Beinselte gezeichnet, eventuell Nierenfeld. Rechts Bronchien
und Hindeutung auf benommenen Kopf.
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Felke: Ich habe noch notiert; Eventuell Herz gezeichnet. Achsel-
schweiß.
Prof. Garr^: Eine schwere eitrige Blinddarmentzündung. Der
Eiter hat sich bis nach links herüber erstreckt. Es finden sich jetzt
noch derbe, schwartige» fibrinöse Massen. Der Eiter ist durch die
Blase durchgebrochen, und es besteht ein eitriger Blasenkatarrh.
Der Urin hat dicken, eitrigen Bodensatz.
Felke: Bei dem Fall habe ich wohl an Blinddarmentzündung
gedacht. Ich habe aber das Wort nicht gebraucht Gesehen hatte
ich auch etwas davon.
Vorsitzender: Warum hatten Sie es dann nicht aufgeschrieben?
11. Felkes Aufzeichnung: Auf dem rechten Auge ein Bein-
feld, rechts und links helle Heilzeichen. Die Augen stehen nicht
gleich im Kopf. Links Zeichen für Bronchien und Rippenfell Helles
Zeichen für Blutüberfüllung. Entzündung an linker Schulter und
Oberarm. Zahnfleisch blutet manchmal Draufgänger. Hansvome-
weg. Arsenikflecken.
Prof. Garre: Der Fall ist bedeutsam für die Lokalisation auf
der Iris. Das ist ein I^unkt, der von den Augenärzten besonders an-
gezweifelt worden ist. Die Zeichen der Iris sollen sich ja immer
lokalisieren, wo das Organ sitzt, so daß der Augendiagnostiker im-
stande ist, ztt sehen, wenn ein Organ nicht auf der rechten Stelle
sich befindet Bei dem Kranken liegt nun das Herz auf der rechten
Seite. Er leidet an schwerem Irrsinn von der Jugend an. Ferner
ist ein Arsenikflecken festgestellt. Im Krankenhause ist ihm kein
Arsen gegeben worden. Dabei hat er viel Opium bekommen, 10 bis
12 Gramm.
Oberarzt Dr. Rheinhold; Es handelt sich um einen ganz ner-
vösen Jungen.
Felke: Das nenne idi Draufgänger.
12. Felkes Aufzeichnung: Rechte Pupille kleiner als linke.
Früher zu schnell gegessen. Im linken Auge ist ein Beinfeld ge>
zeiciiiii t Dunkles Auge.
Felke: Dazu kommt noch ein Ansatz von Quecksilber.
Prof. Garre: Der Kranke hat einen schweren, nicht verheilten
Unterschenkelbruch auf der rechten Seite. Ich bemerke dies des-
halb, weil bemerkt worden ist, daß sich auf der linken Seite ein Bein-
feld gezeigt hat, während der Kranke an der reciuen Seite einen
Bruch hat, der nicht verheilt ist. Die Knochen lassen sich noch
gegeneinander verschieben. Quedcsilberbehandlung ist im Kranken-
hause nicht vorgenommen worden.
Felke: Ich werde doch nicht die beiden Beinfelder verwechselt
haben! Das kann wohl in der Rage vorgekommen sein. Es ist
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nämlich ausgeschlossen, UaU sich die Zeichen auf der falschen
Seite zeigen.
13. Felkes Aufzeichnung: Unten links Beinfeld; in beiden
Augen gezeiciinet, aucii beidte Nieren. Reciits Zeichnung des Fußes.
Auch Nciguntr zu Katarrhen in der Nase. Rechts Schmerzkringel
in Bein und Rücken, links Schmerzkringel von Brust bis zum Hinter-
kopf hin.
Prof. Oarre: Tuberkulöse Entzündung der Wirbelsaule, Quet-
schung des RücJ<enmarl<s mit totaler Lähmung beider Beine.
Felke: Die Beine waren ja gezeichnet, aber das Rückenmark
habe ich nicht gesehen. Oas sehe ich sonst immer.
14. Felkes Aufzeichnung: Beide Nierenfelder. Rechte Niere
zeigt Substanzverlust Die Blase ist gezeichnet an beiden Seiten,
das Ovarium rechts. Rechts Halsbronchial^egend. Spinale vor-
wiegend rechts. Kein leichter Fall.
Prof. Oarre: Das Kind leidet an schwerer Tuberkulose des
Bauchfells. Beide Nieren sind gesund. Die Tuberkulose hat sich
so weit zurückgebildet, dali Darmschwarten zu fühlen sind. Das
Wasser hat sich aufgesogen. Am Herzen ist nichts nachgewiesen.
Felke: Das möchte idi noch nachsehen. Das Kind habe ich
als tuberkulös angesehen.
Vorsitzender: Das haben Sie nicht gesagt
Oberarzt Dr. Rein hold: Es Hegt kein Anhaltspunkt vor,
anzunehmen, daß die Nieren krank, speziell, daß sie tuberkulös
sind.
Oberarzt Dr. Erasmus: Das Mädchen ist anfangs in meiner
Behandlung gewesen. Es war damals an schwerer Tuberkulose
erkrankt. Wir haben die Voraussage günstig gestellt, weil die
Nieren stets vollständig gesund waren. Deshalb haben wir auch die
Hoffnung auf Genesung nicht fallen bissen.
15. Felkes Aufzeichnung: Rechts kleinere, links größere Pu-
pille. Das linke Augenfeld erscheint gefährdet Siirnkopfschmerzen.
Die Partie rechts an der Hüflgesend ist unklar, aber Zeichen nach
der Blinddarmgegend sind zu sehen. Am rechten Auge Zeichen
der unteren Bronchien, ebenso rechts kleines Beinzeichen. Die Frau
hat Neigung zu Rheumatismus oder Gicht.
Prof. Oarre: Die Kranke leidet an Wasser im rechten Knie, mit
schweren Veränderungen im Knie und hat früher eine Quetschung
der rechten Schulter gehabt Die Blinddarmgegend ist gesund.
16. Felkes Aufzeichnung: Schmerzen an der Schulter. Un-
regelmäßigkeiten am Herzen, Magenschmerzen, ev. mit Gallenstein
und Kolik. Schulter und Achsel rechts energisch gezefehnet Schmerz-
kringel »m rechten Bein.
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Felke: Ich habe noch verzeichnet: Neigung zur Verkalkung.
Prof. Garre: Die Frau leidet an einem frischen Bruch des
Vorderarmes und gibt auf Befragen an, daß sie mit 17 Jahren
Typhus gehabt ha^ sonst aber gesund ist Sie liat keine rheumati-
schen Schmerzen und auch keine Schmerzen an der rechten Schulter.
Auch hat sie stets einen vorzüglidien JVtagen gehabt
17. Felkes Aufzeichnung: Rückenschmerz, der sich auch nach
rechts unten zieht. Handschweiß äußerlich zu sehen. Füße leicht
kalt, Verdauung nicht genügend. Zeitweilig schlechten Geschmack im
Mund. Magen zu voll. Hinten trockene Flecken am Hals.
Prof. Garre: Die Kranke hat einen schweren Bruch der un-
teren Partie der Wirbeisäule.
Felke: Den Bruch habe ich nicht erkannt; aber das erste, was
ich geschrieben habe, war Rückensdunerz.
Prof. Qarr£: Zwei Wirbel waren gebrochen.
Felke: Die Wirbel sind im Auge nur klein gezeichnet Wie
selten habe ich aber Knochenbrüche zu sehen bekommen! Darin
muß man doch zuerst Übung haben.
Vorsitzender: Bei Dr. v. Olsten, den Sie als Sachverständigen
geladen haben, hatten Sie doch am Fuße die Verletzungen entdeckt.
Felke: Die sieiit man besser, und die kommen auch öfter vor.
18. Felkes Aufzeichnung: Auf dem rechten Auge Blind-
därmzeichen. Auf beiden Augen Bein- und Bauchwand gezeichnet
Prof. Qarre: Der Kranke hat an beiden Beinen eine ziem-
lich schwere Verletzung erlitten, links eine Quetschung, und redits
Abquetschung der vorderen Zdie. Der Blinddarm ist gesund.
19. Felkes A uf /eichnung: Rechtes Auge zeigt Schmerzkringel
vom Unterleib bis zum Rücken. Auf beiden .4ugen katarrhalische
Zeichen. Blutarm. Zeitweise fiebrige Zustände an Brust und Hals.
Prof. Garre: Tuberkulose des Bauchfells, wurde operiert. Hat
noch an der rechten Bauchseite eine Fistel. An der Lunge ist
nichts; hat einen Puls von 124 gehabt und war aufgeregt. Di|e
Temperatur im Darm betrug 37,7. In den letzten Wochen $ind keine
Fieberzustände vorhanden gewesen.
20. Felkes Aufzeichnung: Rechtes Auge Nierenfeld mit
Schmerzen durch den Leib. Linkes Awic Schulterzeichen. Auch
am Herzen bemerkbar. Fußschwäche vorhanden fidcr gewesen.
Gedächtnis hat ein Loch. Neigung zur Tage'i=:chläfngkeit.
Prof. Garre: Dem Kranken ist der Blinddarm herausgenommen
worden. Er hat im linken Auge einen Stahlsplitter, und infolgedessen
ist er auf dem Auge nahezu bUnd.
Felke: Das ist mir nicht aufgefallen.
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— 122 —
Eine köstlichere Ironie auf die ^an^^e Augcndiagnose als diesen
Fälligkeitsnachweis des Lehmpastors, der täglicli 40 — 50 Patienten
behandelte, kann man sich kaum denken. Wenn man zugunsten
des großen Diagnostikers lioch rechnet, so war von den 20 Diagnosen
in 4 Fällen beiläufig, unter einem Wust der verschiedenartigsten
Krank heitszustände, dasjenige Organ annähernd bezeichnet, das wirk-
lich der Sitz des Leidens war; alle übrigen Diao:nn^rn waren voll-
kommen vorbei{T:e raten. Wie wenij]f diese doch recht bescheidene
Anzahl von Treifern zu bedeuten hat, kann sich jeder denkende Laie
selbst sagen, wenn er beachtet, daß der Angeklagte in jedem einzelnen
falic eine größere Zahl von Kennzeichen, bis zu 10, auf der Iris
angegeben hat Eine besonders auffällige richtige Diagnose hat
er in keinem einzigen Falle gestellt. Im Gegenteil, seine Unkenntnis,
ein Auge zu beurteilen, ist so groß, daß er nicht einmal imstande
war, ein fast erblindetes Auge zu erkennen.
Gewiß, jeder Arzt, selbst der tüchtigste und gewissenhafteste
kann sich auch irren und irrt sich geletjentlich einmal !i) Aber das
ließt in der menschlichen Unvollkonimenheit und in den ürenzen,
die dem menschlichen Wissen gesteckt sind. Ganz anders aber steht
die Sache bei den Leuten vom Schlage Felkes: Hier ist der Irrtum
eine Folge des ganzen von ihnen vertretenen Systems, das mit abso-
luter Notwendigkeit zu fortwährenden Fehldiagnosen führen muß.
Trotz seiner unsterblichen Blamage ist Herr Felke natürUch
noch immer weit davon entfernt, von seinem Größenwahn kuriert zu
sein. Er und seine Anhänger, d. h. hauptsächlich diejenigen, die mit
der Augendiagnose ihr Geschäft machen, die „Vertreter der Pastor'
Felke Heilweise", wie es in schönem Deutsch heißt, versuchen
die Sache so darzustellen, als ob mit der Art der Untersuchung, wie
Felke sie hat vornehmen müssen, dem armen Manne bitteres Unrecht
geschehen sei. Zu gleicher Zeit behaupten sie, Pastor Felke habe
in einem Falle, der von den Ärzten falsch geschildert worden sei,
recht gehabt So unerquicklich diese Sache auch ist, so müssen wir
dieselbe, doch richtigstellen, damit keine Legendenbildung entsteht.
Über die Art und Weise, wie Felke die Untersuchung hat vor-
nehmen müssen, schreibt die (wohl von dem Lehrer Müller, dem
Verfasser des entsetzlichen Felkebuchcs inspirierte) Rheinisch-West-
fälische Zeitung vom 9. November 1Q()9:
Es ist von Interesse, /u vernehmen, welche Oedanken und Cmp-
luidungcn den Fastor bewegten, als ihm die in I>ecken gehüllten (das
ist falsch) Kranken vorgeführt wurden. Er äußerte sich darüber, als
>) Mfllberger, Pastor Felke. März. 2. Dezemberheft 1909. 3. Jahig.
Heft 24.
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er abends riacli der „vernichtenden Freisprechung" unter seinen Ge-
treuen sab. Dort hat er u. a. geäußert: „Während sonst unser Beruf
es mit sich bringt, daß wir immer von allen am meisten itclcn
müssen, habe ich diesmal sechs Tage lang dort gesessen und andere
reden lassen. Die einen halten mich für |>atfiologisch, den andern bin
ich ein psychologisches Ratsei, bei den dritten bin ich gewissenlos,
bei noch andern bin ich ein brauchbarer Mensch oder auch ein Stand-
punktsfanatiker. Aber was man auch von mir behauptet hat: ein Oe^
fühl des Zornes oder der Bitterkeit ist während des ganzen Prozesses
nicht hbcr mich gekommen. Nur einmal ist das geschehen! Es war
im Krankenhause, als ich hörte, idi müsse die Patienten mit verschlos-
senem Munde untersuchen, ich, der ich doch gewohnt bin, den mir
nahenden Kranken irgendein tröstliches und freundliciies Wort zu
s^gen! Wenn ich einen Kranken sehe, stürmen tausend Gefühle auf
mich ein, die sich zu der Frage vereinigen: Wie machst du den
Armen gesund? Ich will ja keine Augendiagnose wissenschaftlich
begründen! Ich will Kranke gesund machen, die bisher vergebens
Hilfe gesucht haben! Ich wartete nur noch darauf, daß man mir auch
die Augen verbinden würde. Wie soll ich meine Lage schildern!
Ich sollte auf einen Kirchturm klettern, aber es wurde mir gesagt:
Wehe, wenn du eine Leiter gebrauchst! Mich packte das Ciefühl des
Zornes. Es wurde noch verstärkt, als ich den zweiten Patienten zu
Gesicht bekam. Da wußte ich, woran ich war. Bis zum elften Patienten
habe ich dann ganz mechanisch untersucht, und es folgte nun eine
längere Frühstückspause, die ich als den Abschluß des grausamen
Spiels ansah. Aber es ging nachher wieder weiter. Vom 15. Fall
ab nannte ich nur ganz mechanisch die auffallendsten Zeichen. Ich
sage selbst, das war keine Diagnose mehr. Die Sache ging
mich nichts mehr an, und so tat ich schnell den Rest ab. Einer
fragte mich, was ich wohl sagen würde, wenn keine einzige Diagnose
stimmte. Ich erwiderte darauf, dann iiabc es sicli um keine red-
liche Sache gehandelt. Nun, vier zutreffende Diagnosen hat mir
sogar der Staatsanwalt zugestehen müssen, und wer meine Art
zu diagnostizieren auch nur teilweise kennt, der weiß, daß zehn bis
2w51f weitere Fälle durch drei bis fünf Hilfsfragen mit einer exakten
Diagnose herausgekommen wären. Davon sind auch viele Ärzte
überzeugt, und an den einzelnen A uf/i ichnungen kann ich das a tempo
nachweisen. Dieses Resultat hätte ich erzielt trotz der ungewohnten
Verhältnisse, trotz der hinter mir hegenden Prozeßtage und trotz der
in ihrer großen Mehrzahl für mich sehr terniiegenden Krankiieitsbilder.
Es war ja ein Material, wie es mir fast nie zu Gesicht kommt. Daß
man Knochenbrüdie nicht erst aus den Augen zu diagnostizieren
braucht, weiß man anscheinend im Krankenhaus nicht. Es sind
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Spielereien, auf die ich selten etwas gebe. Die Irisdiagnose hat für
mich ganz andere Aufgaben. Höchst sonderbar war mir die Behaup-
tung, daß bei den schwer Zuckerkranken die Leber gesund sein sollte !
Dieser Fall beweist typisch, wieweit wir in unseren Ansdiauungen
über Gesundheit und Krankheit auseinandei^hen. Meine Prognosen
hat man kurzerhand abgetan. Es wurde da meist erwidert, im
Krankenhaus habe man das nicht beobachtet Aber das beweist
doch nicht das mindeste! Kurz, der Kurpfuscher war unantastbar,
und so suclitc man wenigstens seine Sache zu vernichten. Im übrigen
h-itte ein ür/tiicher Sachverständiger recht, als er den ganzen Vorgang
mi Krankenhaus ein unerhörtes Experiment nannte, ein Experiment,
wie ihm in seiner ganzen ärztlichen Praxis noch keins voigekommen
sei. Mein Besuch im Krefelder Krankenhaus wird die gründliche Er-
forschung und damit die Aneikennung der Augendiagnose wesentlich
beschleunigen. Des bin ich gewiß trotz aller augenblicklichen Ent-
täuschungen, die ich der Masse bereiten mußte, weil sie die Voigänge
nicht zu würdigen vermag und deshalb nnch deni urteilt, was vor
Augen ist. Ich rechtfertige mich selbst nicht! Es sind andere an
der Arbeit, die werden es für mich tun und einer unerschütterlichen
Wahrheit zum Siege verhelfen.
Demgegenüber ^ußert sich Dr. Erasmus, der Oberarzt des
Krefelder Krankenhauses fulgcndermaßen^:
„Um in der Felkefrage einer dauernden irrtümlichen Auffassung
zu b^egnen und zugleich um noch immer taglich an mich ergehende
Anfragen zu beantworten, hatte ich eine kurze Schilderung der
Vorgänge vom 3. November für angebracht
Nach cingehoiter Genehmigung des Herrn Oberbürgermeisters
wurde für die gerichtsseitig beschlossenen Untersuchungen ein großer
geschlossener Tagesraum in einem unsrer neuen i^avillons bereit-
gestellt Dieser Raum bietet durch seine großen Südfenster reichliche
Beliditung, außerdem wurde für einzehie Fälle eine elektrische
Lampe benutzt Die Kranken, die vorher um ihre Zustimmung
befragt waren, traten einzeln in Ihrer gewöhnlichen leichten Kranken-
hauskleidung ein, sogar das sehr charakteristisch gehende Mädchen
mit Bruch der Lendenwirbelsäule ging zu Fuße. Von einer Ver-
mummung war in keinem FnHc die Rede. Nur die Kranke mit Unter-
armbruch war von den Scliiiliern abwärts in ihrem Sesselwagen zu-
gedeckt Dieser Wagen wurde auch für die wenigen Kranken benutzt,
deren Leiden das Gehen nicht gestatteten. Wegen der raeist sehr
klaren Krankheltsblhler sollte Herr Pastor Felke an die Kranken
Fragra nicht richten.
0 Krefdder Zeitung. 8. Nov. 1909. Nr. 751.
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Herr Pastor Felke untersuchte mittels eines umfangreichen Ver-
größerungsglases die Augen, untersuchte und betastete fast bei allen
Kranken Hände und Finger von beiden Seiten (cf. S. 42), betastete
weiter die seitliche Nacicen- und Halsgegend, den Kehilcopf, die
Drosselgnibe, ließ den Kopf vorwärts, rüdcwärts und seitlich bewegen
und drehen und stellte in einem Falle zweifellos die Frequenz des
Pulses fest Die Untersuclmng dauerte bei einzelnen Fällen bis zu
12 Minuten. Der ganze Vorgang spielte sich ohne Schärfe und ohne
tile ab und hatte den Charakter etwa einer geordneten, behagUchen
Konsultationsstunde, in welcher über die einzelnen Fälle, soweit es
sich um die angeblichen Zeichen der Augendiagnose handelte, ein-
gehend gesprochen wurde.
Das Resultat ist bekannt
Bei der Untersuchung waren außer Herrn Qeheimrat Oarrl
und den beiden Oberärzten des Krankenhauses der Oerichtshof, die
Anwälte, ferner die beiden von der Verteidigung geladenen Arzte, Herr
Prof. Klein und Herr Dr. Sexauer und eine Anzahl zufällig anwesender
Mitglieder der Krankenhausdirektion zugegen.
Die Untersuchungen, welche an 20 Kranken erfolgien, begannen
um 11 Uhr und fanden einschließlich einer halbstündigen Erfrischungs-
pause um halb vier Uhr ihr Ende.*'
In ähnlicher Weise Si^erte sich Prof. Oarr£ : i)
„Man muß wissen, daß von F. vier. Tage lang vor Gericht
mit aller Bestimmtheit behauptet wurde, daß er lediglich aus den
Augen Diagnosen stelle, ohne Befragen der Kranken — darüber
sind eine große Zahl von Zeugen vernommen worden, die Wunder-
dinge berichteten, die F. nur aus ihren Augen gelesen hätte; selbst
Naturheilkünstler haben dasselbe bezeugt und beschworen! Nun
galt es, den tatsächlichen Beweis im Krankenhaus zu liefern, und da
verlangte er sofort, hragen an die Kraniven richten zu dürfen. Das
Oericht lehnte das ab, weil all die Tage vorher von Befragen nicht
die Rede war. Pastor Felke machte sich dann an die Arbeit und
hatte bequem Zeit; man sah ihm nicht auf die Finger — ja man
litt es sogar, daß er einzelnen Kranken den Puls fühlte, sie am Hals
befühlte. Er war dabei guter Dinge und aufgeräumt — er selbst
wollte keine Pause machen, erklärte, daß er p^ir nicht angestrengt
sei. Er mag dabei des Glaubens gewesen sein, die Krankheiten richtig
erkannt zu haben, denn keine der f'^e'^tellten Diagnosen wurde irgend-
wie kritisiert. Erst m der Naciiunliagssit/ung iiabe ich die arztliche
Diagnose bekanntgegeben, was ja den schauderhaften Blödsinn
Bonner Generalanzeiger. 15. Nov. 1909. Krefelder Zeitung. 18. Nov.
1909. Ni . T77.
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erst so richtig beleuchtet hat. Und nun mit einem Male hieß es : ja,
das ist Icein ehrliches Tun, das war Zwangsarbeit, man hat mir den
Mund verboten usw. Daß den Kranken selbst über die Diagnose
nichts gesagt werden durfte und F. deshalb auch nicht mit ihnen sich
unterhalten durfte, hatte auch noch einen weiteren wichtigen Orund.
Man wollte die Kranken vor jeder Beunruhigung sdiützen, die etwa
durch solch unsinniges Andiagnostizieren von Krankheiten, die sie
gar nicht hatten, oder (wie es Felke liebt) von solchen, die sie
bekommen würden, entstehen könnte", (cf. S. 101 u 110.)
Was nun die angebliche richti(?e Diagnose des Lehmpastors
betrifft, so ist darüber folgendes zu sagen i): Felke soll eine Postkarte
erhalten haben mit fönendem Inhalt:
„Nach Ihrer Untersuchung im städtischen Krankenh'ause zu
Krefeld haben Sie mich richtig t>efunden; was die Arzte im Kranken-
hause angegeben haben, war die Unwaiirheit" Daraufhin hat der
uns jetzt schon hinlänglich bekannte Lehrer Müller zusammen mit
etnem als eifrigen Anhänger Felkes bekannten Krefelder Kaufmann
den Kranken ^ es war bei der Augendiagnose der Fall 5 — besucht
und dabei folgendes „festgestellt":
„Er ist ein junger Mann, im Alter von etwa dreißig Jahren. Er
wies auf den Zweck unseres Besuches hin und erwähnte die Postkarte.
Das stimme genau, meinte er. Nach und nadi wurde das Gespräch
lebhafter. Fast alle Äußerungen des Patienten erfolgten stoßweise
und hastig. Ich dachte an Felkes Aufzeichnung, „ifit zu schnell oder zu
viel" (Freßsack). Sie erregte damals im Qerichtssaal das spöttische
Lachen einiger Sachverständigen; aber sie stellte sich mir gestern
als eine reine Beobachtung des Pastors heraus. Franz — so hieß der
junge Mann — bestätigte verschmitzt lächelnd, das sei richtig. Be-
sonders im Krankenhause habe er tüchtig dreingehauen. Ich las
ihm nun vor — und er verfolgte den Text in einem zweiten Exemplar,
was Felke weit«' aufgezeichnet hatte: „Jodvofäi^ung bis zur Pu-
pille'*, und fragte ihn, ob er etwa den Oberschenkel einmal mit Jod
eingerieben habe. Das wurde verneint. Ich fragte, ob er sidi unten
anderweitig schon einmal verletzt habe. Was mich veranlaßte, so zu
fragen, war der Sitz des Jodzeichens in der Iris, das ich sofort als
solches erkannte, als ich die schlecht brennende I atnpe vom Tische
nahm und in die Augen leuchtete. „Ja doch," bemerkte er, „ich
habe mir im vorigen Jahre beim Abspringen vom Picrd die Hoden
aufgerissen, denn ich blieb damit hängen. Man hat mich dann ins
Krankenhaus gebracht und dort ist die Wunde vernäht und dann mit
Krefelder Zeitung. 2ö. Nov. 1909. Nr. 799. Felke-Zeitung. Krefeld.
1. Dez. 1909.
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— 127
einem JodtJlujinverband verbunden worden." Die Augendiag^no«?p
beweist ebenfalls, daß bei dieser Gelegenheit Jodoform angewandt
worden ist, das allbekannte Mittel bei Wundbehandlung^. Und wie
sagte Professor Garr^': „Es konnte nicht festgestellt werden, daß
der Kranke überhaupt in letzter Zeit Jod bekommen hat" Die Be-
merkung „in letzter Zeit" ist ohne Belang, da Jodflecke jahrelang
im Aii^c sichtbar bleiben, Iiäufig sogar zeitlebens. In welcher Rich-
tung sind obige Feststellungen gemacht worden? Hat man etwa nur
den Kranken gefragt: „Haben Sie Jod gebraucht?" Der Patient
liat nämlich keine Ahnung davon, was Jod ist und wozu es benutzt
wird. Also, Herr Professor, wie hat man gelorscht? Felke diagnosti-
zierte weiter: „Beinzeichen von unten herauf bis zum Knie. Unter-
schenkel besonders sichtbar." Ich nahm wieder die Lampe und fand
das Zeichen sofort. Franz bemerkte: „Der Pastor hat recht! Das
Bein ist von Geburt her schwach gewesen! Sehen Sic nur her!" Da-
mit gab er uns Gelegenheit, beide Beine miteinander zu vergleichen:
Das rechte Bein war seiner ganzen l-änge erheblich dünner, bis zu
16 Zentimeter. Ausgedehnte und anstrengende Touren kann Franz
nicht machen. „Vom Militär bin ich deshalb gleich im erbten Zug
freigekommen. Sehr scliwach ist das Fußgelenk.'* Mit dieser Tat-
sache vergleiche man das Outachten des Oberarztes Dr. Erasmus:
„An den Beinen hat der Kranke nichts." „Der Herr Pastor hat mir
noch etwas Richtiges gesagt," bemerkte Franz. „Sehen Sie, hier
am Hinterkopf fühlen Sie eine dicke Narbe; die rührt von einem
heftigen Schlage her! Der Pastor durfte uns ja bloß in die Augen
sehen, und da sagte er: Schlag auf den Hinterkopf! Darüber war ich
sehr verwundert, denn das ist ja schon lange her. Ich durfte ja aber
kein Wort sagen. Das war uns feste eingeschärft. Kaum aber war
ich aus dem Saal heraus, da kam der Assistenzarzt N. hinter mir her,
der auch dabei gewesen war als der Pastor das sagte, und fragte
mkh, wie das mit dem Bein und mit dem Kopf wäre. Ich zeigte ihm
dann das magere Bein tmd die Narbe." Idi konstatiere, daß man
abends an Gerichtsstelle von diesen beiden wunderbaren Diagnosen
des Pastors auch nicht einen Laut erwähnt hat! Es muß die Frage
von größter Tragweite beantwortet werden: „Hat der Assistenzarzt
seinem Chef oder Prof. Qarre Mitteilung vnn dioser frappanten
Feststellung gemacht?" Die weitere Beobachtung I i Ikes, ,,ani linken
Auge frühere Influenza", ist ebenfalls zutreffend, denn Franz hat
nicht einmal, sondern häufiger an Fieber, Schnupfen, Kopfschmerzen,
Mattigkeit und Husten gelitten. Daher im Auge das Felkesche
Wischzeichen. Das Nierenfeld beider Augen war gezeichnet, offenbar
eine Folge des Alkohols. „Und da sitzt ja auch das prächtige Rippen-
zekhen," sagte ich. Es ist so deutlich, daß eine blinde Frau es mit
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dein Krückstock fühlen kann. Das Iriszeiclien ist fast kreisrund, hat
etwa einen Millimeter im Durchmesser und liegt an der gedachten
Wagerechten, die man sich von der Mitte der Pupille zum Außenrand
der Iris des linlcen Auges gezogen denkt JVtan sieht derartige
Zeichen besonders häufig bei Quetschungen, und nur ein sehr scharfes
Zusehen unter guter Belichtung läßt den gleichzeitigen Knochenbruch
erkennen. Auch mir war das wegfen des unziircichenck-ri Lichtes
kaum möglicli; aber schlieBHch ^jelang es. Wie das Zeichen irestaltet
war, als der Pastor untersuchte, ist schwer /u sagen. Die Rippenbriichc
selbst hat er nicht erkannt; aber er hat den Sitz des Übels mit den
Worten: „Unteres Lungcnfeld linlcs" sofort sehr genau fixiert Die
Krankenfaausärzte haben vier Wodien nötig gehabt, um die kranke
Stelle zu finden n Bis dahin suchten sie dieselbe, wie Franz' ver-
sicherte, immer in der Rückengegend.**
Hierdurch sah sich Dr. Erasmus zu folgender Erwiderui^
veranlaßt 1):
Wir Ärzte im Krefelder städtisclien Krankenhause sind
durch den urspriin,e:lich von der VerteidiLi:unL? gestellten und nach-
trägUch vom Gerichte aufgenommenen Antrag ohne unser Zutun
mit dem Felkeprozeß in Berührung geraten und bekommen jetzt
die vor der Übernahme unserer zwar ehrenvollen aber schwierigen
Aufgabe wiederholt geäußerte Vermutung bestätigt, daß uns die Sache
noch mancherlei Gehässigkeiten zuziehen könne. Trotz dieser Aus-
sichten hielten wir es für unsere Pflicht, die Aufgabe nicht abzulehnen
und mit Wahrung möglichster Unparteilichkeit zu erledigen. Der
gestern zitierte Artikel des Felkeschriftstellers Müller zeigt, welche
„haarsträubende Dinge" uns nachgesagt werden. Was wird nun
alles aus dem Falle Nr. 5 gemacht?
Nr. 5, ein Mensch von 28 Jahren, wurde kurze Zeit vor Beginn
der Untersuchungen ausgewählt weil er wegen der sehr ausgesprodie-
nen Folgen seiner verhältnismäßig frischen, schweren Verletzungen
Felke volle Gelegenheit bieten konnte, seine augendiagnostischen
Fähigkeiten zu zeigen. Felke will nämlich bei schlecht geheilten,
noch empfindlichen Knochenbrüchen in der Iris gebrochene oder
L'^ekrcuztc Stäbchcnlinien sehen und daraus eine unfehlbare Diagnose
stellen. Der Patient war am 9. September 1909 zwischen zwei
Karren geraten und hatte eine schwere Verletzung des Brustkorbes
erlitten. Er hatte eine Anzahl von Rippen gebrochen, bei unverletzt
gebliebenen Lungen hatte er im rechten und linken Rippenfelhaume
große freie Bluteigusse — in elendestem, durch Trunkenheit ver-
schlimmertem Zustande fand er bald nach der Verletzung Auf-
1) Krefelder Zeitung. 27. Nov. 1909. Nr. 80O.
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nähme im Krankenhause. Unter iangsamem Nachlassen der Druck-
erbciicinungcn erliolte er sich alhnähUch und konnte seit dem 3. Okto-
ber zeitweise das Bett verlassen. Es blieb noch eine sehr schmerzr
hafte Kiirzatmigkdt zurück, die Stellen der deutlich nachweisbaren
l^lipetibruche blieben sehr empfindlich. An der linken Seite des
Brustbeins ließen sich vier vortretende Bruchstücke deutlich er-
kennen. Weitere schmerzhafte Rippenbrüche waren an den zweiten
Rippen rechts und links nachzuweisen. In diesem Zustande, noch
mit sehr empfindlichen Atembewegungen, wurde er am 2. November
Pastor Felke v «rpestellt. Unter den vielen Aufzeichriunyen bezüglich
dieses hallcs beiludet sicli der Vermerk: „linkcb Auge unteres Lungen-
feld. Influenza.*' Damit soll wohl nach der Meinung Müllers
die Diagnose der beschriebenen schweren Verletzung des Brustkorbes
erledigt worden sein; von der Exkrankung beider Rippenfelh-äume,
von den schweren Rippenbrüchen keine Spur! Und doch existiert
in dem Felkeschen Irisschema ein eigenes Feld für das Rippen-Lungen-
fell und ein eigenes Feld für den Brustkorb! Dagegen „ahnt" der
Untersucher bei seinen mannigfalti^-cn andern Zeichen ganz andere
nebensächliche Dinge, von denen t das „Beinzeiclien von unten
herauf bis zum Knie" von Herrn Müiier jetzt in den Vordergrunjd
geschoben wird. Wir im Krankenhause haben von einem Beinleiden
des Mannes nichts erfahren, weder Herr Qeheimrat Oarr^ noch kh,
noch der Assistenzarzt der Abteilung, Herr Dr. Neuy, dessen be-
zügliche Erklärung mir und jedem mehr getten muß, als die nach-
trägliche Äußerung des in jeder Hinsicht nicht einwandfreien Mannes
Nr. 5. Herr Dr. Neuy erfährt ebenso wie icli die Sache erst jetzt aus der
Zeitung. Auch dem Wartepyersonal ist davon nichts bekannt gewesen.
Ich selbst habe den Matm wiederholt gefragt, ob er früher bereits
krank gewesen sei und jedesmal hat er mir dies aufs entschiedensie
verneint Neben seinen Äußerungen hat auch sein körperliches
Verhalten durdi nichts an pia Beinleiden erinnert Auch alle an-
deren Befragten im Krankenhause geben an, daß sie den etwas nach-
lässigen Gang des Kranken mit seiner gezwungenen Haltung auf die
von ihm immer geklagten Brustschmerzen bnogen haben. Er selbst
hat wohl deshalb nicht von seinem Beine gesprochen, weil er es wie
ein gesundes Glied gebrauchte und dadurch nicht behcllii^t war.
Erst nach seiner Entlassuni^ aus dem Krankenhaiise (16. November)
scheint ihm der Ciedaiikc gekommen /u sein, aus der Sache Kapital
zu schlagen, was bei seinem sehr bewegten Vorleben erklärlich ist.
Von dem bhmen Bein, „das von Oeburt her schwach gewesen
ist", habe ich also erst aus dem Müilersdien Artikel erfahren und
mich heute, 76, November, uberzeugt, daß der Mann zwar ein
muskulär geschwächtes Bein von normaler Länge hat, dessen Ober-
Seliinann, Auf^iutlagBow. 9
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Schenkel besonders stark abgemagert ist, daß er aber dieses Bein
wie ein gesundes benutzt und in seiner Arbeitsleistung dadurch
kaum behindert sein dürfte.
Nach diesem ist es erklärlich, daß ich mich zu der Bemerkung
berechtigt hielt, da6 der Kranke an den Beinen nichts habe, weil ich
nur die Verletzung im Auge hatte.
Felke diagnostizierte weiter: „Rechts Schlag oder Stoß Hinter-
kopf.*' Nr. 5 hatte im Gesichte z. B. am linken Mundwinkel nnd
auf dem behaarten Kopfe eine Unmenge in die Augen lallender
kleiner Hautnarben, die den Eindruck emes „reichbewegten Lebens"
auch bei jedem maditcn, der nicht in die Iris zu sehen gewöhnt ist.
Die angebliche „dicke Narbe'' auf dem Hinterkopf ist, wie ich auch
heute feststellte, ein sehr ausgesprochener, fibrigens ncNrmaler Hinter-
hauptshöcker, wie ihn viele AAenschen haben. Das hat mit einer
Verletzung, von der mir auch nicht das geringste mitgeteilt
ist, an dieser Stelle nichts zu tun. Nr. 5 hat so viele ausgeheilte Ver-
letzungen, auch z. B. an der rechten Schulter, gehabt, von denen er
nachträglich gesprochen hat, daß sie tatsächlich nicht mehr in Be-
tracht zu ziehen waren.
Was endlich die vor einem Jahre eriiUene Unterleibsverletzung
anbetrifft so hat Nr. 5 nach der Gerichtsverhandlung davon
beiläufig Herrn Dr. Neuy gesprochen, aber zugleich gesagt, daß die
Wunde damals glatt geheilt sei und ihm Beschwerden nicht hinter*
lassen habe. Deshalb hielt der genannte Arzt es nicht für nötig, von
dieser unwesentlichen Sache uns Mitteilung zu machen. Die Haupt-
sache an diesem Falle ist, daß Nr. 5 wegen dieser Verletzung nicht
im städtischen Krankenhause, sondern in der Handwerkerkranken-
anstalt behandelt wurden ist. Er kam auch dort laut Mitteilung des
behandelnden Arztes vollständig betrunken an und wurde bei
ihm, wie auch der genannte Arzt heute schriftlich berichtet, Jodoform
bestimmt nicht angewandt
Die Angabe des p. Müller über Jodzeichen ist also ebensosehr
aus der Luft gegriffen und unwahr, wie die von Felke gefundenen
Arznelzeidien der Fälle 6, 12 und 16 in seiner Tabelle.
Herr Müller ist nicht sehr glücklich in der Wahl seines
Zeugen. Nr, 5, dessen Name ja nicht genannt wird, ist ein Trun-
kenbold schlimmster Art und hat deshalb schon auf der Polizei-
wache Aufnahme gefunden. Er ist fiinf- oder sechsmal wegen groben
Unfugs und einmal wegen Diebstahls mit Gefängnis vorbestraft
und zurzeit wieder wegen eines bereits eingestandenen Diebstahls in
Voruntersuchung; ich halte diese Feststellung wegen seiner Glaub-
würdigkeit für notwendig.
In der FeUcesache bin auch ich bestrebt gewesen, die objektive
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Wahrheit an den Tag 7U bringen und wenn ich mich bei dem Fall
Nr. 5 bezüglich eines sehr unwesentliciien Nebenumstandes nicht
ganz genau ausgedrückt habe, so ist dies aus dem Gesagten er-
kliriich.
Mir scheint in diesem Falle das wichtigste zu sein, daß bezüg-
lich der schweren im Vordergrund stehenden Rippenverletzungen
und nicht weniger hinsichtlich der Anwendung des Jod die Augen-
diagnose Felke g-änzlich Im Stich gelassen hat.
Weitere Bemerkungen [jiniibe ich mir ersparen zu können."
Auch wir sehen diese Angelegenheit hiermit für erledigt an
und stellen fest, daß trotz der diametral gegenüberstehenden An-
sichten der Arzte und der Kurpfuscher in bezug auf die Augendiagnose
in einem einzigen Punkte völlige Obereinstimmung besteht: in den
Resultaten der Diagnose. Hier ist bei beiden Parteien ein absolutes
Fiasko zu konstatieren.
Wir können uns aber trotzdem nicht versagen, unser Befremden
über die gm/e Experimentalvorstellung im Krefelder Krankenhause
auszudrücken. Wozu eigentlich die ganze Komödie?
Obgleich die in Frage stehende Angelegenheit einwandsfrei ent-
schieden wurde, und sowohl die völlige Unhahbarkeit der Augen-
diagnose wie die absolute Unfähigkeit des Augendiagnostikers in
angenfalügster Weise fes^estellt worden war, nahm das Gericht in
seiner schtieBlkhen Urteilsfällung nicht die geringste Rückskht auf
dieses Ergebnis, sondern eridarte, es handele sich nicht um die Ent-
scheidung von wissenschaftlichen Fragen, und sprach den Angdclagten
frei. Wozu wurden denn 30 Ärzte aus ihrer Praxis herausgerissen,
zu weiten Reisen gezwungen und zu langen, wissenschaftlichen Gut-
achten veranlaßt, wenn schließlich auf alles das nicht die geringste
Rucksicht genommen und kurz und bündig erklärt wird, es handle
sich gar nicht um die Entscheidung wissenschaftlicher Fragen, son-
dern fflir darmn, ob der Angeklagte im guten Glauben gebandelt
habe .oder nicht Weldie ungeheure Gefahr schlieBt ein solches
Urteil in sich ein! Wie können fernerhin Kurpfuscher jeder Art
straflos ihr schandbares Gewerbe weiter betreiben, wenn es sich
als Gerichtspraxis herausstellen sollte, daß jeoer freigesprochen wird,
dem oder dessen Verteidiger es gelingt, die Sache so hinzustellen,
als habe er im guten Glauben gehandelt. Ein solches Urteil ist ja
direkt eine Prämie für die Dummheit. Je weniger jemand weiß, um
so größer ist seine Berechtigung, sich auf seinen guten Glauben
zu berufen. Möchte man unter solchen Umständen skli niöht ver-
sudit fühlen, allen gegenwäriigen und zukünftigen Studenten der
Medizin den Rat zu geben, möglichst wenig zu lernen, auf das
Examen zu verztchten, und sich ohne Sach- und Fachkenntnis der
9*
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leidenden Menschheit zu widmen? Stehen sie sich auf diese Weise
nicht viel besser als die amtlich beglaubigten Ärzte, die fortwährend
der Gefahr ausgesetzt sind, wegen eines „Kunstfehlers** vor Gericht
zitiert und verurteilt zu werden, weil sie sidi nicht auf ihre Dumm«
hett berufen können? Nur der Kurpfuscher hat das anerkannte
Privilegium seiner Dummheit und Unwissenheit, und daraufhin kann
ihm kein Gericfit etwas anhaben: „er handelt im guten Glauben,"
Und wie viel beneidenswerter ist überhaupt der Beruf des Kur-
pfuschers als der des praktischen Arztes! Die pekuniäre Lage des
approbierten Mediziners ist im allgemeinen, dank einer sogenannten
„sozialen" Gesetzgebung, eine sehr schlechte, während man von
den Kurpfuschern eher das Gegenteil behaupten kann. (Daher auch
die traurige Erscheinung, daB immer mehr approbierte Arzte sidi der
„Naturheilkunde'' widmen.) Der praktische Arzt wird so häufig
um seinen unter Mühen und Sorgen und selbst unter Lebensgefahr
sauer verdienten Lohn geprellt, der Kurpfuscher weiß sich immer
schadlos 7.u halten. Hat der Arzt sich einmal geirrt, so heißt es:
„Er versteht nichts"; irrt sich der Kurpfuscher, so heißt es: „Jeder
Mensch kann sich einmal irren." Der Arzt hat eine Unmenge Pflich-
ten gegen den Staat, die Oesellschaft, den eigenen Stand; der Kur-
pfuscher braucht nur für sich selbst zu sorgen. Der Arzt darf nidit
das geringste tun, um sein Wissen und Können bekanntzumadien
(sogar populäre Vorträge, Bücher, Aufsätze gelten nicht fQr „standes-
gemäß'' und laden das Odium der selbstsüchtigen Reklame auf den
Ver\i'egenen) ; der Kurpfuscher darf uneingeschränkt die gewissen-
loseste Reklame ausüben.
Bei Knrpfuscherprozessen, wo natürlich die Ansichten der Arzfe
und die der Kurpfuscher aufeinander losplatzen, steht das Publikum,
die große Menge, größtenteils auf sciten des armen, unterdrückten
Kurpfuschers, den man nicht aufkommen lassen will, „Wie viele
große Entdedcungen sind anfangs verkannt und verspottet worden,
um später ihren Ruhmeszug durdi die Welt anzutreten!" heifit es
dann. Mit großer Gelehrsamkeit werden alle möglichen historischen
Belege angeführt, um zu beweisen, wie die Wissenschaft geirrt
und die „Ketzer" verlacht hat. Die Augendiagnostiker seien auch
solche verkannte ,, Ketzer". Aber man vergißt bei diesen Tiraden,
daf? es sich hier gar nicht um die Erfindunsf oder Entdeckung eines
besonders genialen Menschen handelt, sondern um die von der
Wissenschaft laag.st abgetanen, durch nichts bewiesenen und unhalt-
baren Behauptungen mittelalterlicher Schäfer und Scharlatane, die
immer wieder von neuem ausgekramt werden, um mit mancherlei
modernem Zierwerk versehen der gläubigen und staunenden
Menschheit als Resultate eines genialen Menschenverstandes auf-
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getischt 7\\ werden. So weit ist die Wissenschaft denn heute, Gott
sei Dank, doch schon, daß sie eine rein schwindelhafte Behauptung
als solclie charakterisieren kann, trotz allen Qezeters und Wutgeheuls
ihrer Yerbissenen Gegner. Wer heutzutage beispielsweise behaupten
wollte, er habe den Stein der Weisen erfunden, oder das Perpetuum
mobile, oder er könne mit unbewaffnetem Auge auf dem Monde
JVlenschen spazieren gehen sehen, dem wird man mit Leichtigkeit
nachweisen können, daß er kein bahnbrechender Erfinder, sondern
ein ganz gewöhnlicher Schwindler *^ei Und so ist es auch bei der
Augendiagnose, wie wir hinlänglich genug; bewiesen zu haben glauben.
Aber trotz aller wissenschaftlichen Beweise gibt es immer noch
wieder Menschen, die da glauben, es müsse doch etwas Wahres an
der Sadie sein, denn der angebliche Kurpfu»:her hat doch so viele
Erfolge aufzuweisen. Außerdem treten eine Menge Zeugen auf,
Laien und Arzte, sogar solche mit Namen und Titeln, um zugunsten
der Augendiagnose auszusagen.
Hierauf ist zu erwidern: OewiB, jeder Atigendiagnostiker hat
wie jeder andere Kurpfuscher auch seine Erfolf^c. Der eine schreibt
sie seiner vortrefflichen Diagnose zu, der andere, der j[rar nichts auf
Diagnose gibt, setzt sie auf Konto seiner unfehlbaren Behandlung.
Und dies ist absolut nicht wunderbar, denn der homo sapiens — sit
venia verbo — besitzt eine ungeheure Widerstandskraft und kann
selbst von einer schweren Krankheit, trotz der unglaublichsten Be>
h'andlung, genesen. In den meistoi Fällen handelt es sidi aber
gar nicht um sokhe schweren Erkrankungen, sondern nur um
Leiden leichter Art, die ohne weiteres von selbst ausheilen. Was
die „Natiir'^ zuwege bringt, das schreiben die Kurpfuscher, die
sich ja mit Vorliebe „Naturheilkundige" nennen, ihrer Wunder-
kunst zu.
Eine Behauptung kann noch so absurd sein, es findet sich uunier.
eine Anzahl von Leuten, die wirklich vom besten Glauben beseelt,
bereit sind, vor Gericht als Entlastungszeugen far den angeklagten
Kurpfuscher einzutreten. Es handelt sich in solchen Fällen immer
um Laien, die von dem Angeklagten behandelt und gesund geworden
sind. Daraus ziehen sie ohne weiteres den Schluß, daß die Dia-
gnose des Augenkünstlers richtig und daß die eingeschlagene Thera-
pie erfolgreich gewesen sei. Daß dieses beides Trugschlüsse und
daß infolgedessen alle derartigen Aussagen wertlos sind, dürfte
wohl jedem denkenden Menschen ohne weiteres einleuchten. Im
Felkeprozeß befand sich unter den Zeugen dieser Kategorie sogar
dn Oymnasialprofessor. Zu seiner Entschuldigung sei gesagt, da6
er in seiner Jugend an Oesiditstauschungen gelitten hat und daß
er sich während der Vernehmung als ein an Gedächtnisschwäche
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leidender, hochgradig suggestibler Neurastheniker erwies. Er mußte
sich denn atidi von einem sachverständigen Arzte sagen lassen,
daß eine angeblich von Felice geheilte oder gebesserte Vericallning
der Schiäfenarterte noch auf drei Schritte Entfernung zu diagnosti-
zieren sei. Glücklicherweise war dieser Herr der einzige Vertreter
des höheren Lehrfaches, der auf Seite der Kiupfiischerei stand.
Dagegen konnte man die traurige Beobachtung machen, wie durch-
seucht die Vertreter des niedrigen Lehrfaches, die Volksschullehrer,
vbn der Pest des Kurpfuschertums sind. Ist dieses auch eine
schun iunlanglich bekannte Erfahrungstatsache, so hat sich dieselbe
doch noch niemals in so krasser Weise gezeigt, wie bei diesem
Prozesse. Oer Lehrer J^ailer und der Lehrer Thiel, deren Bücher
über die Augendiagnose wir schon erwähnt haben (das Thielscfae
Buch ist eine Nummer der „Volks-Erziehungsschriften'^ Le*
l)ensheim. Ehrenpräsident dieses Erziehungsvereines ist Reichsgraf
von Pestalozza-Tagmersheim, Nürnberg; und Präsident ist Leopold
Baron von Fischer, Bern), sind nicht die einzigen, die dieses Gift
aufgesaugt haben, und die es wohl nicht unterlassen werden, es
den ihnen anvertrauten Zöglingen wieder tropfenweise einzuflößen.
Eine ganze Anzahl von anderen Lehrern bekannten sich noch zur
Anhängerschaft der Augendiagnose. Das ist im höchsten Orade
zu bedauern. In die Hand des Lehrers ist es gelegt, frühzeitig den
finstem Aberglauben aus den weichen Kinderherzen herauszureißen
und sie mit dem Oeist des Verstandes und der Aufklärung zu er-
füllen. Wer dieses versäumt, oder wer gar sich des Gegenteils
davon '^chnldifj macht, der begeht ein Verbrechen an seinen Zn^-
lingcn, der eignet sich nicht zum Lehrer; und die vorgesetzten
Behörden sollten die einzig richtio^en Konsequenzen daraus ziehen,
wenn sie sich nicht zu Mitschuldigen raachen wollen.
Weit schlimmer ist es allerdings noch, wenn sich approbierte
Arzte dazu hergeben, die Augendiagnostiker zu verteidigen. Aber
freilich, die ganze Ai^gendiagnose stammt ja von einem Arzte, dem
ungarischen Dr. Peczely, behaupten die Kurpfuscher triumphierend.
Daß dieses nicht wahr ist, sondern daß diese Kunst viel, viel älter
ist, haben wir schon im ersten Knpitcl dieses Buches nachgewiesen.
Wir müssen uns nun noch leider init der Person dieses angeblichen
Vaters der Augendiagnose etwas beschäftigen. Sein Leben und
Treiben gibt uns den Schlüssel zu der im ersten Augenblick doch
inmierhin befremdenden Tatsache, dafi wirklich ein Arzt sich als
Entdecker oder Erfinder einer Schwindelkunst ausgegeben hat
Ptoely war ursprünglich Techniker, trieb dann eine ausgedehnte
Praxis als Wunderdoktor und kam als solcher mit den Bdldfden
und Ärzten vielfach in Konflikt. Da ihm dies anfing, lästig zu werden
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und er hoffte, unter der Verkleidung eines Ai/tcs iing^estraffer weiter
schwindeln zu Jcönnen, studierte er im Alter von 36 Jahren vier
ganze Semester lang Medizin, verschaffte sich sogar in Wien den
Doktortitel und wirkte nuo als Homöopatb und Augendiagnostiker
weiter. Da kam ein drohendes Reskript vom Ministerium, um der
„Betrügerei" mit der Augendiagnose ein Ende zu machen. Als
auch dieses nicht half, fingen die Zeitungen an, ihn zu verfolgen —
und damit war sein Glück gemacht Der arme, unschuldige Märtyrer
wurde schnell populär.
Das war der Erfinder der Augendiagnose. Nicht weil er Arzt
war (nebenbei gesagt: wenn jemand den Doktortitcl hat, ist er noch
lange nicht Arzt), erfand er die Augendiagnose, sondern weil er
Allgendiagnostiker war, verschaffte er sich den Doktorhut Auch
heutzutage soll noch etwas Derartiges vorkommen. Wenigstens
spricht man in Krefekl sehr ungeniert von einem sehr nahen Ver-
wandten Felkes, der beabsichtigt, sogar sein Staatsexamen zu machen,
um so ungestörter augendiagnostizieren zu können. Die Kurpfuscherei
muß also doch ihren Mann noch sehr gut nähren können.
Eine höchst charakteristische Tatsache ist es, daß sämtliche
Mediziner, die sich als Verteidiger der Augendiagnose vorstellen,
Homöüpaüieu und Vertreter der sog. arzneilosen Heilweise, der
Naturheihnethode oder der physikalisch-diätetischen Therapie sind.
Das wüft ein sehr grelles Licht sowohl auf die Augendiagnose selbst,
als auch, da diese jetzt genügend charakterisiert is^ auf die Vertreter
dieser allein selig machenden Heilmethoden. Zwei von diesen Herren
haben wir schon durch ihre Bücher kennen gelernt: Herrn Schlegel
aus Tübingen und Herrn Eh-. Präger. Es liegt mir weit fern, eine
EhrenrettunfT dieser Herren zu versuchen, aber wie wenig sie selbst
an den Blödsinn ihres Herrn und Meisters glauben, das leuchtet
zwischen ihren Zeilen fortwährend hervor. Schlegel kommt schließ-
lich zu der Erkenntnis: „Lassen wir Peczelys therapeutische Wege,
seine ätiologischen Hypothesen, ja sogar die topographische Deu-
tung der Irisveränderungen ganz dahingestellt sein, so wird ifodi
immer ein für die biologische und anthropologische Forschung sehr
interessantes, neu erschlossenes Gebiet übrigbleiben: die erstmals
systematisch vorgenommene Beobachtung und Beschreibung der Fär-
bung und Faserung^ der menschlichen Iris.'* Das ist mit andererv
Worten nur eine ,\ufforderung an die .Augendiagnostiker : ,, Begrabt
den Peczelvivcheii Unsinn, und beschäftigt euch mit der Anatomie
der Regenbogenhaut." Mögen sich die Herren diese Worte eines
Ihrer Anhänger merken! Und Herr Prager? Derselbe ist sich noch
nidit ganz einig, ob er sich auf selten der Wissenschaft oder auf
selten der Kurpfusclier stellen soll. Deshalb verachtet er auf eigene
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Ansichten, zitiert nur die Urteile und Ansicbten anderer Augen-
diagnostiker und versieht allzu unwahrscheinliche Auslassungen dieser
Herren mit einem hödist charakteristischen Fragezeichen.
Auf die übrigen approbierten und nichtapprobierten Ärzte, die
im Jahre 1909 nach Christi Geburt noch den Mut hatten, die Augen-
diagnosc in Schutz zu nehmen, und die wohl fast vollzählig von den
Verteidigern Felkes nach Kreteld beruten waren, wollen wir nicht
näher eingehen. Es genügt anzuführen, daß sie pfrößtcniLils in
ihrer Hilflosigkeit und Verlegenheit gegenüber den Vertretern der
Sdhuhnedizin ein klägliches Schauspiel boten, daß sie an Stelle von
Beweisen und unanfechtbarem Material nur vage, durch nichts be-
wiesene Behauptungen aufstellten, daB sie kritiklos jeden Unsinn
nachschwätzten und, daß sie sich auf der größten Unkenntnis jn
anatomischen und pathologischen Dingen ertappen ließen. Was
aber für alle diese sonderbaren Vertreter der Wissenschaft wieder
sehr charakteristisch ist: keiner wagte es, für die Augendia;; n ose voll
und ganz einzutreten. Sie erklärten zwar, über die bei Felke selbst
beobachteten Ergebnisse „einfach platt"^ oder „paff'' zu sein, aber
auf die Augendiagnose allein wollten sie sich doch lieber nicht ver-
lassen, das schien sogar ihnen zu riskant Der eine wußte zur
B^jündung der Augendiagnose nichts weiter anzuführen, als die
aUtagliche Erfahrung, daß die ursprünglich blauen Augen der Neu-
geborenen mit der Zeit dunkler werden (cf. S. 65). Ein zweiter ent-
schuldigte seine Unwissenheit (ihm waren sogar die Kontraktions-
furchen der Iris unbekannt) mit der Begründung, er habe schon
im Jahre ISSl sein Staatsexamen gemacht und seitdem nichts hinzu-
gelernt. Ein dritter war besonders bescheiden: er erklärte, er müsse
an die Augendiagnose glauben, wenn dieselbe auch nur in einem
einzigen Falle einmal gestimmt hätte. Ein vierter steckte den Vor-
wurf, er sei überhaupt nicht ernst zu nehmen, ganz gelassen eui.
Er steht in einem solchen Ruf, daß andere Arzte es ablehnen, mit
ihm zusammen zu arbeiten. Ein fünfter und sechster erwiesen sich
im höchsten Grade als der Suggestion unterworfen. Wir wollen
die Herren nicht alle einzeln unter die Lupe nehmen und ihre Blößen
elektrisch beleuchten.^) Durch ihre Aussagen zugunsten der Augen-
1) Interessenten seien verwiesen auf den
„Gl sunciheitslehrcr" vom 1. April 1909. Jahrganj^ XII. Nr. 1.
Herliiu r klinische Wochenschrift vom 22. Nov. 19Ü9. Jahrgang 46. Nr. 47.
Münchener medizinische Wochenschrift vom 23. Nov. 1909. Jahrg. 56.
Nr. 47.
cf. auch die Broschfire von H. Qoergcns und einen Aufsatz im ^^rzt-
lichen Vcrcinsblatt" vom 1 ). Dez. 1009. Nr. 740, ferner die Dezembemummer
des Qesundheitslehrcr 1909.
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diagnose haben sie sich selbst gerichtet. Wir müssen nur auf einen
dieser Herren noch etwas näher eingehen, weil er den Professor-
titel hat, und deshalb der Verteidigung des Felke besonders geeignet
erschien, als Aushängeschild lur das Kurptuschertum zu dienen. Die
„Richtung' ' dieses Herrn Prof. Klein, der Arzt der österreichisch-
ungarischen Botschaft in Berlin ist, war sdion durch seine Rolle
als Rufer im Streit auf der diesjährigen Jahresversammlung der
Naturheilkundigen in Hamburg gekennnichnet. Die medizinischen
Zeitschriften teilen jetzt den Zeitgenossen, die sich allmählich über
nichts mehr wundern, mit, daß Herr Klein in Deutschland ohne
Prüfung die ärztliche Approbation erhalten hat, und daß er Professor
geworden ist, weil er „den Bauch des Herrn Botschafters mit glück-
licher Hand massiert hat." „Es wird sich hoffentlich" — sagt
Dr. Voll mann in der Berliner klinischen Wochenschrift — „in
den Ärztekammern und im Landtag Gelegenheit finden, die Zu-
sammenhänge dieser fßr unser Professorenwesen überhaupt recht
bezeichnenden Titefverleihung zu entschleiern und den Stellen, die
es angeht; nahezulegen, daß die Titel und Würden der staatlich ge-
pflegten Mcdi/'inwisscnschaft schließlich nicht dazu da sind, ihren
schlimmsten Widersachern ein besonderes Relief zu geben."
Wir sind jetzt genügend über die Herren orientiert, von denen
die Zeitungen staunend berichten, sie seien Anhänger und Ver-
teidiger der Augendiagnose und verwandter Gebiete. Ihren Trumpf
hätten die Verteidiger des Lehmpastors am liebsten mit der Aus-
sage des von ihnen geladenen Prof. Schwentnger, des Lehrers
des oben genannten Herm, angespielt. Zu ihrem großen Leid-
wesen war aber der frühere Leiharzt des Fürsten Bismarck wegen
Krankheit verhindert, an der Verhandlung teilzunehmen. Es ist
dies wirklich im höchsten Grade zu bedauern, denn bei dem ver-
mutlichen Gutachten dieses von den Nntiirhcilkimdigen als einen der
Ihrigen mit Stolz reklamierten medizinischen Professors hätten die
maßgebenden und verantwortungsvollen Kreise wieder einmal sehen
können, wekhe Konsequenzen die Verleihung des Prof^ssortitel»
irgendeinem Mächtigen oder Einflußreichen zuliebe unter Umständen
haben kann. Bis jetzt hat man in weiten Kreisen noch geglaubt,
daß dieser Titel eine Auszeichnung für besondere wissenschaftliche
Verdienste ist. Besagte Beispiele zpigen aber leider sehr deutlich, daß
man auch ohne solche Verdienste zu Amt nnd Würden kommen kann.
Ein solcher Profcssortitcl steht sehr niedrig im Kurs, und ist nicht
mehr wert als die Prolessorwiirde, die der „Verband der Vertreter
der Pastor Felke-Heilweise" ihrem geliebten Peczely verliehen hat.i)
1) Stenographischer Bericht des Felke-Prozesses S. 9.
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*
Mit einer deiartig^en F*raxis wird das Vertrauen zu der Wissen-
schaft untergraben, und die Kurpfuscherei von oben herab groß
gezüchtet. Unsere Gesetzgebung hat gerade genug aut dem Kerb-
holz. Namentlich, wenn sie sich „sozial" nennt, ist sie eine ver-
kappte Bundesgenossin des Kuipfuschertums. Beweis dafür ist das
Krankenversicheningsgesetz vom Jahre 1883. Wir sind natürlich
weit davon entfernt, alle die Vorteile zu leugnen, die dieses Gesetz
mit sich gebracht hat, aber das darf uns auch nicht verhindern,
einmal die Nachteile desselben zu beleuchten. Wenn man ein Bei-
spiel dafür angeben will, wie man aus anderer Leute Haut Riemen
schneidet, so muß man in erster Linie dieses Gesetzes gedenken.
Nur auf der grenzenlosen Ausnutzung und Ausbeutung eines ein-
zigen Standes, des Aiztestandes, ist dieses „soziale" Oesetz hadert,
für ein lächerlich geringes Honorar, das in vielen Fällen noch ge-
ringer als die Dienstmanttstaxe Ist, wird der Krankenkassenarzt ge-
zwungen, seine verantwortliche Tätigkeit auszuüben. Ist es da Wun-
der, wenn diesem Lohne auch die Leistung entspricht? Die freie
Praxis hat in Deutschland so ^uf wie rr^ny auf<)ehört. Eh-eizehn
Millionen Men^^ichen stehen unter der Fuchtel dieses Gesetzes, und,
was das Schlimmste ist, noch viel schlimnui als das kargliche
Ärztehonorar, diese dreizehn Millionen dürfen niclit zu dem Arzte
gehen, dem sie ihr größtes Vertrauen schenken, sondern ihnen
wird der Arzt aufoktroyiert, den der jeweilige Kassenvocstand als
den geeignetsten hält Daß bei derartiger Besetzung der Kassen-
arztstellen weniger auf die Tüchtigkeit des Arztes, als auf gewisse
freundsdiaftlkhe, verwandtschaftliche und sonstige Beziehungen Rück-
sicht genommen virt!, ist ja eine sattsam bekannte Tatsache. Und
die Folge dieser korrupten Zustände ist eine dauernde und immer
mehr zunehmende Unxutriedenheit auf beiden Seiten, auf selten
der Ärzte und auf seitcn der Kassenpatienten. Der Kassenarzt
kann bei der durchaus ungenügenden Honorierung und bei der
durch das Zwangsarztsystem sich ergebenden Oberfullung seines
Wartezimmers niclit das geringste persönliche Interesse für die bei
ihm HiKesucfaenden haben. Je schneller seine Patienten „abgefer-
tigt" sind, um so lieber ist es ihm. Jede individuelle Behandlung
hört bei einem derartij^ künstlich gezüchteten Großbetrieb natürlich
auf. Der K:i=;?rnpatient, der schon von vornherein mit Mißtrauen
zu „seinem" Kassendoktor, den er oft gar nicht einmal beim Namen
kennt, geht, merkt diese Interesselosigkeit sofort, und trägt nun
seinerseits wieder dazu bei, die Kluft zwischen Arzt und Patienten
immer wieder großer werden zu lassen. Bei einem solchen un-
erträglichen Zustand leidet der Patient natürlich am meisten, die
Chancen seiner Heilung werden geringer, das Zutrauen zum Kassen-
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arzt und damit zur ärztlichen Wissenschaft überhaupt wird unter-
graben, der Kranke sucht anderweitig Hilfe, und ^erät in die Hände
der Naturfu ilkiin.fler und Kurpfuscher, die ihn mit Hebevollen Wor-
ten und uttciicn Armen aulnehmen und ihr mögüchstes tun, um
den etwa noch verbundenen Rest des Vertrauens zur medizinischen
Wissenschaft gänzlich auszurotten. So ist es zu erklären, daß gerade
in Deutschland, dem Lande, in dem die Wissenschaft in höchster
Blüte steht, das Kurpfuschertum im höchsten Qrade gedeiht. Das
Oesetz vom Jahre 1883 trägt die Mitschuld daran. Und wie leidit
wäre diesem Mißstände ab/nhelfen' Die Abschaffung des Zwangs-
arztsystems und die Cinführung der organisierten freien Arzhvahl,
wie sie von den Ärztetagen immer wieder und wieder gefordert
wird, im Verein mit einer menschenwürdigen Hi)norierung der Ärzte
würde mit einem Scl^lage alle die erwähnten Mißstände beseitigen.^)
Aber davon will eine hohe Reidtsregierungf — trotz der eklatan-
testen Erfolge, die mit einem solchen System bereits in Württem-
berg gemadit worden sind — nichts wissen. Das widerspricht
ihrem Prinzip der allgemeinen Bureaukratisierung. Und daher wird
wohl in absehbarer Zeit von dieser verantwortungsvollen Seite keine
Abhilfe zu erwarten sein. Pessimisten behaupten sogar, die Sache
wird noch schlimmer, denn die neue Reichsversicherungsordnung
steht vor der Tür. Qui vivra, verra.
Anstaii dieses Basihskenei weiter auszubrüten, und dadurch
weitere 7—8 Millionen Menschen In die Hände einiger Zwangsärzte zu
gdien, und so den Boden des Kuipfuschertums fernerhin zu dflngen,
wäre es die allerhöctete Zeit, ein Oesetz zu erlassen, das es immöglich
macht, daß Leute ohne die geringste Sach- und Fadikenntnis sich
auf die leidende Menschheit losstürzen. In Deutschland gibt es
seit 1869 keine unbefugte Ausübung der Heilkunde, kein Kurpfuscherei-
verbot. Und deshalb war auch nur in Deutschland (allenfalls auch in
England) der Ausgang des Felkeprozesses möglich. In Österreich,
Frankreich, in den Vereinigten Staaten von Amerika und bei allen
anderen Kultnmationenr wäre die Freisprechung des Lehmpastors
unmöglich' gewesen, er hätte mindestens wegen unbefugter Aus-
übung der Heilkunde, wegen Übertretung des Kurpfuschereiveibotes,
bestraft werden müssen.*) Solange wir in Deutschland ein solches
^) Der Einwand, die Kassen könnten die freie Arztwahl fmanziell nicht
ertragen, ist durch die mehrjährigen Erfahrungen in Württemberfr, in seinen
großen Städten wie in seinen «^n verschiedenen ländh'chen Bezirken, dank
der von den Ärzten selbst ausgeübten Kontrolle der ärztlichen Tätigkeit gründ-
lich widerlegt
*) Dr. jur. H. Oraacks, im „Tag** vom 9. Nov. 1909.
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Verbot nicht haben, soIanf,'p wird die kurpfuscherisdie Hydra immer
wieder von neuem ihr Haupt crlu Ikü, und so lang"e werden sich bei
jedem Kurpfuscherciprcjzeß die Gesetzgeber mit 7u verantworten
haben, die in kurzsichtiger Weise sich nicht dazu catsdüieüen können,
dieses Scheusal mit Stampf und Stiel auszurotten. Bureaukratiscfae
Maßnahmen, wie Registrierung der Kurpfusdier, bewiiicen nur das
Gegenteil von dem, was sie beabsichtigen sollen. Der registrierte
Kurpfuscher fühlt sich als amtlich beglaubigte Person und weiß diesen
Glauben auch bei seinen Opfertieren hervorzurufen. Solche Mittel
bekämpfen nicht die Kurpfuscherseuche, sondern sie unterhalten
sie. Der ärztliche Stand hat eine der Ursachen des sich immer mehr
verbreitenden Kurpfuschcrtums richtig^ diagnostiziert und die Heil-
mittel dafür verordnet; Sache des Staates ist es, in seiner Apotheke die
Rezepte richtig ausfertigen zu lassen.
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Oegen^des, aber, nachdem man dies dIckidWge zwdbändlgc Wert?.
^^Lbens^ eines dentadien OeWirten, durchblättert l«t, ver-
steht man, dass sur BewaUgung dteses wigdieuien Stoffes em
äbnduldattses Stadium eifordeilldi war, dass aber auch nur ein
Mnm denseiRien bewilligen konnte, der zugleich praktischer Aügen-
aizt und vidsettlg gehildeler Oelehrler ist
Da es nnmOgUch tot, hier auf Werk näher einzugdicn,
»tf den Wer beigefügten. ausfflhirUchen Prospekt verwiesen.
DIE GRAUSAMKEIT.
MTBESONDERERBEZUONAHME AUFSEXUELLEFAKTOREN
Von H. RAu. .
Zweite Auflu^'^
S7S Seiten. Mit 91 DlnstntioiMii*
1907. ElesuiitbroMb.lC.4— . OrigindlNna U. S^Ba
INHALT: Einleitung — Die Grausamkeit in der PhltoSopMe —
hl der Psychologie — in der Religion — in der Rechtspflege — in
der Skiaverei — fai der Erziehung — im Verbrecken — im Kriege
nmi Valksleben — to der Gegenwart — in der Literatur. s=
Ein hochinteressantes Budu dessen Lektflre aber starke Nenren
erfordert.
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